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LG Hamburg: Mitstörerhaftung einer Online-Auktions-Hauses

Der BGH (Urt. v. 11. März 2004 - I ZR 304/01) hat vor kurzem in einem Grundlagen-Urteil entschieden, dass zwar die Haftungsprivilegierungen des TDG auf Unterlassungsansprüche nicht anwendbar seien, dass aber ein Dritter als Mitstörer nach den allgemeinen Gesetzen nur dann hafte, wenn er auch die tatsächliche Möglichkeit habe, die rechtswidrige Handlung zu verhindern.

Übertragen auf Online-Auktions-Häuser haftet ein solches spätestens ab Kenntnisnahme, so das OLG Köln (Urt. v. 18.03.2005 - Az.: 6 U 12/01 a), vgl. die Kanzlei-Infos v. 29.04.2005. Dabei ließen die Kölner Richter offen, ob und welche Pflichten den Betreiber bei zukünftigten Versteigerungen treffen.

Damit hatte sich nun das LG Hamburg (Urt. v. 04.01.2005 - Az.: 312 O 753/04) zu beschäftigten.

Die Antragstellerin ist ein Unternehmen, das weltweit bekannte Parfümprodukte herstellt und vertreibt. Die Antragsgegnerin war das bekannte Online-Auktions-Haus eBay.

Ein eBay-Nutzer hatte mehrfach und dauerhaft wettbewerbswidrig bestimmte Angebote online gestellt und damit die Rechte der Antragstellerin verletzt. Er hatte in seine Angebote geschrieben: "Lieben sie den Duft von Joop homme?“. In der Angebotsbeschreibung selber machte er nachfolgende Ausführungen: "Sie lieben den Duft von Joop homme? Dann sind sie hier genau richtig!“ Warum wollen sie bei einem Namhaften Parfumunternehmen für 75 ml EdT 42.00 € bezahlen??? Hier bekommen sie diesen Duft als Eau de Parfum für sagenhafte 19.00 € mit einem Inhalt von 100 ml! LR benannte diesen Duft Singapore. Das dargestellte Bild zeigt den Flacon, wobei die farbliche Darstellung gegenüber dem Parfüm abweichen kann."

Die Antragstellerin nahm das Online-Auktions-Haus in Anspruch. Das lehnte eine Mitstörerhaftung ab, weil es nach Kenntnis der Rechtswidrigkeiten entsprechende Filter gesetzt habe. So seien automatische Schlagwortfilter zur Anwendung gekommen, welche in gewissen Zeitabständen neue Angebote nach deren Veröffentlichung auf die folgenden Textbestandteile hin untersuchten:

• „Lieben Sie den Duft von Joop Homme?“
• „Sie lieben den Duft von Joop Homme?“
• „Namhafte Parfümunternehmen“
• „Hier bekommen Sie diesen Duft“
• „LR benannte diesen Duft Singapore“


Sie habe somit alles Mögliche und Zumutbare getan, damit zukünftigte Rechtsverletzungen ausgeschlossen seien, so die Antragsgegnerin.

Dem sind die Hamburger Richter nicht gefolgt und haben eine Haftung des Online-Auktions-Hauses bejaht:

"Auch unter Berücksichtigung einer grundsätzlichen Einschränkung der Störerhaftung auf die Verletzung einer Prüfungspflicht ist von einer Haftung Dritter für fremde wettbewerbswidrige Handlungen, die von ihnen wesentlich und adäquat kausal gefördert werden, jedenfalls dann auszugehen, wenn der Dritte von der rechtswidrigen Handlung Kenntnis erlangt und gleichwohl an dieser Rechtsverletzung weiter mitwirkt.

Zwar haben die Antragsgegnerinnen aufgrund entsprechender Informationen von Seiten der Antragstellerin die beanstandeten Angebote regelmäßig gelöscht, gleichwohl haben die Antragsgegnerinnen in Kenntnis der bereits erfolgten Rechtsverletzung nichts unternommen, um kerngleiche Verstöße künftig zu unterbinden. Sie haben vielmehr ihre Internetplattform weiterhin für das Einstellen beliebiger Angebote offen gehalten."


Und weiter:

"Demnach kann - nach Kenntniserlangung von einem Rechtsverstoß - auch derjenige, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Rechtsverletzung beiträgt, als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Dieses bedeutet, dass die Antragsgegnerinnen immer dann, wenn sie – wie im hier zu entscheidenden Fall - auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden sind, nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich beenden oder für den weiteren Abruf sperren müssen (vgl. § 11 S. 1 Nr. 2 TDG). Sie müssen vielmehr auch - im Rahmen des Zumutbaren - Vorsorge dafür treffen, dass kerngleiche Rechtsverstöße zukünftig unterbleiben.

Hierfür genügt es nicht, dass die Antragsgegnerseite die von ihr bereits veröffentlichten Angebote in gewissen Zeitabständen – reaktiv - mit einem Filterverfahren auf Wiederholungen des gerügten Rechtsverstoßes hin untersucht. Um derartige Wiederholungen möglichst zu vermeiden, kann die Antragstellerin vielmehr verlangen, dass entsprechende Maßnahmen bereits vor Veröffentlichung der Angebote ergriffen werden, dass mithin eine präventive Kontrolle stattfindet. Die Weigerung der Antragsgegnerseite, eine derartige Vorabkontrolle durchzuführen, begründet die Begehungsgefahr und damit den gegen die Antragsgegnerinnen gerichteten Unterlassungsanspruch der Antragstellerin.

Hierfür genügt es nicht, dass die Antragsgegnerseite die von ihr bereits veröffentlichten Angebote in gewissen Zeitabständen – reaktiv - mit einem Filterverfahren auf Wiederholungen des gerügten Rechtsverstoßes hin untersucht. Um derartige Wiederholungen möglichst zu vermeiden, kann die Antragstellerin vielmehr verlangen, dass entsprechende Maßnahmen bereits vor Veröffentlichung der Angebote ergriffen werden, dass mithin eine präventive Kontrolle stattfindet.

Die Weigerung der Antragsgegnerseite, eine derartige Vorabkontrolle durchzuführen, begründet die Begehungsgefahr und damit den gegen die Antragsgegnerinnen gerichteten Unterlassungsanspruch der Antragstellerin."


Die Hamburger Richter stellen somit entscheidend darauf ab, dass vor Veröffentlichung die Filterung präventiv greifen muss und nicht erst nach der Veröffentlichung.

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