anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 48. KW im Jahre 2005. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Interessenschwerpunkten Recht der Neuen Medien, Gewerblicher Rechtsschutz, Wirtschaftsrecht und Gewinnspiel- / Glücksspielrecht.
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Die Themen im Überblick:
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1. BGH: Bewusst unvollständige Berichterstattung rechtfertigt Unterlassungsanspruch
2. BVerwG: Fun-Games rechtlich nicht erlaubt
3. OLG Nürnberg: Produktweiterempfehlung mit Werbung per E-Mail wettbewerbswidrig
4. LG Berlin: Keine Haftung einer Suchmaschine für inhaltsgleiche Verstöße
5. LG Berlin: Mitstörerhaftung des Merchants für seinen Affiliate bei Spam
6. LG Hamburg: DTAG hat Anspruch auf die Vorsilbe "T-"
7. LG Düsseldorf: Stadtpläne-Abmahnungen VII
8. LG Köln: Rückzahlungs-Anspruch von Auskunftsdienstleistern gegen DTAG
9. AG Brandenburg: Zahlungsverpflichteter bei Mobilfunkvertrag
10. Interview mit RA Dr. Bahr zu Internet-Abmahnungen
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1. BGH: Bewusst unvollständige Berichterstattung rechtfertigt Unterlassungsanspruch
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Die Kläger, ein katholisches Erzbistum, dessen Kardinal sowie ein Prälat, verlangen vom Beklagten, einem Journalisten, Unterlassung von angeblichen versteckten Tatsachenbehauptungen in mehreren Presseveröffentlichungen aus dem Jahre 1996. Sie behaupten, der Beklagte habe verdeckt die unrichtigen Behauptungen aufgestellt, ihnen sei es möglich gewesen, den Schwangerschaftsabbruch einer angeblich von einem Pfarrer geschwängerten Minderjährigen zu verhindern und den Pfarrer, der die sexuelle Beziehung zu der Minderjährigen angeblich erpresst habe, aus seinem Amt zu entfernen.
Das Landgericht sowie das Oberlandesgericht hatten der Klage weitgehend stattgegeben und das Bestehen der verdeckten Tatsachenbehauptungen bejaht. Das Bundesverfassungsgericht hat das Urteil des Oberlandesgerichts wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage daraufhin erneut mit weniger weit gehendem Verbotsumfang stattgegeben und die Revision zugelassen.
Der u. a. bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat hat das Urteil des Berufungsgerichts im Ergebnis bestätigt. Dabei hat er offen gelassen, ob die beanstandeten Beiträge tatsächlich verdeckte Tatsachenbehauptungen enthalten; denn jedenfalls hat der Beklagte durch die bewusste Unterschlagung der Information, dass den Klägern weder der Name der Minderjährigen noch der des Pfarrers bekannt war, gegen den Grundsatz vollständiger Berichterstattung verstoßen.
Gerade wenn der Beklagte die Leser zu kritischer Auseinandersetzung mit dem seiner Ansicht nach angreifbaren Verhalten der Kläger in der fraglichen Situation anhalten möchte, muss er sicherstellen, dass den Lesern auch alle wesentlichen Informationen zur Verfügung gestellt werden. Da aufgrund dieses Versäumnisses die in den Beiträgen mitgeteilten Tatsachen falsch (weil unvollständig) waren, stand den Klägern ein Unterlassungsanspruch zu. Der Beklagte darf deshalb über den Vorfall nur mit dem klarstellenden Hinweis berichten, dass den Klägern die Namen von Opfer und Täter nicht bekannt waren.
Urteil vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04
Quelle: Pressemitteilung Nr. 163/2005 des BGH v. 22.11.2005
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2. BVerwG: Fun-Games rechtlich nicht erlaubt
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Ein jahrelanger Streit über die rechtliche Zulässigkeit von sogenannten Fun-Games wurde nun durch das BVerwG beendet:
"Das Bundesverwaltungsgericht hat heute eine Entscheidung zur gewerberechtlichen Bewertung sog. Fun-Games getroffen. Diese sind ähnlich wie herkömmliche Geldspielgeräte aufgemacht, werden aber nicht mit Geldmünzen, sondern mit Spielmünzen, sog. Token, oder über aufladbare Speicherchips bespielt. Sie ermöglichen eine Rückgewähr lediglich bis zur Höhe der für Token oder die Chipaufladung entrichteten Beträge.
