anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 39. KW im Jahre 2005. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Interessenschwerpunkten Recht der Neuen Medien, Gewerblicher Rechtsschutz, Wirtschaftsrecht und Gewinnspiel- / Glücksspielrecht.
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Die Themen im Überblick:
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1. BGH: Irreführende Werbung mit „Gewinn-Auskunft“ unter 0190-Telefonnummer
2. BGH: Kostenlose Beigabe zu einer Jugendzeitschrift nicht wettbewerbswidrig
3. BGH: Imagewerbung mit Unterstützung für Tierschutz nicht wettbewerbswidrig
4. OLG München: Kein Auskunftsanspruch gegen Provider
5. LG Hamburg: Heise haftet wegen Sabotageaufrufe im Web-Forum
6. LG Hamburg: eDonkey-Links sind urheberrechtswidrig
7. LG Hamburg: Rechtswidrige Telefonwerbung nach Gewinnspiel-Teilnahme
8. AG Darmstadt: IP-Flarate-Speicherung durch DTAG rechtswidrig (Volltext)
9. VG Köln: Widerruf der Mehrwertdienste-Rufnummer 11875 ist rechtmäßig
10. AG Düsseldorf: Neues R-Gesprächs-Urteil
11. eBay mahnt better.com wegen Verstoß gegen Datenbankrecht ab
12. Neues Themen-Blog: Segeln + Recht
13. Neuer Aufsatz zum Affiliate-Recht: "Marken & urheberrechtliche Werke"
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1. BGH: Irreführende Werbung mit „Gewinn-Auskunft“ unter 0190-Telefonnummer
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Der u. a. für Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von „Gewinnbenachrichtigungen“ an Verbraucher zu entscheiden.
Die Beklagten hatten unaufgefordert Schreiben an private Endverbraucher versandt, in denen diesen mitgeteilt wurde, sie hätten einen von vier abgebildeten Preisen gewonnen. Die Schreiben enthielten u. a. im Zusammenhang mit der Abbildung der Preise einen durch eine Umrandung eingerückten Hinweis, in dem unter der Angabe „GEWINN-AUSKUNFT“ eine 0190-Telefonnummer angeführt war. Unter dieser Nummer erreichte der Anrufer eine Telefonansage, bei der ihm keine Auskünfte über seinen individuellen Gewinn gegeben, sondern die Preise nur allgemein beschrieben wurden. Das Anschreiben enthielt weiter eine „Unwiderrufliche Gewinn-Anforderung“, durch deren Rücksendung der Adressat unter Begleichung von „anteiligen Organisations-Kosten“ in Höhe von 50 DM um die Überstellung seines Gewinnes bitten konnte.
Landgericht und Berufungsgericht haben die vom Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände erhobene Unterlassungsklage als begründet angesehen.
Der Bundesgerichtshof hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten zurückgewiesen. Der Hinweis auf die „Gewinn-Auskunft“ unter Angabe der 0190-Telefonnummer stelle eine nach §§ 3, 5 Abs. 1 UWG unlautere irreführende Werbung dar, weil dem Verbraucher unter der entgeltpflichtigen Telefonnummer nicht die von ihm nach der übrigen Gestaltung des Anschreibens erwartete Auskunft über seinen Gewinn erteilt werde.
Die Aufforderung, „anteilige Organisationskosten“ in Höhe von 50 DM zu zahlen, sei gem. § 4 Nr. 5 UWG als wettbewerbswidrig anzusehen. Nach dieser Vorschrift handelt unlauter, wer bei Preisausschreiben oder Gewinnspielen mit Werbecharakter die Teilnahmebedingungen nicht klar und eindeutig angibt. Eine Aufforderung, einen Kostenbeitrag zum Gewinnspiel zu leisten, rechne zu dessen Teilnahmebedingungen. Ihr fehle die gebotene Eindeutigkeit, wenn der Verbraucher wie im vorliegenden Fall nicht erkennen könne, wofür der angeforderte „Organisationsbeitrag“ verwendet werde.
