Rechts-FAQ: Fragen zum neuen Wettbewerbsrecht
Spezielle Auswirkung auf IT-Branche: Mitstörerhaftung
Problem nach altem Wettbewerbsrecht
- Umfang und Grenzen der Mitverantwortlichkeit für fremdes wettbewerbswidriges Verhalten
- im Bereich der Neuen Medien insbesondere: Fax-Spamming, E-Cards, Newsletter, Dialer-Anbieter usw.
- häufig widersprüchliche und nicht klar vorhersagbare Mitstörerhaftung
vgl. dazu grundlegend: RA Dr. Bahr: Haftung im Internet als Mitstörer und RA Dr. Bahr: Mitstörerhaftung bei unverlangt zugesandter Fax-Werbung: Reichweite und Bedeutung des neuen § 13 a TKV
Regelung im neuen Recht:
- die Mitstörerhaftung bleibt weiterhin im UWG ungeregelt
Auswirkungen und Konsequenz:
- Keine Auswirkungen erkennbar
- Problem weiterhin ungelöst
Spezielle Auswirkung auf IT-Branche: (Missbrauch der) Abmahnung
Problem nach altem Wettbewerbsrecht
- das Rechtsinstitut der Abmahnung wurde gerade im Bereich des Internets häufig missbraucht
- finanzkräftige Unternehmen suchen sich kleinere Internet-Firmen mit geringer finanzieller Liquidität aus, um diese dann wettbewerbsrechtlich abzumahnen und sie durch die drohenden Gerichtskosten faktisch zum Nachgeben zwingen
- bei unberechtigten Abmahnungen weitgehend keine Schadensersatzpflicht (Ausnahme: bei Abmahnungen aus Schutzrechten
vgl. dazu grundlegend: RA Dr. Bahr: "Missbrauch der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung im Bereich des Internet (Promotion)" und RA Dr. Bahr: Ansprüche bei unberechtigten Abmahnungen
Regelung im neuen Recht:
- das Rechtsinstitut der Abmahnung wird zwar nunmehr im UWG erwähnt (§ 12 Abs.1 UWG-E), es erfolgt aber keine inhaltliche Änderung
- insbesondere bleibt die Kostenerstattungspflicht erhalten
- keine weitergehenden Schadensersatz-Regelungen bei unberechtigten Abmahnungen
Auswirkungen und Konsequenz:
- Keine Auswirkungen erkennbar
- Problem weiterhin ungelöst
Spezielle Auswirkung auf IT-Branche: Rechtsschutzbedürfnis bei einstweiligen Verfügungen gegen Spam ?
Problem nach altem Wettbewerbsrecht
- strittig, ob bei Spam Rechtsschutzbedürfnis für einstweilige Verfügungen besteht:
- Kein Rechtsschutzbedürfnis: OLG Düsseldorf (Beschl. v. 26. März 2003 - Az.: I-15 W 25/03) und das OLG Koblenz (10. Juni 2003 - Az.: 1 W 342/03)
- Rechtsschutzbedürfnis bejahend: LG Hamburg (Beschl. v. 13.08.2003 - Az: 315 O 436/03); AG Hamburg (Beschl v. 22.08.2003 - Az.: 36A C 2153/03) u.a.
vgl. dazu grundlegend: RA Dr. Bahr: Kein einstweiliger Rechtsschutz gegen Spam?
Regelung im neuen Recht:
- zwar hat das Tatbestandsmerkmal der Wiederholungsgefahr, die Voraussetzung für das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist, nun Einzug in § 8 Abs.1 UWG-E gehalten, aber keine inhaltliche Änderung
Auswirkungen und Konsequenz:
- Keine Auswirkungen erkennbar
- Problem weiterhin ungelöst; es bleibt abzuwarten, wie sich Rechtsprechung entwickelt
Spezielle Auswirkung auf IT-Branche: Gewinnabschöpfung
- § 10 UWG-E statuiert ein bislang vollkommen neues, bislang unbekanntes Rechtsinstitut: Die Gewinnabschöpfung (Fax, E-Mail u.a.)
- bislang Durchsetzungsdefizite bei sog. "Streuschäden":
D.h. eine Vielzahl von Personen wird zwar durch ein wettbewerbswidriges Verhalten geschädigt, die Schadenshöhe im Einzelfall ist jedoch gering, so dass sich Betroffene zumeist nicht wehren -> Prinzip: "Verbrechen darf sich nicht lohnen" - systematisch kein Schadenersatzanspruch
eher vergleichbar mit Mehrerlösabschöpfung im KartellR (§§ 34, 81 Abs.2 GWB) oder Verfallanordnung im StrafR (§§ 73ff. StGB) - nur bei vorsätzlichen wettbewerbswidrigen Handlungen (§ 10 Abs.1 UWG-E)
- individuelle Schadensersatzansprüche gehen dem Gewinnabschöpfungsanspruch vor (§ 10 Abs.2 UWG-E)
- klagen können Verbände, qualifizierte Einrichtungen und IHK/HK
- Gewinnabschöpfung wird dem Bundeshaushalt zugeführt (§ 10 Abs.4 UWG-E)
Stellungnahme Bundesrat / Rechtswissenschaft:
- Ersatzlos streichen oder grundlegende Überarbeitung notwendig
- erhebliche Schwierigkeiten bei der konkreten Berechnung der Abschöpfungshöhe für den Gläubiger, evtl. vorherige Auskunftsklage notwendig
- Prozesslast bei Verbänden, aber keine Vorteile, da Gewinnabschöpfung an den Bundeshaushalt geht; keine Motivation, tätig zu werden.