Nach dem heutigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sind Fun-Games als Geldgewinnspiele anzusehen und dürfen in Ermangelung einer dafür erforderlichen Bauartzulassung nicht in Spielhallen oder ähnlichen Unternehmen aufgestellt werden.
Zugleich hat das Gericht entschieden, dass die Gewährung von Geld oder Gutscheinen nach Ablauf einer Stunde Spielzeit an einem Geldspielgerät unzulässig ist, weil dadurch das Weiterspielen angeregt wird, obwohl die Spieler nach Ablauf dieses Zeitraums Gelegenheit erhalten sollen, sich über ihr Spielverhalten Rechenschaft abzulegen." (Quelle: Pressemitteilung Nr. 61/2005 des BVerwG v. 24.11.2005)
Das BVerwG hat noch rechtzeitig vor Inkrafttreten der neuen Spielverordnung zum 01.01.2006 (= vgl. Kanzlei-Infos v. 08.09.2005 = http://shink.de/l0ilk) entschieden. Welche Auswirkungen das Urteil noch auf die neue Rechtslage haben wird, bleibt abzuwarten. Ab Januar sind Fun Games ohnehin grundsätzlich nicht mehr erlaubt.
Interessant wird sein, welche zivilrechtlichen Folgen sich aus der aktuellen Entscheidung ergeben. Ob z.B. der Erwerber eines Fun Games sich auf einen Fall der Gewährleistung berufen und das Gerät gegen Rückgabe des Kaufpreises an den Verkäufer zurückreichen kann.
Ausführliche Informationen zur Problematik von Fun Games erhalten Sie im kürzlich erschienenen Buch von RA Dr. Bahr "Glücks- und Gewinnspielrecht" = http://shink.de/oziw8l
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3. OLG Nürnberg: Produktweiterempfehlung mit Werbung per E-Mail wettbewerbswidrig
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Das OLG Nürnberg (Urt. v. 25.10.2005 - Az.: 3 U 1084/05 = http://shink.de/fgsj2v) hat entschieden, dass die Produktweiterempfehlung per E-Mail verbunden mit Werbung wettbewerbswidrig ist.
Ein großes deutsches Versandhandelshaus bot auf seiner Internetseite einem Dritten, der ein bestimmtes Produkt ausgewählt hatte, die Möglichkeit an, dieses Produkt per E-Mail direkt von der Internetseite aus an einen beliebigen Dritten zu versenden. In der E-Mail war zudem noch weitere Werbung enthalten:
Dies sahen die Nürnberger als Spam § 7 Abs.2 Nr.3 UWG an:
"Die E-Mail, die beim Dritten ankommt, enthält neben der eigentlichen „Produktempfehlung" im engen Sinne (...) eindeutig und unmissverständlich Werbung. Schließlich preist die Beklagte in der E-Mail die Möglichkeit an, im Rahmen eines „Großen Sonderverkaufs" bis zu um 50 % reduzierte Ware zu erwerben. Dies ist Werbung, weil sie auf den Absatz von Waren gerichtet ist.
Die Klägerin hat in der Berufungshandlung erläutert, dass sie die E-Mail inhaltlich nicht beanstandet hätte, wenn in dieser die soeben aufgeführte Werbung nicht enthalten gewesen wäre. Auch nach Auffassung des Senats würde die reine Produktempfehlung als solche nicht als wettbewerbswidrig zu qualifizieren sein: Sie ist zwar auch als Werbung im weitesten Sinn zu verstehen, ihr Versand per E-Mail beruht aber allein auf dem Entschluss eines Dritten, der im Zeitpunkt des Versendens nicht vom UWG erfasst wird, da seine Tätigkeit nicht auf den Absatz eigener Waren gerichtet ist."