Urteil vom 9. Juni 2005 – I ZR 279/02
LG Berlin – 16 O 811/00 ./. Kammergericht – 5 U 323/01
Quelle: Pressemitteilung Nr. 132/2005 des BGH v. 23.09.2005
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2. BGH: Kostenlose Beigabe zu einer Jugendzeitschrift nicht wettbewerbswidrig
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Der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass die Abgabe einer Zeitschrift, die sich an einen jugendlichen Leserkreis richtet, zusammen mit einer Sonnenbrille nicht wettbewerbsrechtlich unlauter ist.
Die Beklagte ist Herausgeberin der Zeitschrift "16", die sich an weibliche Jugendliche bzw. Teenager richtet. Der Kaufpreis der Zeitschrift betrug im Jahre 2001 4,50 DM. Der August-Ausgabe 2001 gab die Beklagte eine Sonnenbrille unentgeltlich bei.
Die Klägerin, eine Mitbewerberin, hat dies als wettbewerbswidrig beanstandet. Der reguläre Kaufpreis einer vergleichbaren Sonnenbrille betrage etwa 30 DM, so dass ein großer Teil der angesprochenen Zielgruppe die Zeitschrift ausschließlich wegen der Sonnenbrille erwerbe.
Das Oberlandesgericht Hamburg hat der Klage stattgegeben.
Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof aufgehoben. Er hat angenommen, dass das Angebot der Zeitschrift zu dem gebundenen Verlagspreis zusammen mit der Sonnenbrille kein wettbewerbsrechtlich unzulässiges Kopplungsangebot sei. Auch bei Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren sei nicht davon auszugehen, dass die Rationalität der Nachfrageentscheidung wegen der Zugabe der Sonnenbrille zu der Zeitschrift vollständig in den Hintergrund trete. Selbst im Verhältnis zum Kaufpreis wertvolle Zugaben müssten nicht zu einer irrationalen Nachfrageentscheidung führen.
Dies gelte im Hinblick auf die zusammen angebotenen Produkte (Zeitschrift und Sonnenbrille) auch bei dem angesprochenen jugendlichen Leserkreis. Von einer Ausnutzung der Unerfahrenheit dieser Verbrauchergruppe, die regelmäßig besonders schutzbedürftig sei, könne ebenfalls nicht ausgegangen werden.
Urteil vom 22. September 2005 I ZR 28/03
LG Hamburg - 407 O 154/01 ./. OLG Hamburg - 5 U 26/02
Quelle: Pressemitteilung Nr. 130/2005 des BGH v. 23.09.2005
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3. BGH: Imagewerbung mit Unterstützung für Tierschutz nicht wettbewerbswidrig
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Der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Unternehmen damit geworben hatte, es unterstütze die Aktionsgemeinschaft Artenschutz e.V.
Die Beklagte hatte in einer Zeitungsanzeige für Brillengläser mit UV-Schutz geworben. In ihre Anzeige hatte sie das Emblem der Aktionsgemeinschaft Artenschutz e.V. aufgenommen, die sich für den Schutz bedrohter Tierarten einsetzt. Umrandet war das Emblem von dem Text: "B...-Optik unterstützt die Aktionsgemeinschaft Artenschutz e.V.". Der Kläger, ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, beanstandete dies als wettbewerbswidrig. Es handele sich hier um eine Imagewerbung, die in keinem sachlichen Zusammenhang mit den angebotenen Waren stehe und darauf abziele, das Kundenverhalten unsachlich zu beeinflussen.
Landgericht und Berufungsgericht haben die Unterlassungsklage als begründet angesehen. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte spreche durch den Hinweis auf ihre Unterstützung der Aktionsgemeinschaft in wettbewerbswidriger Weise die Gefühle der Verbraucher an. Sie nutze damit im Interesse ihres Warenumsatzes das Engagement von Verbrauchern für den Umweltschutz aus.
Der Senat hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beklagte handele nicht wettbewerbswidrig, wenn sie wie in der beanstandeten Anzeige darauf hinweise, dass sie den Umweltschutz unterstütze. Die Anzeige sei nicht geeignet, die Verbraucher unangemessen unsachlich zu beeinflussen (vgl. nunmehr § 4 Nr. 1 UWG). Eine Werbeaussage könne nicht schon dann als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden, wenn das Kaufinteresse maßgeblich durch Ansprechen des sozialen Verantwortungsgefühls geweckt werden solle, ohne dass dies in einem sachlichen Zusammenhang mit den beworbenen Waren stehe. Soweit früheren Entscheidungen strengere Maßstäbe zu entnehmen sind, hält der Senat daran nicht mehr fest (BVerfG GRUR 2002, 455 = WRP 2002, 430).
