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AG Charlottenburg: Für Stadtpläne-Abmahnungen nur 100,- EUR Abmahnkosten

Über die Abmahnungen um kopierte Stadtpläne im Internet wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Vgl. z.B. dazu die Kanzlei-Infos v. 27.08.2003. Der vielfach geäußerte Vorwurf ist, dass es den Abmahner nicht darauf ankommt, ihre berechtigten urheberrechtlichen Interessen zu verteidigen, sondern ausschließlich auf die Gewinnerzielung durch Einstreichen der Abmahnkosten.

Siehe dazu allgemein die Promotion von RA Dr. Bahr "Missbrauch der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung im Internet" und den Artikel von Roth "Abmahner und Absahner: Anwälte packen aus".

Nun hat das AG Charlottenburg (Urt. v. 11.04.2005 - Az.: 236 C 282/04 - PDF) eine weitere Nuance zu dieser Problematik hinzugefügt.

Die Klägerseite begehrte in dem Verfahren die Bezahlung der Abmahnkosten und Schadensersatz für die Benutzung der Stadtpläne. Dem hat das Berliner Gericht eine klare Absage erteilt.

Zwar liege unzweifelhaft eine Urheberrechtsverletzung vor, aber sowohl die in Rechnung gestellten Abmahnkosten iHv. ca. 460,- EUR als auch der Schadensersatz iHv. 1.220,- EUR seien absolut unangemessen.

Hinsichtlich der Lizenzgebühren:

"Die Höhe des Schadensersatzes (...) hat die Klägerin im Wege der Lizenzanalogie berechnet. Hierbei wird zugrundegelegt, was die Klägerin im Falle des Abschlusses eines Lizenzvertrages für die seitens der Beklagten erfolgte Nutzung hätte an Lizenzgebühren erzielen können (...).

Das ist zwar eine grundsätzlich zulässige und praktisch zu vertretende Methode (...). Die Klägerin erzielt jedoch nicht die von ihr genannten Lizenzverträge in der freien Verhandlung mit Interessenten. (...) Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete anwaltlich vertretene Klägerin hat trotz des bereits mit der Klagerwiderung erfolgten diesbezüglichen Bestreitens der Beklagten keine tatsächlich bestehenden Lizenzverträge eingereicht und unter Beweis gestellt, sondern sich - aus welchen Gründen auch immer- auf die Angebote von assoziierten Firmen beschränkt.

Diese sind aber nicht in der Lage, die Höhe der tatsächlich zu erzielenden Lizenzgebühren nachzuweisen, da es sich nicht um konkrete Verträge, sondern lediglich um Vertragsangebote handelt. Zum einen wird der Wert dieser Angebote durch die unstreitige Tatsache, dass diese Firmen eng mit der Klägerin zusammen arbeiten und mit ihr gemeinsam eine marktbeherrschende Position von ca. 95 % innehaben, geschmälert. Zum anderen kann sich aus den eingereichten Angeboten naturgemäß nicht ergeben, ob Lizenzverträge diesen Inhalts jemals abgeschlossen wurden."


Bezüglich der anwaltlichen Abmahnkosten äußert sich das Gericht wie folgt:

"Der Klägerin steht gegen die Beklagte weiter aus Geschäftsführung ohne Auftrag ein Anspruch auf Ersatz der berechtigten Abmahnkosten in Form einer Pauschale in Höhe von € 100,00 zu. (...)

Diese belaufen sich allerdings nicht auf die von der Klägerin geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren, sondern vielmehr auf eine angemessene Aufwandspauschale, die das Gericht gemäß § 287 ZPO auf € 100,00 schätzt.

Denn zu ersetzen sind lediglich die erforderlichen Aufwendungen (...). Erforderlich ist das, was der verständige Abmahner aufwenden würde, um den Störer angemessen anzusprechen und von weiteren Verstößen abzuhalten, ohne dass gerichtliche Hilfe erforderlich ist.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin eine Vielzahl von Abmahnungen verschickt, was sich auch an den Verfahrenszahlen alleine bei dem Amtsgericht Charlottenburg ablesen lässt - schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch nur ein Bruchteil der Abgemahnten schließlich auf Zahlung von Schadensersatz verklagt werden muss, weil viele Störer alleine aufgrund der Abmahnung entweder einen Lizenzvertrag schließen oder den Schadensersatz zahlen.

Hinzu kommt, dass es sich um den immer gleichen, rechtlich einfach gelagerten Sachverhalt handelt - die Abmahnung betrifft jedes Mal das unberechtigte Herunterladen und Veröffentlichen von Kartenmaterial. Hierbei ist davon auszugehen, dass die Ermittlung der Verletzer im Internet vermutlich aufwändiger ist als die Erstellung der Abmahnung, die als reines Formschreiben auch von der Klägerin selbst zu dem genannten Aufwand, der bereits großzügig geschätzt worden ist, ausgedruckt und versandt werden kann.

Zwar ist die Situation der Klägerin nicht vollständig mit der von entsprechenden Verbänden und Vereinen zu vergleichen, von denen ohne weiteres eine Ausstattung zu erwarten ist, die die Zuhilfenahme von anwaltlicher Hilfe zumindest im Regelfall entbehrlich macht (...).

Die Lage der Klägerin ist jedoch insofern vergleichbar, als dass der Klägerin zumindest bei der reinen Abmahnung aufgrund der Vielzahl der Fälle und des immer gleich gelagerten, rechtlich als einfach zu berurteilenden Sachverhaltes zuzumuten ist, Abmahnschreiben ohne anwaltliche Hilfe zu erstellen.

Daher erfolgt die Beauftragung des Rechtsanwaltes nicht mehr im Interesse der beklagten Urheberrechtsstörererin und ist daher von dieser auch nicht mehr zu ersetzen, sondern alleine im Interesse der Klägerin (...).

Die Klägerin ist auch aufgrund ihrer langjährigen, von ihr bereits in der Klageschrift beklagten Erfahrung mit Internetpiraterie selbst im Stande, die erforderliche Abmahnung zu erstellen. Hierfür ist lediglich die Erstellung eines entsprechenden Musterbriefes, den die Klägerin aus den ihr vorliegenden zahlreichen anwaitlichen Abmahnschreiben zusammenstellen und abspeichern kann, erforderlich. Für die Erstellung eines einfachen Briefes unter Beifügung einer vorgefertigten strafbewehrten Unterlassungserklärung einschließlich der Ermittlung von dem Inhaber der entsprechenden Homepage und dessen ladungsfähiger Anschrift ist eine Pauschale von € 100,00 angemessen, aber auch ausreichend, denn hierbei handelt es sich in der Hauptsache um gehobene Sekretärinnen-, allenfalls Assistentinnentätigkeit, die auch nicht länger als ingesamt 30 Minuten (eher deutlich weniger) in Anspruch nehmen sollte. Porto und Papier sind ebenfalls berücksichtigt."


Siehe zu dem Geschehen auch den aktuellen Bericht von Roth "100 Euro sind genug".

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