Und weiter:
"Das Anfügen dieser Werbung widerspricht den Voraussetzungen, die § 7 Abs.2 Nr. 3 UWG für das Zusenden von Werbung auf elektronischem Wege aufgestellt hat, da die Einwilligung des Adressaten nicht vorliegt:
Das Zusenden der E-Mail mit diesem konkreten Inhalt beruht nicht auf der Entscheidung eines Dritten. Denn (...) hat der Dritte ausdrücklich den Menupunkt „Produktempfehlung" angewählt. Er wird dabei davon ausgehen, dass er lediglich ein konkret von ihm aus dem Warenangebot der Beklagten ausgewähltes Produkt samt persönlichen Grüßen, aber keine darüber hinaus gehende Werbung versenden würde.
Schließlich erlangt er aufgrund des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Menuablaufs keine Kenntnis von der konkreten Fassung der E-Mail, in der diese beim Dritten ankommt. Der Zugang der Werbung mit einem „Großen Sonderverkauf' ist von der Entscheidung des Dritten, eine E-Mail zu versenden, so nicht gedeckt. Vielmehr „schmuggelt" die Beklagte im Wege einer entsprechenden Programmierung diese „hinein"."
Das Urteil ist eine der ersten oberinstanzlichen Entscheidungen zum Thema Produktweiterempfehlungen per E-Mail. Interessant ist es insbesondere auch deswegen, weil die Nürnberger Richter hier die Ansicht vertreten, dass die reine Produktweiterempfehlung (ohne Werbung) ihrer Meinung nach nicht wettbewerbswidrig sei, während in der Vergangenheit andere Gerichte die gegenteilige Auffassung vertraten.
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4. LG Berlin: Keine Haftung einer Suchmaschine für inhaltsgleiche Verstöße
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Das LG Berlin (Beschl. v. 13.01.2005 - Az.: 27 O 573/04 = http://shink.de/gigko0) hat entschieden, dass Suchmaschinen für inhaltsgleiche Verstöße nicht haften.
Gegen die Schuldnerin, eine bekannte Suchmaschine, war in der Vergangenheit aufgrund rechtswidriger Inhalte unter URL Nr. 1 eine einstweilige Verfügung erlassen worden. Diese URL Nr.1 wurde entfernt.
Wenig später tauchten die gleichen Inhalte unter URL Nr.2 auf. Nun stellte sich die Frage, ob die Suchmaschine dies von vornherein hätte ausfiltern müssen.
Eine solche Pflicht lehnen die Berliner Richter ab:
"Die Kammer geht davon aus, dass es der Schuldnerin vorliegend nicht möglich ist, durch zumutbare Prüfungspflichten die Unterlassung kerngleicher Einträge wie der beanstandeten sicherzustellen. (...)
Nachdem die Schuldnerin von den rechtswidrigen Inhalten der vom Verbotstenor umfassten Hyperlinks Kenntnis erhalten hat, hat sie jene unstreitig umgehend gesperrt. Sie hat konkret und detailliert vorgetragen, dass es ihr technisch nicht möglich war, kerngleiche bzw. gleichartige Persönlichkeitsrechtsverletzungen in einem vorgezogenen Filterverfahren zu erkennen und zu sperren.
Angesichts der Schlüsselfunktion der Suchmaschinen als Navigationshilfen, die der breiten Öffentlichkeit den Weg zu Inhalten im Internet erst ermöglichen, ist davon auszugehen, dass dem Suchmaschinenbetreiber nur die Einhaltung des Unterlassungsgebots bzgl. der vom Verbotstenor umfassten konkreten Einträge in der Trefferliste der Suchmaschine obliegt."
Und weiter:
"Dabei braucht der Betreiber nämlich weder umfangreiche Nachforschungen unter hohem personellen und technischen Aufwand durchzuführen, noch ist er verpflichtet, alle Einträge, die als Ergebnis für die eingegebene Kombination von Suchbegriffen angezeigt wurden, sperren zu lassen. Dagegen kann ihm nicht zugemutet werden nachzuprüfen, ob ähnliche Einträge aus der Perspektive eines unbefangenen Internetnutzers als rechtswidrig anzusehen sind.