Urteil vom 22. September 2005 - I ZR 55/02
LG Stuttgart - 17 O 563/94 ./. OLG Stuttgart - 2 U 72/95
Quelle: Pressemitteilung Nr. 131/05 des BGH v. 23.09.2005
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4. OLG München: Kein Auskunftsanspruch gegen Provider
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Wie schon das OLG Hamburg (= Kanzlei-Infos v. 17.05.2005 = http://shink.de/v5piay) und das OLG Frankfurt a.M. (= Kanzlei-Infos v. 27.01.2005 = http://shink.de/apwmma) hat auch das OLG München (Urt. v. 24.03.2005 - Az.: 6 U 4696/04 = http://shink.de/ix1w6l) einen urheberrechtlichen Auskunftsanspruch gegen Access-Provider verneint.
Die Musikindustrie hatte nach § 101 a UrhG von den Access-Providern versucht, über bestimmte IP-Adressen Auskunft zu verlangen, um so an die Rechtsverletzer zu gelangen.
Die Müchener Richter lehnen einen solchen Anspruch wie schon andere Gerichte ebenfalls ab:
"Die Berufung erweist sich (...) in der Sache als begründet.
Denn es ist mitnichten iSd. § 101 a UrhG offensichtlich, dass die Antragsgegnerin durch die Herstellung oder Verbreitung von Vervielfältigungsstücken Urheberrechte der Antragsteller verletzt hätte.
Im einzelnen sind derartig viele Fragen streitig und ungeklärt, (...) dass der Senat den Ausführungen des Erstgerichts beitritt, welches in seinen Entscheidungsgründen darlegt, dass "angesichts der äußerst streitigen Rechtsfrage, ob in der vorliegenden Fallkonstellation überhaupt Auskunft nach § 101 a UrhG beansprecht werden kann", die Verfügungsklägerin nicht mit einem Erfolg ihres Antrages rechnen konnte."
Und weiter:
"Sowohl in Rechtsprechung als auch in Literatur sind die verschiedensten Aspekte, die in diesem Zusammenhang zu überprüfen sind, äußerst kontrovers. Hierauf bedarf es aber keines weiteren Eingehens, da sich schon daraus ergibt, dass von einer offensichtlichen Rechtsverletzung keine Rede sein kann.
Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass nur Tatsachen offensichtlich sein müssten, denn § 101 a UrhG verlangt eine "offensichtliche Rechtsverletzung"; d.h. gerade die rechtliche Wertung muss eindeutig und offensichtlich dahin zu ziehen sein, dass die Antragsgegnerin eine solche Rechtsverletzung begangen hat."
Zur Frage, ob ein Access-Provider trotz Datenschutz-Verletzung zur Auskunft verpflichtet ist, vgl. die Entscheidung des OLG Hamburg = Kanzlei-Infos v. 02.07.2005 = http://shink.de/nq383g
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5. LG Hamburg: Heise haftet wegen Sabotageaufrufe im Web-Forum
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Das LG Hamburg (Beschl. v. 20.09.2005 - Az.: 324 O 721/05 - PDF via Gulli.com = http://shink.de/xeq3kk) hat gegen den Heise-Verlag eine einstweilige Verfügung erlassen.
Antragstellerin ist die in Internet-Kreisen nicht unbekannte Universal Boards GmbH + Co. KG. Im Zusammenhang mit einer kritischen Heise-Meldung (= http://shink.de/qm7sbw) über ein Produkt der Antragstellerin wurde im dazugehörigen Heise-Forum durch einen Dritten ein Aufruf gestartet, die Server von Universal Boards durch übermäßigen Abruf lahmzulegen.
Heise löschte zwar auf Aufforderung die Threads, unternahm aber keine weiteren Schritte, um zukünftige Postings dieser Art zu vermeiden. Der Verlag berief sich vielmehr darauf, dass eine Haftung erst ab Kenntnisnahme eintrete.
