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Kategorie: Onlinerecht

LAG Köln: Streichung des Homeoffice und Versetzung in 500 km weit entfernte Niederlassung unzumutbar

Eine Versetzung eines Arbeitnehmers in eine 500 km entfernte Niederlassung ohne Homeoffice-Möglichkeit kann unzumutbar und somit rechtswidrig sein.

Streicht ein Arbeitgeber das bisherige Homeoffice seines Arbeitnehmers und versetzt ihn in eine 500 km entfernte Niederlassung mit Präsenzpflicht, ist ein solches Handeln unzumutbar (LAG Köln, Urt. v. 11.07.2024 – 6 Sa 579/23).

Der Kläger arbeitete als Arbeitnehmer überwiegend vom Home-Office aus und betreute internationale Kunden.

Irgendwann schloss sein Arbeitgeber den bisherigen Standort und versetzte ihn an einen neuen, 500 km entfernten Standort, verbunden mit der Anweisung, die Tätigkeit nur noch in Präsenz auszuüben.

Der Kläger wehrte sich dagegen, da die Versetzung und Kündigung seiner Ansicht nach nicht gerechtfertigt und unzumutbar waren.

Das Landesarbeitsgericht Köln gab dem Arbeitnehmer Recht.

Die Versetzung an den 500 km entfernten Standort ohne Home-Office-Möglichkeit verstoße gegen billiges Ermessen.

Der Arbeitgeber habe die privaten und beruflichen Belange des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt.

Das Gericht stellte zudem fest, dass die jahrelange Telearbeit eine konkludente Änderung des Arbeitsvertrages darstelle, die nicht einseitig widerrufen werden könne.

"Bei der Prüfung, ob die streitgegenständliche Weisung die Grenzen des billigen Ermessens wahrt, erweisen sich die zu berücksichtigenden Interessen des Klägers als überwiegend. 

Sie sprechen gegen einen Widerruf der Erlaubnis, vom Homeoffice aus die Arbeitsleistung zu erbringen. 

Der Kläger hat ein erhebliches Bestands- und Ortsinteresse. Über Jahre hinweg arbeitet er von einem Homeoffice aus. Dort ist er familiär, logistisch, im Freundeskreis und in der Kultur verortet."

Und weiter:

"Um eine Versetzung von dort in ein Büro 500 km entfernt als „billig“ im Sinne des § 106 GewO erscheinen zu lassen, bedarf es sachlicher Interessen der Beklagten, die die Interessen des Klägers überwiegen. 

Solche überwiegenden sachlichen Interessen ergeben sich nicht aus den Darlegungen der Beklagten. 

Dabei sind die besonderen Einzelheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalles zu beachten: Nach der Selbstbeschreibung der Beklagten befasst sich ihr Unternehmen - projektbezogen und nach den konkreten Anforderungen der einzelnen Kunden - mit Industrielösungen entlang der gesamten Prozesskette. Dabei geht es um Planung, Integration und die Realisierung/Produktion von Komponenten jeweils vor Ort in den verschiedenen Betrieben der Beklagten oder den Standorten ihrer Kunden. 

Die Darlegung des Klägers, dass der Kontakt zum Kunden zur Erfüllung dieser Aufgaben projektbezogen vor Ort beim Kunden geschehe und bis dahin mittels Telefon und Computer, ist von der Beklagten nicht konkret bestritten worden.

Gleichfalls nicht bestritten wurde der Vortrag des Klägers, er betreue in berücksichtigungsfähigem Umfang auch Kunden, deren Sitz weit entfernt sei, sogar Kunden im Ausland. 

Danach macht es für diese Kunden keinen Unterschied, ob der Kläger als Mitarbeiter unternehmensintern dem Standort K zugeordnet ist oder dem Standort M."

Und weiter:

"Jedenfalls ergibt sich nichts anderes aus den Darlegungen der Beklagten. 

Zu ihren eigenen Interessen hat die Beklagte Nachvollziehbares nur zu ihrer Entscheidung vorgetragen, den Standort K zu schließen und dort die betriebliche Infrastruktur und die Büroräumlichkeiten aufzugeben. 

Zu ihren Interessen, die Erlaubnis zu widerrufen, der zufolge der Kläger im Homeoffice arbeiten durfte, hat sich nur Allgemeines vorgetragen: Es sei Teil des unternehmensweiten Arbeitskonzepts und der Arbeitskultur der Firma, dass grundsätzlich in Präsenz mit den Kollegen vor Ort zusammengearbeitet werde. An diesem Konzept halte sie auch nach der Pandemie fest. 

Dabei ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte dieses von ihr geltend gemachte Konzept selbst nicht durchgehend befolgt. Außerdem fehlt es an jeglicher Konkretisierung in der Darlegung dieses Konzepts bei der besonderen von der Beklagten dargestellten Struktur ihres Tätigkeitsfeldes „projektbezogen und nach den konkreten Anforderungen der einzelnen Kunden“, „Planung, Integration und die Realisierung/Produktion von Komponenten jeweils vor Ort in den verschiedenen Betrieben der Beklagten oder den Standorten ihrer Kunden.“ Es fehlt jede Darlegung, welche konkreten Tätigkeiten anfallen, die eine Anwesenheit im Betrieb notwendig oder auch nur förderlich erscheinen ließen."

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