Die Schuldnerin hat detailliert dargetan, dass bei den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten des Filterns durch die Filter auch rechtmäßige Beiträge zu Tage gefördert würden und sie als Konsequenz daraus, die jeweiligen Treffer - noch dazu erheblichen Umfangs - einer menschlichen Bewertung zu unterziehen gezwungen wäre. Dies ist dem in Anspruch genommenen Suchmaschinenbetreiber nicht zumutbar."
Die Kanzlei Dr. Bahr unterhält mit "Suchmaschinen & Recht" ein eigenes Info-Portal zur rechtlichen Problematik von Suchmaschinen = http://shink.de/i7swio
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5. LG Berlin: Mitstörerhaftung des Merchants für seinen Affiliate bei Spam
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Das LG Berlin (Beschl. v. 22.11.2005 - Az: 15 O 710/05 = http://shink.de/6kzauk) hat entschieden, dass ein Merchant für das rechtswidrige Versenden von Spam-Mails seines Affiliates haftet.
In der letzten Zeit mehren sich die gerichtlichen Entscheidungen zur Mitstörerhaftung von Merchants für rechtswidrige Handlungen der Affiliates. So hatte das LG Hamburg (Urt. v. 03.08.2005 - Az: 315 O 296/05 = http://shink.de/2jz5ks) eine Mithaftung verneint, während das LG Berlin (Urt. v. 16.08.2005 - Az: 15 O 321/05 = http://shink.de/ov70zz) und das LG Köln (Urt. v. 06.10.2005 - Az.: 31 O 8/05 = http://shink.de/8aclx0). Siehe zur gesamten Problematik den Aufsatz von RA Dr. Bahr "Haftung des Merchants für seine Affiliates - oder: Der Untergang des Affiliate-Abendlandes?" = http://shink.de/gaip76
Die aktuelle Entscheidung weicht von den bisherigen ein wenig ab: Hier ging es um eine unerlaubte Spam-Mail, in der ein Affiliate für den Merchant, einen großen Versandkaus-Konzern, geworben hatte. Da der Merchant keine vertraglichen Verbote, insb. keine Vertragsstrafe, in seinen AGBs für solche Rechtsverletzungen vorgesehen hatte, haftet er nach Ansicht der Berliner Richter als Mitstörer:
"Die Antragsgegnerin haftet jedenfalls als Mitstörerin, weil sie bei dem Betreiben eines Affiliate-Programms damit rechnen muss, dass ihre Partner durch unerwünschte und deswegen unzulässige Werbe-eMails aus diesem Programm Vorteile zu ziehen suchen, und solches durch vertragliche Regelungen mit ihren Partnern unterbinden muss."
Im Klartext: Regelt der Merchant durch entsprechende eindeutige Bestimmungen in seinen AGB, dass Spam-Mails nicht erlaubt sind und Verstöße entsprechend geahndet werden, wird man eine Mitstörerhandlung nur noch schwerlich bejahen können. Anders als bei den sonstigen Mitstörer-Entscheidungen hat es somit der Merchant hier selber in der Hand, seine Haftung auszuschließen.
Die Kanzlei Dr. Bahr unterhält mit "Affiliate & Recht" ein eigenes Info-Portal zum Bereich der Affiliates, Merchants und Affiliate-Netzwerke = http://shink.de/l1wp6j
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6. LG Hamburg: DTAG hat Anspruch auf die Vorsilbe "T-"
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Schon Anfang 1999 fiel die Deutsche Telekom AG (DTAG) durch den Umstand auf, dass sie die Vorsilbe "T" im geschäftlichen Verkehr für sich alleine beanspruchte. Das Unternehmen mahnte mehrere Inhaber von Domains mit der Vorsilbe „T“ ab, u.a. „www.t-box.de“ und „www.t-box.com“, und machte geltend, dass aufgrund der Wortkombinationen ihrer Produkte und Dienstleistungen eine Serienmarke mit dem Präfix „T“ entstanden sei.
Das LG Düsseldorf (LG Düsseldorf, Urt. v. 05.11.1999 - Az.: 38 O 89/99) lehnte den geltend gemachten Serienmarken-Anspruch ab. Ähnlich auch schon zuvor das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.06.1999 - Az.: 20 U 116/98).