Die Antragstellerin erwirkte daraufhin die einstweilige Verfügung vor dem LG Hamburg.
Nach inzwischen überwiegender Rechtsprechung haftet ein Forum-Betreiber grundsätzlich erst ab Kenntnisnahme. Dann ist er jedoch verpflichtet, in angemessenem Umfang dafür Sorge zu tragen, dass die vergangenen Rechtsverletzungen nicht erneut auftreten können. In der Grundlagen-Entscheidung "rolex" des BGH (Urt. v. 11.03.2004 - Az.: I ZR 304/01 = http://shink.de/wg6t6) sprechen die Richter von "zumutbaren Kontrollmöglichkeiten", ohne näher zu erläutern, was dies in der Praxis bedeutet.
Die Instanzgerichte haben inzwischen diesen Begriff ansatzweise mit Leben erfüllt. So entschied das LG Hamburg erst kürzlich in zwei Entscheidungen, dass ein Online-Auktionshaus mindestens einen Blacklist-Filter vor der Veröffentlichung schalten müsse, um so Markenverletzung auszuschließen, vgl. die Kanzlei-Infos v. 14.05.2005 (= http://shink.de/4rhnhp) und v. 14.02.2005 (= http://shink.de/o8k0c).
Heise hätte somit entsprechende Filter-Maßnahmen ergreifen müssen, um seinen Sorgfaltspflichten nachzukommen. Rechtlich weiterhin ungeklärt ist aber, in welchem Umfang dies geschehen muss: Reicht es aus, bloß den Firmennamen, die Webseite und den Produktnamen auf eine Blacklist zu setzen? Oder müssen auch noch weitere Begriffe, evtl. sogar klangähnliche Worte, mit aufgenommen werden?
Siehe zu dem gesamten Sachverhalt auch den Bericht von Gulli.com = http://shink.de/9r50ob
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6. LG Hamburg: eDonkey-Links sind urheberrechtswidrig
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Das LG Hamburg (Beschl. v. 15.7.2005 - Az.: 308 O 378/05) hat im Rahmen einer einstweiligen Verfügung entschieden, dass das bloße Anbieten von eDonkey-Links urheberrechtswidrig ist.
Antragsgegner waren sowohl der Webseiten-Betreiber, der die eDonkey-Links angeboten hatte, als auch der Server-Betreiber, der auch nach Kenntnis keine Sperrung der Inhalte vorgenommen hatte.
Die Hamburger Richter führen aus:
"Die Antragstellerin hat einen aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG folgenden Anspruch, das Anbieten im Internet von editierten Links („eDonkey-Links“), die die Suche und den Download der im Tenor aufgeführten TV-Serien in Internet-Tauschbörsen ermöglicht, zu unterlassen, hinreichend dargelegt und auch glaubhaft gemacht.
Danach haben die Antragsgegner die Verbreitung sowie die öffentliche Zugänglichmachung nach §§ 15, 16, 19 a UrhG der (...) geschützten Filmwerke, an denen die Antragstellerin für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und Österreich die ausschließlichen Nutzungsrechte besitzt, Dritten durch einen Download im Internet unter Nutzung der von ihnen auf der Website (...) gesetzten „eDonkey-Links“ ermöglicht, ohne dass das Einverständnis der Antragsstellerin vorlag.
Die Antragstellerin hat dabei glaubhaft gemacht, dass es sich bei den offerierten Filmen um nicht lizenzierte Vervielfältigungsstücke handelt.
Beide Antragsgegner sind als Störer verantwortlich, denn sie erleichtern den Zugriff auf Filmplagiate nachhaltig. Der Antragsgegner zu 1) ist als Betreiber der Website verantwortlich. Der Antragsgegner zu 2) haftet als Betreiber des Servers, auf dem sich die Website befindet, ebenfalls. Die Antragstellerin hat hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er der Aufforderung vom 25.05.2002, die Website sperren zu lassen, nicht nachgekommen ist, § 11 TDG.
Das danach widerrechtliche Handeln begründet die Vermutung einer Wiederholungsgefahr. Zur Ausräumung dieser Vermutung wäre – grundsätzlich neben einer Entfernung der entsprechenden „eDonkey-Links“ aus dem Internet- die Abgabe einer ernsthaften und hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung erforderlich gewesen (...), wie sie erfolglos verlang worden ist."