- dem dt. ZivilR wesensfremdes Rechtsinstitut
- für Strafen Richtervorbehalt in Art. 92 GG: Verstoß hiergegen?
Erwiderung Bundesregierung: Beibehaltung der Norm
- angesichts des bestehenden Missbrauchs zwingend notwendig
- Zuführung an Bundeshaushalt, um unlautere Motive der Verbände von vornherein zu unterbinden
Auswirkungen und Konsequenz:
- Prognose nur schwer vorhersagbar
- wenn Gewinnabschöpfung in der Praxis greift, ist zu vermuten, dass noch stärker als jetzt schon Verlagerung ins Ausland
Spezielle Auswirkung auf IT-Branche: Spam
- § 7 Abs.2 Nr. 3 und 4 UWG statuieren nunmehr eine ausdrückliche Regelung zu Spam (Fax, E-Mail u.a.)
- gilt gegenüber allen "Marktteilnehmern" (= Unternehmer + Verbraucher, § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG)
- das schon bestehende Opt-in-Modell wird grundsätzlich beibehalten (§ 7 Abs.2 Nr. 3 UWG)
- § 7 Abs.2 Nr.4 UWG schützt das Recht, Einwilligung jederzeit zu widerrufen, und zwar kostenneutral
Wichtige Ausnahme für "elektronische Post" (E-Mail, SMS, MMS): Opt-Out-Modell innerhalb einer Kundenbeziehung (§ 7 Abs.3 UWG)
- Der Unternehmer kann somit seine Werbung in diesen Fällen grundsätzlich ohne vorherige Einwilligung schicken, wenn Kunde vorab auf Untersagung hingewiesen wurde
- unklar ist aber, was unter "im Zusammenhang mit dem Verkauf..." genau gemeint ist: Nur bei Vertragsabschluss? Oder auch bei bloßen Vertragsanbahnungs- oder Informationsgesprächen?
- Ebenso unklar: Was sind "ähnliche Waren oder Dienstleistungen"?
Beispiel: Kauft z.B. Herr X ein Auto, darf der Unternehmer ihn dann nur über weitere PKW-Modelle informieren? Oder aber auch über besondere Service-Leistungen wie verbesserte Klimaanlage, neue Reifen, spezielle Wartungsverträge mit Werkstätten, günstige Versicherungen usw.? Vgl. dazu grundlegend: RA Dr. Bahr: Änderung der SPAM-Rechtslage durch Reform des Wettbewerbsrechts?
Stellungnahme Bundesrat: 2 Ergänzungs-Vorschläge
- jede Werbung auch dann unlauter, wenn Absender-Identität nicht angegeben wird, um anonyme Werbe-Faxe zu vermeiden
- jede unaufgeforderte Werbung auch dann unlauter, wenn zu Anrufen von Mehrwertdiensten animiert wird
- Erwiderung Bundesregierung: Beide Ergänzungs-Vorschläge abgelehnt
- eigene Regelung hinsichtlich Identität nicht notwendig, da schon von § 7 Abs. 2 Nr.4 UWG erfasst
- keine sachlichen Gründe für diese Art von Werbeverbot erkennbar
Auswirkungen und Konsequenz:
- Opt-In-Modell auch weiterhin der Grundsatz
- bei "Kundenbeziehungen" dagegen differenziertes Opt-Out-Modell
Spezielle Auswirkung auf IT-Branche: Telefonmarketing
- § 7 Abs.2 Nr. 2 UWG enthält nunmehr eine ausdrückliche Regelung zum Telefonmarketing
- Gesetzesentwurf: Opt-In-Modell
Stellungnahme Bundesrat: Opt-Out-Modell
- "Wer nicht angerufen werden will, kann dies im Verlauf des Telefonates kundtun, und wird in der Folge nicht mehr angerufen" (BR-Drs. 301/03, S. 8)
- Grund: "In Zeiten, in denen der Verbraucher nur zögerlich zum Konsum bereit ist, sollten der deutschen Wirtschaft nicht von vornherein Wege zur gezielten Kundenwerbung versperrt werden, die in der restlichen EU zur Praxis gehören." (BR-Drs. 301/03, S. 8)
Erwiderung Bundesregierung:
- Unzumutbare Belästigung
- neuer Wettbewerbsnachteil nicht erkennbar, da nur Status Quo der bisherigen Rechtsprechung
- § 7 Abs.2 Nr.2 UWG differenziert zwischen Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern
bzgl. Telefonanrufen gegenüber Unternehmern geht der Gesetzesentwurf davon aus, dass schon eine "mutmaßliche Einwilligung" ausreicht; entspricht damit weitestgehend der bisherigen Rechtsprechung
Auswirkungen und Konsequenz:
- setzt sich der bestehende Gesetzentwurf der BReg durch, kaum Veränderungen
- setzt sich BRats-Vorschlag durch, grundlegende Veränderung
Ergebnis: Es ist bei der altbekannten Regelung geblieben, d.h. der BRat konnte sich nicht durchsetzen.