Mitte 2003 kam es dann zu einer Auseinandersetzung mit einem Berliner Unternehmen, das sich "Team Konzept" nannte, vgl. die Kanzlei-Infos v. 30.06.2003 (= http://shink.de/ziyzv) und v. 16.07.2003 (= http://shink.de/myhamq). Es kam schließlich zu einer Einigung, vgl. die Kanzlei-Infos v. 09.11.2003 = http://shink.de/m41pmc
Nun hatte das LG Hamburg (Urt. v. 15.02.2005 - Az.: 312 O 844/04) zu entscheiden, ob die DTAG einen Unterlassungsanspruch gegen den Inhaber der Domain "t-markt.de" hat. Die DTAG berief sich bei dem Buchstaben "T" auf eine Serienmarke, da er für eine Vielzahl ihrer Produkte verwendet werde.
Der Beklagte verwendete die Domain "t-markt.de" als Weiterleitung auf "tiermarkt.de", wo er Tiernahrung anbot.
Die Hamburger Richter haben den Unterlassungsanspruch bejaht:
"Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Benutzung der Domain (...) zu (...), da für § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG keine Verwechslungsgefahr oder Identität zwischen den jeweils angebotenen Waren- oder Dienstleistungen bestehen muss. (...)
Für die Kammer ist (...) nicht erkennbar, dass der Wettbewerb auf das Kürzel „T-“ zur Beschreibung seines Angebots angewiesen sei und/oder das Kürzel zur Beschreibung seiner Produkte und Dienstleistungen tatsächlich nutze. Dass das Kürzel dafür in Betracht kommen kann, reicht für sich genommen nicht aus, um ihm für die betroffene Dienstleistung von vornherein jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen.
Vielmehr verbleibt es bei dem Erfahrungssatz, dass ein Zeichen schon dann zur Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen geeignet ist, wenn es ihm nicht von Haus aus an jeglicher Unterscheidungskraft fehlt. Eine auch noch so geringe Eignung, das mit dem Zeichen gekennzeichnete Angebot von dem gleichen oder ähnlichen Angebot eines Wettbewerbers bzgl. der betrieblichen Herkunft unterscheidbar abzugrenzen, reicht für die Annahme ursprünglicher Kennzeichnungskraft aus. Dieses gilt auch für Buchstaben und Zahlen (...)."
Und weiter:
"Dem Kürzel „T-“ ist für TK-Dienstleistungen und Produkte der Telekommunikation nicht jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen. Es handelt sich nämlich nicht um irgendeine in einer bestimmten Richtung sofort verständliche, beschreibende Sachangabe. Niemand spricht davon, er habe „T-Dienstleistungen“ in Anspruch genommen oder seine „T-Rechnung“ bezahlt.
Der Buchstabe „T“ mit einem Bindestrich, dem sich eine weitere Angabe - und sei es auch eine Sachangabe - anschließt, ist damit für TK-Dienstleistungen und entsprechende Produkte von Haus aus kennzeichnungskräftig und bedarf damit keinesfalls einer Verkehrsdurchsetzung, um Unterscheidungskraft zu erlangen.
Die Klägerin kann zum Kollisionszeitpunkt Bekanntheitsschutz für das „T-“ als Stammbestandteil eines Serienzeichens in Anspruch nehmen. (...)"
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7. LG Düsseldorf: Stadtpläne-Abmahnungen VII
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Das LG Düsseldorf (Beschl. v. 26.10.2005 - Az.: 12 0 446/05) hat dem Themenbereich "Internet-Stadtpläne und Abmahnungen" eine weitere Entscheidung hinzugefügt.
Zunächst stellen die Richter fest, dass der verschuldenslose Anspruch sich auch gegen diejenige Person richte, die von der Veröffentlichung gar keine Kenntnis hatte:
"Der Antragsgegner hat die Urheberrechte der Antragstellerin durch das Zugänglichmachen der Karte über seine Homepage www.(...).de verletzt. Für diese Rechtsverletzung haftet der Antragsgegner auch.