Der Beschluss ist eine der ganz wenigen bekannten gerichtlichen Entscheidungen, die sich mit der Frage beschäftigen, ob auch das bloße Anbieten von editierbaren Links, hier eDonkey-Links, schon als urheberrechtswidrige Handlung einzustufen sind.
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7. LG Hamburg: Rechtswidrige Telefonwerbung nach Gewinnspiel-Teilnahme
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Die Antragsgegnerin veranstaltete ein Gewinnspiel, bei dem die Teilnehmer vorgefertigte Postkarten einzusenden hatte. Unter der Abbildung des Hauptpreises, einem VW Golf, stand: "Ich bin damit einverstanden, dass mir die X-AG telefonisch weitere interessante Angebot macht (ggf. bitte streichen)." Zudem sollten die Teilnehmer ihre telefonischen Kontaktdaten notieren.
Die Antragsgegnerin verwendete die Daten der so ermittelten Teilnehmer und bot diesen telefonisch Waren und Dienstleistungen an. Hieran sah die Antragstellerin rechtswidrige Werbung.
Zu Recht wie nun das LG Hamburg (Urt. v. 23.11.2004 - Az.: 312 O 975/04) entschied:
"Die Unzulässigkeit der (...) Telefonwerbung folgt (...) daraus, dass ein Einverständnis von Frau U. zum Zwecke der Telefonwerbung angerufen zu werden, nicht erklärt worden ist."
Insbesondere die etwaige Nichtstreichung des Satzes >Ich bin damit einverstanden, dass mir die X-AG weitere interessante Angebote macht (ggf. bitte streichen) kann nicht für eine Einwilligung genügen. Denn dies würde dazu führen, dass der Verbraucher aktiv werden müsste, um sein mangelndes Einverständnis zum Ausdruck zu bringen. Damit würde die gesetzliche Regelung, die dem Opt-In-Modell folgt, in eine Opt-Out-Lösung umgekehrt. Das ist nicht zulässig, denn dies liefe darauf hinaus, dass entgegen dem Gesetz das Schweigen oder die Passivität des Verbrauchers als Zustimmung fingiert würde.
Eine solchung Gestaltung benachteiligt den Verbraucher unangemessen."
Und weiter:
"Unabhängig davon davon kann das Nichtstreichen der Formularerklärung aber auch deshalb nicht als Einwilligung verstanden werden, weil die Teilnahmekarte in einer Weise gestaltet ist, die dazu führt, dass dieser Zusatz leicht übersehen wird. Es handelt sich um den typischen Fall von Kleingedrucktem, das häufig überlesen wird. (...)
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Antragsgegnerin nur Gewinnspielteilnehmer kontaktiert haben will, die ihre Telefonnummer angegeben haben. Denn dem Verbraucher erschließt sich nicht, dass diese Angabe von ihm einzig zu dem Zweck gewünscht wird, damit er mit Telefonwerbung konfrontiert werden darf.
Der Gewinnspielteilnehmer wird vielmehr (...) mit der Angabe seiner Telefonnummer die Hoffnung verbinden, möglichst bald von seinem Gewinn unterrichtet zu werden."
Seit kurzem ist auch das neue Buch von RA Dr. Bahr "Glücks- und Gewinnspielrecht" erschienen (= http://www.gewinnspiel-und-recht.de). Dort findet sich in einem eigenen Abschnitt eine ausführliche Erläuterung zur datenschutzrechtlichen Problematik bei Gewinnspielen.
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8. AG Darmstadt: IP-Flarate-Speicherung durch DTAG rechtswidrig (Volltext)
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Die Kanzlei-Infos v. 03.07.2005 (= http://shink.de/g3s4r3) hatten schon darüber berichtet: Das AG Darmstadt (Urt. v. 30.06.2005 - Az.: 300 C 397/04 - PDF = http://shink.de/75ds3d) hat entschieden, dass die Speicherung von IP-Daten bei Flatrate-Kunden durch die Deutsche Telekom AG (DTAG) rechtswidrig ist.
Nun liegen die schriftlichen Entscheidungsgründe vor.
