LG Bielefeld: Kein DSGVO-Schadensersatz bei unerlaubtem Kopieren des Personalausweises

18.09.2023

Das unerlaubte Speichern nicht erforderlichen Daten im Rahmen einer ärztlichen Behandlung (hier: Kopieren des Personalausweises) rechtfertigt keinen DSGVO-Schadensersatz (LG Bielefeld, Urt. v. 07.07.2023 - Az.: 4 O 275/22).

Die Beklagte betrieb eine Kinderwunschpraxis und bietet u.a. an, Eizellen einzufrieren. Die Klägerin wurde dort Patientin. Im Rahmen der Datenerfassung wurde auch eine Kopie ihres Personalausweises angefertigt, was aber nicht erforderlich gewesen wäre.

Als es eine Zeit später zwischen den Parteien zum Streit kam,  machte die Klägerin wegen der Ausweis-Ablichtung einen DSGVO-Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO geltend.

Das LG Bielefeld lehnte den Anspruch ab.

Es liege zwar eine Datenschutzverletzung vor, die grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch begründen könne, so die Richter.

Im vorliegenden Fall fehle es jedoch am Schaden:

"Das Merkmal des immateriellen Schadens ist autonom auszulegen (...). Eine Erheblichkeitsschwelle für das Vorliegen eines solchen Schadens ergibt sich gerade nicht aus der DSGVO. Bagatellschäden sind nicht auszuschließen. Zu verlangen ist aber jedenfalls, dass ein konkreter immaterieller Schaden auch tatsächlich eingetreten ("entstanden") ist (...)

Auch und gerade unter Berücksichtigung eines weiten Verständnisses des immateriellen Schadens, das ausdrücklich auch Bagatellschäden einschließt, vermochte die Kammer jedoch nicht zu erkennen, dass die Klägerin einen solchen Schaden tatsächlich erlitten hat."

Und weiter:

"Die in den Schriftsätzen formelhaft beschriebenen Ängste und Sorgen, das Unwohlsein sowie die Verunsicherung der Klägerin haben sich in der persönlichen Anhörung im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht bestätigt.

Die Klägerin hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung ausgeführt, dass sie im Wesentlichen die Unsicherheit, was mit ihren Eizellen passiert sei und/oder passieren könne, umtreibe. Hinzu komme die Problematik mit dem Datenschutz, man höre und lese immer wieder, dass medizinische Daten nicht sicher verwahrt und Krankenunterlagen beispielsweise - ohne sie zu vernichten - im Müll entsorgt werden würden. Die Klägerin wolle auf keinen Fall, dass ihr Name im Zusammenhang mit der Entnahme von Eizellen bekannt werde.

Der Hauptpunkt, der sie umtreiben würde und sie gelegentlich am Einschlafen hindere, sei aber die Unsicherheit, was mit ihren Eizellen sei. Sie habe als Nebenpunkt dann von ihrem Anwalt erfahren, dass in der Praxis der Beklagten keine Kopie ihres Personalausweises hätte gemacht werden dürfen.

Aus den Ausführungen der Klägerin ist somit zu entnehmen, dass die Sorgen und Ängste der Klägerin, die die Klägerin in ihrer Klageschrift vorgetragen und behauptet hat, nicht durch das Kopieren ihres Personalausweises ausgelöst worden sind, sondern vielmehr durch die Auslagerung und den Transport ihrer Eizellen, da sie insoweit eine Unsicherheit hinsichtlich des Zustandes und des Verbleibs ihrer Eizellen verspürt. Dies folgt insbesondere auch aus den Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung, wonach sie erstmals von ihrem Anwalt erfahren habe, dass eine Kopie ihres Personalausweises in der Praxis nicht habe gemacht werden dürfen. Somit war Anlass der Klägerin für das Aufsuchen ihres Prozessbevollmächtigten nicht das Kopieren des Personalausweises in der Praxis der Beklagten, sondern vielmehr die Auslagerung der Eizellen.

Die Sorgen im Hinblick auf das Kopieren des Personalausweises sind allenfalls erst bei der anwaltlichen Beratung aufgekommen und nicht schon bei oder nach Kenntnis davon, dass eine Kopie ihres Personalausweises angefertigt wurde."