Der urheberrechtliche Unterlassunganspruch richtet sich gegen jeden Verletzer ohne Rücksicht auf dessen Verschulden. Unerheblich ist deshalb, ob das Kartenmaterial dadurch öffentlich zugänglich wurde, dass es sich (...) in einer von ihm erstellten Entwurfsversion, die selbst nicht veröffentlicht werden sollte, auf seinem Server befunden hat.
Denn wie die von der Antragstellerin überreichten Webseiten-Ausdrucke belegen, war das geschützte Kartenmaterial der Antragstellerin jedenfalls über Suchmaschinen auf der Homepage des Antragsgegners öffentlich zugänglich.
Für die hierdurch bewirkte Rechtsverletzung haftet der Antragsgegner auch dann, wenn er - wie er behauptet - von der Abrufbarkeit des Kartenmaterials auf seiner Homepage nichts wusste. Auch der gutgläubige Verwerter, der nicht wusste oder wissen konnte, dass er eine Rechtsverletzung beging, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden; der Anspruch setzt nur voraus, dass eine Rechtsverletzung tatsächlich begangen worden ist (...)"
Als Streitwert sehen die Düsseldorfer Richter eine Summe von 7.000,- EUR (einstweiliger Rechtsschutz!) für angemessen an und liegen damit auf einer Ebene mit dem KG Berlin (10.000,- EUR: Vgl. Kanzlei-Infos v. 22.05.2005 = http://shink.de/15q3c) und dem OLG Hamburg (6.000-10.000,- EUR: Vgl. Kanzlei-Infos v. 14.07.2005 = http://shink.de/pznzc).
Hinsichtlich der bislang ergangenen Entscheidungen vgl. unsere nachfolgenden Kanzlei-Infos:
(Bzgl. Abmahnkosten und Schadensersatz:)
- AG Charlottenburg: Für Stadtpläne-Abmahnungen nur 100,- EUR Abmahnkosten = http://shink.de/rhawgm
- AG Charlottenburg: Stadtpläne-Abmahnungen II = http://shink.de/bk4x5
- AG Charlottenburg: Stadtpläne-Abmahnungen III = http://shink.de/gy6ho3
- AG Charlottenburg: Stadtpläne-Abmahnungen IV = http://shink.de/ndyl4t
- LG Berlin: Stadtpläne-Abmahnungen V = http://shink.de/knakb3
- AG Charlottenburg: Stadtpläne-Abmahnungen VI = http://shink.de/2dgva0
(Bzgl. Höhe des Streitwertes:)
- KG Berlin: Streitwert bei Stadtpläne-Abmahnungen = http://shink.de/pcpr74
- OLG Hamburg: Streitwert bei Stadtpläne-Abmahnungen = http://shink.de/w173w3
(Sonstiges:)
- AG Charlottenburg: Gutachten zu Stadtpläne-Abmahnungen = http://shink.de/jik3hh
- BGH: Urheberrecht an Stadtplänen = http://shink.de/lv56v6
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8. LG Köln: Rückzahlungs-Anspruch von Auskunftsdienstleistern gegen DTAG
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Das LG Köln (Urt. v. 31.08.2005 - Az.: 31.08.2005 = http://shink.de/dpamw9) hatte über den Rückzahlungsanspruch eines Auskunftsdienstleisters gegen die Deutsche Telekom AG (DTAG) zu entscheiden.
Die Klägerin hatte in der Vergangenheit an die DTAG gewisse Entgelte für die Nutzung von Teilnehmerdaten im TK-Bereich entrichtet. Die Klägerin forderte nun die Rückzahlung eines Teilbetrages, weil sie der Ansicht ist, dass die Entgeltvereinbarungen beider Verträge gemäß § 134 BGB insoweit nichtig seien, als das dort vereinbarte Entgelt über die "Kosten der effizienten Bereitstellung" der Teilnehmerdaten hinausgehe. Die DTAG habe ihre Marktstellung in diesem Falle missbraucht.
Dem haben die Kölner Richter zum Teil stattgegeben:
"Die Entgeltvereinbarungen beider Verträge verstoßen gegen den Maßstab der "Kosten der effizienten Bereitstellung". Sowohl die Umlage von Kosten der Erstellung und der Verwaltung einer Datenbank als auch eine Abrechnung nach der Anzahl der Nutzungsfälle/ Transaktionen ist mit diesem Kostenmaßstab unvereinbar. (...)