"Das erkennende Gericht hält die Speicherung dynamischer IP-Adressen für unzulässig, soweit sie nicht mehr für die Ermittlung der Abrechnungsdaten erforderlich sind. Die Speicherung der Verbindungsdaten wie Beginn und Ende sowie des Volumens der übertragenen Daten hält das Gericht allerdings bis zum Ablauf der Einwendungsfrist gegen die Abrechnung für zulässig.
Nach § 97 Abs. 3 TKG darf der Diensteanbieter zur (...) Ermittlung und Abrechnung der Entgelte für Telekommunikationsdienste und zum Nachweis der Richtigkeit derselben verschiedene personenbezogene Daten erheben und verwenden (...). Dazu gehören auch die dynamischen IP-Adressen, über deren Personenbezogenheit mittlerweile kein Streit mehr besteht. Allerdings hat nach Abs. 3 der Diensteanbieter nach Beendigung der Verbindung aus den Verkehrsdaten unverzüglich die für die Berechnung des Entgelts erforderlichen Daten zu ermitteln. Nicht erforderliche Daten sind unverzüglich zu löschen. Weitergehend darf der Diensteanbieter gemäß § 100 Abs. 3 TKG bei Vorliegen zu dokumentierender tatsächlicher Anhaltspunkte die Bestandsdaten und Verkehrsdaten erheben und verwenden, die zum Aufdecken sowie Unterbinden von Leistungserschleichungen und sonstigen rechtswidrigen Inanspruchnahmen der Telekommunikationsnetze erforderlich sind. (...)."
Auf den konkreten Fall übertragen, äußert sich das Gericht wie folgt:
"Die Beklagte beruft sich darauf, dass die IP-Adresse allerdings erforderlich sei, um bei Abrechnungsschwierigkeiten den Nachweis der Nutzung durch den Kunden zu ermöglichen bzw. feststellen zu können, woher die Leistungsinanspruchnahme erfolgt ist. In diesem Fall geht es der Beklagten also nicht darum, die IP-Adresse zur Ermittlung der Abrechnungsdaten, sondern zum Nachweis der Richtigkeit der Abrechnung zu benutzen.
Dieser Auffassung steht der klare Wortlaut des § 97 Abs. 3 TKG entgegen. Damit hat der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass nur die zur Abrechnung unerlässlichen Daten gespeichert werden sollen. Dies beruht auf der hohen Senibilität von Telekommuni-kationsnutzungsdaten.
Die Speicherung von Nutzungsdaten kann daher nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Nutzung des Dienstes im Streitfall mit den gespeicherten Daten plausibel gemacht oder nachgewiesen werden kann. Mit diesem Argument wäre auch etwa die Speicherung der einzelnen Internetseiten, die der Nutzer aufruft, zulässig. Auch damit könnte nämlich im Einzelfall nachgewiesen werden, dass ein Nutzer den Dienst benutzt hat. Selbst eine Speicherung von Inhaltsdaten könnte mit diesem Argument gerechtfertigt werden.
Dieses weitgehende Verbot der Datenspeicherung zu Beweiszwecken ist der Beklagten auch zumutbar. Wenn sie ihre Forderung gegen den Kunden einklagt, trifft sie keine Beweislast bezüglich der Daten, die sie nicht erfassen durfte oder löschen musste.
Entsprechend § 16 Abs. 2 der Telekommunikationskundenschutzverordnung trifft den Anbieter keine Nachweispflicht für Einzelverbindungen, die aufgrund rechtlicher Verpflichtung gelöscht wurden. Bestreitet ein Kunde der Beklagten, dass die Forderung berechtigt sei, so ist die Vorlage der IP-Adresse nicht erforderlich. Die Be¬klagte muss lediglich nachweisen, dass ein Vertrag besteht, das Abrechnungssystem ordnungsgemäß funktioniert und damit nur solche Nutzungsvorgänge abgerechnet werden, die unter Verwendung der Kennung und Geheimzahl stattgefunden haben."