Spezielle Auswirkung auf IT-Branche: Verbraucher als Schutzobjekt
- Verbraucher wird als Schutzobjekt zum 1. Mal ausdrücklich erwähnt (§ 1 UWG)
Praktische Bedeutung ?
- Gesetzes-Entwurf: Keine Veränderung der bisherigen Rechtslage, da schon st. Rspr.; Stichwort: mündiger Bürger
- ABER zahlreiche kritische Stimmen aus Wissenschaft und Praxis:
- auch wenn Gesetzgeber dies nicht wollte, werden sich UWG-Wertungen verschieben
- weg vom bisherigen kaufmännischen Deliktsrecht hin zu mehr Verbraucherschutz
- Entspricht auch den verbraucherfreundlichen Reformbestrebungen der letzten Jahrzehnte
Auswirkungen und Konsequenz:
- bei jeder Beurteilung einer Wettbewerbshandlung wird dem Rechtsgut Verbraucherschutz eine wichtige(re) Bedeutung zuerkannt
- kritische Stimmen: obwohl eigentlich Gesetz zur Liberalisierung gedacht war, werden die Grenzen des rechtlich Erlaubten im Einzelfall enger gesteckt
Die Grundzüge der Reform im allgemeinen Überblick
Die "große" Generalklausel bleibt erhalten
- Verstoß gegen die guten Sitten, nunmehr anders umschrieben -> aber weiterhin wettbewerbswidrig
- Nicht mehr in § 1 UWG, sondern nunmehr in § 3 UWG
... und durch Beispiels-Katalog ergänzt
- Einfügung eines nicht abschließenden Beispiels-Kataloges in § 4 UWG
- Beispiele entsprechen der bisherigen Rechtsprechung
Regelungen über Sonderveranstaltungen werden gestrichen
- Ersatzlose Streichung
- Zukünftig soll jede Sonderaktion (z.B. Sommerschluss- oder Jubiläumsverkauf) erlaubt sein. Freies Ermessen des Händlers, auch hinsichtlich der Begrifflichkeiten
Verbraucher als Schutzobjekt
- Verbraucher wird als Schutzobjekt zum 1. Mal ausdrücklich erwähnt (§ 1 UWG)
Gewinnabschöpfungsanspruch durch Verbände
- Bei vorsätzlichen Verletzungen können die Gewinne abgeschöpft werden (§ 10 UWG)
Weitere Regelungen
- Erweiterung der irreführenden Werbung um Preiswerbung (§ 5 UWG)
- Rücktrittsrecht bei unwahren Werbeangaben (§ 13a UWG) fällt weg, da keine Bedeutung in der Praxis erlangt
- Herabsetzung der Gerichtskosten (§ 23 b UWG) entfällt mangels Bedeutung, da § 23 a UWG ausreichende Regelung
Was sind denn überhaupt die Gründe zur Reform ?
Die folgenden vier Reform-Gründe werden genannt:
- Grund: Umsetzung einer Europäischen Richtlinie
Art. 13 der RiL 2002/58/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (kurz: Datenschutz-RiL für elektronische Kommunikation, ABl. EG Nr. L 201 v. 31. Juli 2002) - Vereinheitlichung des Europäischen Wettbewerbsrechtes
Die Europäische Kommission ist u.a. auf dem Weg zu einem einheitlichen Europäischen Wettbewerbsrecht (Rom II). Im internationalen Vergleich hat Deutschland relativ restriktive Normen. - Liberalisierung des Deutschen Wettbewerbsrechts
Derzeitiges UWG "nicht mehr zeitgemäß". Schon in der vorherigen Legislaturperiode Aufhebung der ZugabeVO und des RabattG. - Erhöhung des Verbraucher-Stellenwertes
Verbraucher soll den ihm "gebührenden Stellenwert" im neuen UWG erhalten.
Ab wann gilt das neue Wettbewerbsrecht ?
Das Gesetz ist am 7. Juni 2004 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und ist somit zum 08.07.2004 in Kraft getreten