Der EuGH geht (...) von einer allgemeinen Kalkulation aus, nach welcher ein Sprachtelefondienst die durch den Erhalt entstandenen Kosten alleine durch den Betrieb des Sprachtelefondienstes selber abdeckt. Aus diesem Grund sei eine Weitergabe der Kosten an Wettbewerber unzulässig.
Der EuGH erteilt solchen Kostenregelungen eine Absage, die die Umlegung der Kosten der Erstellung und/oder Verwaltung einer Datenbank auf Wettbewerber beinhalten. Die Kosten einer Datenbank können nur dann umgelegt werden, wenn die Datenbank extra zur Verfügungstellung für Wettbewerber eingerichtet worden ist und diese Einrichtung zudem auch erforderlich gewesen ist."
Demnach hat das LG Köln im vorliegenden Fall einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 35 Mio. EUR bejaht.
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9. AG Brandenburg: Zahlungsverpflichteter bei Mobilfunkvertrag
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Das AG Brandenburg (Urt. v. 28.04.2005 - Az.: 34 (32) C 286/04) hatte darüber zu entscheiden, wer zur Zahlung bei Telefon-Entgelten bei einem Mobilfunkvertrag verpflichtet ist.
Im vorliegenden Fall tauchte neben dem Beklagten, der als "Auftraggeber" den Vertrag unterschrieben hatte, eine weitere Person im Vertrag auf. Diese dritte Person wurde im Feld "Rechnungsanschrift" eingetragen. Der Dritte ermächtigte die Klägerin, den Netz-Betreiber, auch mit der Einziehung der monatlichen Rechnungen per Lastschrift.
Dann wurden die Rechnungen nicht mehr bezahlt. Daraufhin nahm die Klägerin den Beklagten auf Zahlung in Anspruch.
Zu Recht wie die AG Brandenburg entschied:
"Die (...) Klage ist in vollem Umfang begründet. (...) Durch den Abschluss des (...) Mobilfunkvertrages (...) hat sich die Klägerin hier dazu verpflichtet, dem Beklagten den Zugang zu dem Mobilfunknetz der Klägerin zu eröffenen (...).
(...) Der Beklagte [hat] hier den Antrag (...) als "Auftraggeber" unter Angabe seiner Anschrift (...) selbst unterzeichnet. Insofern ist hier (...) nach Überzeugung des erkennenden Gerichts der Vertrag zwischen den Prozessparteien (...) zustande gekommen."
Und weiter:
"Wer Vertragspartner der Klägerin geworden ist (...), richtet sich (...) nach dem Umständen des Einzelfalls. Insoweit kann aber eine Vereinbarung (...), dass die Rechnung an einen Dritten zu stellen ist, Wirksamkeit (...) beanspruchen, wenn der Dritte dadurch mit seiner ausdrücklichen Zusimmung auch mit einer Zahlungsverpflichtung belastet werden sollte (...).
Der Inhalt der hier getroffenen Abreden zielt zwar auch darauf ab, den [Dritten] (...) zur Zahlung der Rechnungen zu verpflichten (...). Die Zahlungsverpflichtung des [Dritten] (...) beruht diesbzgl. aber nicht auf dem der Rechnungsstellung der Klägerin zu Grunde liegenden Verhältnis, sondern eben auf dem zwischen dem Beklagten und dem [Dritten] (...) bestehenden Schuldverhältnis."
Der Beklagte wurde somit zur Zahlung der Telefon-Rechnungen verurteilt.
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10. Interview mit RA Dr. Bahr zu Internet-Abmahnungen
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Die Fachzeitschrift "dent-online", Zahnärzte-Magazin für Computer und Internet, hat ein Interview mit RA Dr. Bahr über Abmahnungen im Internet, insbesondere hinsichtlich kopierter Stadtpläne auf Webseiten, geführt.
Das Interview ist online hier als PDF downloadbar = http://shink.de/9f4u77
Offline ist es in dent-online 4/2005, S. 16f. nachzulesen.
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