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9. VG Köln: Widerruf der Mehrwertdienste-Rufnummer 11875 ist rechtmäßig
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Die Bundesnetzagentur (früher: Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post) darf eine Auskunftsrufnummer widerrufen, wenn der Auskunftsdienst nicht ausreichend von Informationsdiensten getrennt wird. Das hat das Verwaltungsgericht Köln mit einem heute bekannt gegebenen Beschluss entschieden.
In örtlichen Telefonbüchern und in Online-Telefonverzeichnissen finden sich z.B. unter Stichworten wie "Kfz-Zulassung", "Straßenverkehrsamt" oder "Bahnhof Auskunft" Eintragungen von Ortsnetzrufnummern. Verbraucher, die diese Nummern anrufen, gelangen nicht zum jeweiligen Straßenverkehrsamt oder zur Auskunft der Deutschen Bahn AG, sondern erhalten lediglich eine Bandansage, durch die sie zur Anwahl der Auskunftsrufnummer 11875 aufgefordert werden. Wählen die Verbraucher dann diese Rufnummer und äußern z.B. ein Anliegen aus dem Bereich der Kfz-Zulassung, so werden sie an einen "Informationsdienst" weitervermittelt, für den nach den Ermittlungen der Bundesnetzagentur von den Mitarbeitern der Auskunft keine eigene Telefonnummer angegeben werden kann. Für die Verbindung entstehen Kosten in Höhe von 2,22 € pro Minute.
Die Antragstellerin, eine Firma mit Sitz in der Schweiz, ist Inhaberin der Auskunftsrufnummer 11875. Sie bestreitet, mit den Telefonbucheinträgen in irgendeiner Verbindung zu stehen. Die Bundesnetzagentur hat dennoch mit Bescheid vom 1. Juli 2005 die Auskunftsrufnummer widerrufen, da die Antragstellerin aus Nutzersicht einen unter der Auskunftsrufnummer unzulässigen Mehrwertdienst erbringe. Die Rechtmäßigkeit des Widerrufs ist nunmehr vom Verwaltungsgericht Köln bestätigt worden.
Gegen diesen Beschluss kann die Antragstellerin binnen zwei Wochen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Münster einlegen.
Az.: 11 L 1269/05
Quelle: Pressemitteilung des VG Köln v. 19.09.2005
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10. AG Düsseldorf: Neues R-Gesprächs-Urteil
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Es gibt ein neues Urteil in der R-Gesprächs-Problematik:
Amtsgericht Düsseldorf, Urteil v. 15.08.2005 - Az.: 47 C 5495/05
(Leitsätze:)
1. Die AGB des R-Gesprächs-Anbieters gelten gegenüber dem Anschluss-Inhaber als vertraglich mit einbezogen, wenn sie im Amtsblatt der Bundesnetzagentur veröffentlicht sind (§ 305 a Nr. 2b BGB).
2. Der Anschluss-Inhaber eines Telefons muss für sämtliche Telefonkosten einstehen, die durch in seiner Wohngemeinschaft lebenden Personen verursachten worden sind.
http://www.r-gespraecheundrecht.de/urteile/Amtsgericht_Duesseldorf_20050815.html
Hinweis:
Zu der rechtlichen Problematik von R-Gesprächen finden Sie unter www.R-GespraecheundRecht.de ausführliche Erläuterungen. Das Portal betreibt die Kanzlei Dr. Bahr.
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11. eBay mahnt better.com wegen Verstoß gegen Datenbankrecht ab
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Das Online-Auktionshaus eBay mahnt den Betreiber von bettercom.de wegen angeblicher Verletzung des Datenbankrechts ab.
Bettercom.de bietet eine externe Bewertungs-Analyse zu eBay an.
Wie intern.de berichtet (= http://shink.de/0212pm), geht eBay anscheinend nicht nur gegen bettercom.de, sondern zugleich gegen eine Vielzahl von externen Analyse-Seiten vor.
In Deutschland sind Datenbanken nach den §§ 87a ff. UrhG geschützt.
Nach § 87 b Abs.1 UrhG hat der Datenbankhersteller das ausschließliche Recht, die Datenbank zu nutzen.
Voraussetzung ist somit, dass es sich bei den eBay-Daten um eine Datenbank handelt. Für eine Datenbank hält das Gesetz eine Definition in § 87 a Abs.1 UrhG parat:
"Datenbank im Sinne dieses Gesetzes ist eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. Eine in ihrem Inhalt nach Art oder Umfang wesentlich geänderte Datenbank gilt als neue Datenbank, sofern die Änderung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert."
