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Kategorie: Datenschutzrecht

VG Bremen: Datenschutzbehörde hat umfassenden Auskunftsanspruch bei unerlaubter E-Mail-Werbung gegen Unternehmen

Datenschutzbehörde darf bei Verdacht auf unerlaubte Werbe-E-Mails umfassende Auskunft aller Werbeeinwilligungen der letzten 6 Monate verlangen.

Besteht der Verdacht der unerlaubten Werbezusendung per E-Mail in mehreren Fällen, kann die zuständige Datenschutzbehörde die Vorlage aller Werbeeinwilligungen für den Zeitraum der letzten 6 Monate verlangen. Ein solches Auskunftsbegehren ist angemessen und verhältnismäßig und verletzt nicht die Rechte des betroffenen Unternehmens (VG Bremen, Beschl. v. 16.02.2024 - Az.: 4 V 2968/23).

Dem betroffenen Unternehmen wurde vorgeworfen, Werbe-Mails ohne Einwilligung zu versenden. 

Die Datenschutzbehörde erließ im Laufe der außergerichtlichen Korrespondenz folgende Anordnung:

"I. Die Antragstellerin wird verpflichtet, die nachfolgenden Informationen uns gegenüber schriftlich bereitzustellen:

1. Welche natürlichen Personen (bitte Vor- und Nachnamen sowie zugehörige E-Mail-Adressen nennen) hat die Antragstellerin seit dem 1. Juni 2023 bis zum Zugang dieser Anordnung zu Werbezwecken per E-Mail kontaktiert und wie oft jeweils (bitte für jede natürliche Person einzeln nennen)?

2. Die Antragstellerin wird verpflichtet, die jeweiligen schriftlichen oder elektronischen datenschutzrechtlichen Einwilligungserklärungen der unter Frage Ziffer 1.1 benannten Personen uns in Kopie vorzulegen, mit denen diese der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu Werbezwecken durch die Antragstellerin zugestimmt haben.

II. Die sofortige Vollziehung der vorstehenden Verfügung unter Ziffer I. wird angeordnet.

III. Falls die Frage Ziffer I.1. binnen zweier Wochen nach Zustellung dieses Bescheids uns gegenüber nicht, nicht vollständig oder nicht wahrheitsgemäß schriftlich beantwortet worden ist, wird ein Zwangsgeld in Höhe von € 5000,00 angedroht. Für den Fall, dass die unter Ziffer 1.2 angeforderten Einwilligungserklärungen binnen zweier Wochen nach Zustellung dieses Bescheids nicht oder nicht vollständig vorgelegt worden sind, wird ein Zwangsgeld in Höhe von € 5000,00 angedroht. Hinweis: Im Falle der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes tritt an dessen Stelle Ersatzzwangshaft.

IV. Die sofortige Vollziehung der vorstehenden Zwangsgeldandrohung unter Ziffer III. wird angeordnet.

V. Die Antragstellerin hat die Kosten dieses Bescheids zu tragen. Für diesen Bescheid werden Kosten in Höhe von € 300,00 festgesetzt."

Dagegen wehrte die Firma und beantragte einstweiligen Rechtsschutz. Es sei unverhältnismäßig, dass das Amt einen solchen umfangreichen Auskunftsanspruch über den eigentlichen Fall hinaus begehre. 

Das VG Bremen lehnte den Rechtsschutz ab.

Die erlassene Anordnung sei aller Voraussicht nach rechtmäßig.

1. Keine Ermessensfehler erkennbar:

Ermessensfehler seien nicht ersichtlich, so das Gericht:

"Die Kammer vermag nicht zu erkennen, dass die Antragsgegnerin die Auskunftsanordnung ermessensfehlerhaft erlassen hat (…). Insbesondere liegt kein Fall einer Ermessensüberschreitung in Form einer Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vor. Mit der Durchsetzung der der Antragsgegnerin von der Datenschutzgrundverordnung vorgegebenen Aufgaben (s. o.) liegt ein legitimer Zweck vor. Die Auskunftsanordnung ist zur Zweckerreichung evident geeignet und erforderlich, weil mildere Mittel zur Ermittlung des Sachverhalts nach der Weigerung der Antragstellerin nicht ersichtlich sind. Schließlich erweist sich die Anordnung auch als angemessen.

Die im Rahmen der Beurteilung der Angemessenheit zu treffende Abwägung zwischen den Interessen der Antragsgegnerin und der Petentin sowie der weiteren Betroffenen auf der einen Seite und den Grundrechten der Antragstellerin auf der anderen Seite, fällt zu Ungunsten der Antragstellerin aus.

Die Antragsgegnerin ist vorliegend tätig geworden, um die ihr von Art. 57 Abs. 1 lit. a) und lit. f) DSGVO zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen (s. o.). Das Interesse der Antragsgegnerin an Verfolgung möglicher datenschutzrechtlicher Verstöße im Zusammenhang mit dem Interesse der Betroffenen an einer datenschutzkonformen Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Sinne der DSGVO überwiegt das Interesse der Antragstellerin an einer unkontrollierten Verarbeitung der Daten der betroffenen Dritter. Insoweit gebührt dem Grundrecht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung der Vorrang vor der Berufsfreiheit der Antragstellerin."

2. Umfang des Auskunftsbegehren angemessen:

Auch der von der Behörde geltend gemachte Auskunftsumfang sei nicht zu bestanden.

Zum einen hätten sich noch andere Personen über die Klägerin bei der Behörde beschwert. Zum anderen sei auch die Reichweite des Verstoßes zu ermitteln:

"Zu Gunsten der Antragstellerin ist zwar zu berücksichtigen, dass die sofortige Vollziehung für die Antragstellerin irreparable Folgen hätte, da sie aufgrund der erheblichen Höhe des angedrohten Zwangsgeldes faktisch dazu gezwungen wäre, die von der Antragsgegnerin begehrten Auskünfte zu erteilen. 

Indes ist zu Gunsten der Antragsgegnerin zu berücksichtigten, dass der Bescheid vom 12.12.2023 evident materiell rechtmäßig ist (…). 

Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass die von der Antragsgegnerin befürchteten datenschutzrechtlichen Verstöße, die die Antragstellerin begangen haben soll, nicht bloß die Petentin betreffen, sondern weitere Betroffene sich bei der Antragsgegnerin über das Geschäftsgebaren der Antragstellerin beschwert haben und zudem eine unbestimmte Anzahl weiterer Betroffener von etwaigen datenschutzrechtlichen Verstößen der Antragsgegnerin betroffen wäre (…)."

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