Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des OVG Münster, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vor der Nutzung von Virenschutzsoftware des Unternehmens Kaspersky warnen durfte, abgelehnt (BVerfG, Beschl. v. 02.06.2022 - Az.: 1 BvR 1071/22).
Das BSI hatte am 15. März 2022 eine Warnung veröffentlicht, wonach die Zuverlässigkeit des russischen Herstellers Kaspersky durch die aktuellen kriegerischen Aktivitäten Russlands in Frage gestellt sei, und empfohlen, Virenschutzsoftware von Kaspersky durch alternative Produkte zu ersetzen. Die Software-Firma ging dagegen gerichtlich vor, scheiterte jedoch sowohl vor dem VG Köln (Az.: 1 L 466/22) als auch vor dem OVG Münster (4 B 473/22).
Über die gegen diese Urteile eingelegte Verfassungsbeschwerde entschied nun das BVerfG und nahm den Antrag nicht zur Entscheidung an.
Inhaltlich nimmt das Gericht jedoch keine Beurteilung vor, sondern verweist Kaspersky lediglich aus prozessualen Gründen zunächst auf den normalen Gerichtsweg:
"Es ist nicht ersichtlich, dass es für die Beschwerdeführerin unzumutbar wäre, den Rechtsweg in der Hauptsache zu beschreiten.
Die Beschwerdeführerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass ihr bei Abwarten der Entscheidung im Hauptsacheverfahren ein schwerer und unabwendbarer Nachteil im Sinne von § 90 Abs. 2 BVerfGG droht. Es genügt insofern nicht, allgemein auf die voraussichtliche Dauer eines Hauptsacheverfahrens zu verweisen; vielmehr ist darzulegen, dass durch eine Verweisung auf die Hauptsache unabwendbare und irreparable Schäden drohen (...).
Hier weichen die mitgeteilten Zahlen zu etwaigen Umsatzeinbußen nicht nur erheblich von den Angaben im fachgerichtlichen Verfahren bezogen auf denselben Zeitpunkt ab, ohne dass die Verfassungsbeschwerde diesen Widerspruch plausibel aufklären würde. Aktuellere Zahlen werden auch nicht vorgetragen.
Darüber hinaus wird angegeben, die Umsätze hätten sich schon vor der Warnung durch den Ausbruch des Krieges in der Ukraine verringert, was aber mit aktiver Kommunikation und Marketingmaßnahmen habe kompensiert werden können. Wie sich Kommunikation und Marketing nach der hier streitigen Warnung auswirkten, wird jedoch nicht dargelegt."
Ob nun die Warnung des BSI rechtmäßig war, hat das BVerfG somit nicht entschieden, sondern den Software-Hersteller wurde vielmehr zunächst auf den normalen Instanzenweg verwiesen, da noch einige Sachfragen zu klären seien:
"Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht deshalb ausnahmsweise vor Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes zulässig, weil sie allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, die das Bundesverfassungsgericht auch ohne vorherige fachgerichtliche Aufbereitung der tatsächlichen und rechtlichen Entscheidungsgrundlagen beantworten könnte (...).
Vielmehr kommt es hier auch auf die tatsächlichen Umstände der Gewährleistung der Sicherheit in der Informationstechnik der von der Beschwerdeführerin vertriebenen Virenschutzsoftware an, die einer fachgerichtlichen Aufklärung und Aufbereitung bedürfen.
Aus diesem Grund ist die Verfassungsbeschwerde auch nicht wegen allgemeiner Bedeutung nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG schon vor Ausschöpfung der Möglichkeit fachgerichtlichen Rechtsschutzes zulässig."