Besonderes Augenvermerk verdient hier das Merkmal der "wesentlichen Investition". Der EuGH hatte erst vor kurzem über einen Fall zu entscheiden, wo ein Mitbewerber einfach die Spielpläne der englischen und schottischen Fußball-Ligen übernommen hatte, vgl. die Kanzlei-Infos v. 10.11.2004 (= http://shink.de/9v7wuj). Die Europa-Richter kamen zu dem Ergebnis, dass nur die Arbeiten zur Ermittlung, Zusammenstellung, Überprüfung und Darstellung vorhandener Elemente zu berücksichtigen seien. Nicht erfasst dagegen würden die Mittel, die zum Erzeugen der Elemente eingesetzt würden, aus denen die Datenbank bestehe. Diese würden bei der Bestimmung des Merkmals "wesentliche Investition" nicht berücksichtigt.
Der BGH ist den Vorgaben in einer aktuellen Entscheidung, wo es um die Übernahme von Musikcharts ging, weitestgehend gefolgt, vgl. die Kanzlei-Infos v. 14.08.2005 = http://shink.de/ldlo34
Es stellt sich somit die Frage, ob eBay für die Erstellung der Daten (nicht für die Bereitstellung der technischen Infrastruktur) "erhebliche Investitionen" getätigt hat.
Das kann mit guten Gründen bezweifelt werden. Denn die überwiegende Anzahl von Daten, die eBay zum Abruf bereithält, werden durch die Nutzer selber eingegeben. eBay unterzieht diese eingegebenen Daten keiner eigenen Analyse oder Auswertung, sondern zeigt sie im Verhältnis 1:1 an (z.B. die Bewertungskommentare der einzelnen Nutzer). Es ist nicht erkennbar, wo eBay für "Ermittlung, Zusammenstellung, Überprüfung und Darstellung der Daten" umfangreiche finanzielle Resourcen verbraucht. Einzig der Betrieb des Systems dürfte erhebliche Kosten verschlingen.
Es bleibt somit spannend, wenn der Fall - wie es derzeitig scheint - vor Gericht geht.
Inzwischen ist auch die eBay-Gemeinde aktiv geworden und fordert in einem offenem Brief (= http://shink.de/j35al2) die Abmahnungen wieder zurückzunehmen.
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12. Neues Themen-Blog: Segeln + Recht
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Die Kanzlei Dr. Bahr bietet ab sofort ein neues juristisches Blog zum Thema Segeln + Recht unter www.segeln-und-recht.de an.
Bloggerin ist Rechtsanwältin Knigge, die privat begeisterte Seglerin ist:
"Anfang der 90iger Jahre machte sich Frau Knigge von Hamburg auf nach Bayern, um dort ihr Studium und Referendariat zu absolvieren. Zurück an der Alster kam sie der Segelei näher. Törns in der Karibik und auf dem IJsselmeer veranlassten sie, den faszinierenden Segelsport in ihre berufliche Tätigkeit zu integrieren.
Die regelmäßige Teilnahme an den Regatten auf der Alster gehören mittlerweile zum sommerlichen Programm und die nächsten Yacht-Törns sind in Planung."
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13. Neuer Aufsatz zum Affiliate-Recht: "Marken & urheberrechtliche Werke"
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Es gibt einen neuen Aufsatz von RA Dr. Bahr aus der "Affiliate & Recht" - Reihe zum Download:
"Wie weit darf ein Affiliate die Marken und Werke (s)eines Merchants nutzen?"
http://www.affiliateundrecht.de/affiliate-benutzung-marke-logo-merchant-affiliate.html
Der Aufsatz setzt sich mit dem Problem auseinander, wann und unter welchen Bedingungen ein Affiliate die Marke und die urheberrechtlich geschützten Werke des Merchants verwenden darf.
Die Kanzlei Dr. Bahr unterhält mit Affiliate & Recht (= http://www.affiliateundrecht.de) ein eigenes Info-Portal zum Bereich der Affiliates, Merchants und Affiliate-Netzwerke.
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