Der datenschutzrechtliche Streit über die Nutzung von WhatsApp und Skype in Schulen eskaliert derzeit in Niedersachsen.
Anlass der Auseinandersetzung ist eine Empfehlung des Niedersächsischen Kultusministeriums, die hier online nachgelesen werden kann. Dort gibt die Behörde ihren Lehrern für den in Kürze wieder anlaufenden Schulbetrieb folgenden Rat:
"Wie kommen die Aufgaben für „Lernen zu Hause“ zu den Schülerinnen und Schülern?
Alle Jahrgänge, die noch nicht wieder in der Schule sind sowie alle Schülerinnen und Schüler, die aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation zu Hause bleiben müssen, werden von ihren Lehrkräften für das „Lernen zu Hause“ mit Lernplänen und Aufgaben versorgt. Der Schwerpunkt beim „Lernen zu Hause“ soll auf die Stärkung der Basiskompetenzen gelegt werden.
Aufgaben können auf digitalen Lernplattformen eingestellt oder per E-Mail versandt werden. Bei Bedarf müssen Familien ohne entsprechende technische Ausstattung Aufgaben und Lernmaterialien analog, z.B. per Post oder per Abholung, zur Verfügung gestellt werden.
Die Lehrkräfte vereinbaren mit ihren Schülerinnen und Schülern Informations- und Kommunikationswege. Sie stehen regelmäßig – mindestens einmal pro Woche – mit ihnen in Kontakt und bieten zu verlässlichen Zeiten „Sprechstunden“ per Telefon, Chat oder Videokonferenz an. Vorübergehend ist dabei die Verwendung von Privatgeräten sowie die Nutzung von Messengern und Cloud-Diensten (z. B. WhatsApp oder Skype) erlaubt. In Einzelfällen, z. B. bei Sprach- und Verständigungsproblemen oder technischen Schwierigkeiten, können auch Einzelberatungen in der Schule angeboten werden."
Das Niedersächsische Kultusministerium spricht also eine klare Befürwortung für WhatsApp und Skype aus.
Die Datenschutzbeauftragte des Landes, Frau Barbara Thiel, ist entsetzt und drückt dies in einer aktuellen Stellungnahme auch relativ deutlich aus:
"Ich habe mich in der Vergangenheit immer wieder sehr deutlich gegen die Nutzung von WhatsApp an Schulen ausgesprochen“, sagt Thiel. „Diese Haltung gilt nach wie vor und entspricht damit auch der Position anderer Landesdatenschutzbeauftragter.“ Zugleich sähe sie aber die aktuellen Notwendigkeiten an den Schulen und sei deshalb für einen sehr begrenzten Zeitraum „schweren Herzens“ dazu bereit, ihre Einwände hintanzustellen. Das entbindet aber nicht das Kultusministerium von seinen Aufgaben.
„Es gibt deutlich datensparsamere Messenger-Dienste auf dem Markt, die dieselben Möglichkeiten der Kommunikation bieten. Ich fordere das Kultusministerium deshalb dazu auf, Alternativen zu WhatsApp ernsthaft zu prüfen und die Schulen über die Ergebnisse dieser Prüfung zu informieren, damit sie datenschutzfreundliche Dienste nutzen können.“
In Anbetracht der immer wieder vorgebrachten Bedenken der LfD Niedersachsen gegenüber WhatsApp im Schuleinsatz hätte dies bereits vor geraumer Zeit geschehen sollen. Angesichts der Versäumnisse des Ministeriums in der Vergangenheit muss jetzt mit Hochdruck an datenschutzkonformen Lösungen gearbeitet werden. „Ich werde das Ministerium auch direkt über meine Positionen informieren.
Es ist äußerst bedauerlich, dass die Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler nun in Krisenzeiten zunächst nicht die Möglichkeit haben, auf datenschutzfreundliche Messenger zurückzugreifen“, so Thiel."
Die Nutzung von Skype ist keineswegs ein Einzelfall, sondern ist aktuell vielmehr der Regelfall. So gibt es inzwischen auch in Hamburger Strafverfahren bei gerichtlichen Vorberatungen Skype-Gespräche im Richtergremium.
Auch das Landgericht Hannover setzt seit längerem Skype für Business für zivilrechtliche Videoverhandlungen nach § 128a ZPO ein, vgl. dazu das technische Hinweisblatt des Gerichts. In einer aktuellen Pressemitteilung hat das LG Hannover nun angekündigt, sämtliche Sitzungssäle mit einer Videotechnik auszustatten.
In Hamburg gab es vor Kurzem ebenfalls eine Diskussion über den Einsatz von Skype an Schulen. Weil die falsche Behauptung in die Welt gesetzt wurde, der Hamburgische Datenschutzbeauftragte habe diesen Einsatz verboten, sah dieser gezwungen, ein öffentliches Dementi herauszugeben.
Erst vor wenigen Tagen hatte die Berliner Datenschutzbehörde den Standpunkt geäußert, dass Skype, Microsoft Teams und Zoom (angeblich) datenschutzwidrig seien, vgl. dazu unsere News v. 17.04.2020.
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Um Missverständnisse zu vermeiden: Die Einführung von Videokonferenzen, insbesondere bei Gericht, ist ein absolut notwendiger, längst überfälliger Schritt. Die Corona-Pandemie wirkt hier als Katalysator und beschleunigt etwas, was wohl sonst erst in den nächsten 15 - 20 Jahren passiert wäre. Insofern ist dies eine sehr zu begrüßende Entwicklung.
Aber: Wie ernst können Unternehmen die bestehenden gesetzlichen datenschutzrechtlichen Regelungen nehmen, wenn der Staat diese selbst vorsätzlich und nachhaltig bricht und Technologien einsetzt, von denen er behauptet, diese seien rechtswidrig?