Wer gegen einen amerikanischen Social-Media-Dienst im geschäftlichen Umfeld wegen Sperrung von Inhalt klagt, kann dies nicht vor deutschen Gerichten tun. Vielmehr muss er seine Ansprüche in den USA geltend machen (LG Lübeck, Urt. v. 05.10.2023 - Az.: 15 O 218/23).
Die Klägerin war Nutzerin bei der Beklagten, einem Social-Media-Dienst aus den USA. Sie nutze den Account, um sich als Model zu präsentieren.
Bei der Eröffnung des Accounts hieß es in den AGB der Beklagten:
"Wenn sich aus oder im Zusammenhang mit deiner Nutzung des Dienstes als Verbraucher ein Anspruch oder Streitfall ergibt, vereinbaren wir, dass du deinen jeweiligen Anspruch oder Streitfall, den du uns gegenüber hast, und wir unseren Anspruch oder Streitfall, den wir dir gegenüber haben, von jedem Gericht in dem Land deines Hauptwohnsitzes klären lassen kannst/können, das für den Anspruch bzw. Streitfall zuständig ist, und dass die Gesetze dieses Landes ohne Berücksichtigung kollisionsrechtlicher Bestimmungen gelten werden. (…)
Wenn zwischen uns ein Anspruch oder Streitfall entsteht, der im Zusammenhang mit der Nutzung des Dienstes in irgendeiner anderen Eigenschaft steht, wie u. a. der Zugriff auf den Dienst oder seine Nutzung für einen geschäftlichen oder gewerblichen Zweck, stimmst du zu, dass jeder derartige Anspruch oder Streitfall von einem zuständigen Gericht in (…) zu klären ist und dass (…) Recht ohne Berücksichtigung kollisionsrechtlicher Bestimmungen Anwendung findet."
Als der Anbieter den Account der Klägerin einschränkte, ging sie dagegen gerichtlich vor und rief das LG Lübeck an.
Das erklärte sich für nicht zuständig, da keine deutsche Gerichtsbarkeit gegeben sei.
Denn die Klägerin habe hier nicht als Verbraucherin gehandelt, sondern vielmehr im geschäftlichen Umfeld:
"Die Verfügungsklägerin nutzt ihre (…) Accounts, um Fotos von sich selbst zu posten und sich selbst darzustellen. Dies tut sie, um mithilfe der Verlinkung zu ihrem (…) Account Fans für sich zu gewinnen, die dann ein Abonnement bei (…) abschließen.
Mit dem (…) Kanal verdient die Verfügungsklägerin ihren Lebensunterhalt. Ihr (…)-Auftritt ist dabei ein wesentliches Mittel, um ihre Abonnentenzahlen bei (…) uu erhöhen und ihren Lebensunterhalt zu sichern. Sie hat selbst im Rahmen ihrer eidesstattlichen Versicherung (…) angegeben, dass sie sich auf den (…)-Accounts als Model präsentiere. Sie nutze diese Accounts um ihre Bekanntheit zu steigern.
Die Reichweite der (…)-Accounts und die Vergrößerung der Reichweite sei für sie von existenzerhaltender Bedeutung. Einschränkungen der Accounts führen darüber hinaus zu einer akuten Gefahr für das Bestehen als Model. Die Steigerung der Bekanntheit sei hier gerade deshalb von hoher Bedeutung, da bei (…) viele Menschen aufgrund der Kosten nur wenige Personen abonnieren würden und es deswegen darauf ankäme Menschen zeitnah von dem eigenen Profil zu überzeugen."
Und weiter:
"Insbesondere aufgrund der eigenen Angaben der Verfügungsklägerin wird deutlich, dass ihre (…)-Konten derart im Zusammenhang mit ihrer gewerblichen Tätigkeit als Model bzw. auf ihrem (…) Kanal stehen, dass von einer reinen Nutzung der (…)-Accounts als Verbraucherin nicht ausgegangen werden kann.
Sie selbst gibt an, dass diese Profile auf (…) für sie von existenzerhaltender Bedeutung seien. Würden sie nur privaten Zwecken dienen, so hätten sie keinen Einfluss auf die berufliche Tätigkeit und die Existenz der Verfügungsklägerin."
Auch aus sonstigen Gründen ergebe sich keine inländische Zuständigkeit, so die Richter weiter:
"Es handelt sich demnach vorliegend nicht um eine unerlaubte Handlung oder einer solchen, die ihr gleichgestellt ist, sondern um einen Anspruch vertraglicher Art. Dies ergibt sich daraus, dass es für die Entscheidung über den Sachverhalt entscheidend auf die Vertragsdetails, hier insbesondere auf die Nutzungsbedingungen, ankommt (EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12). Im Kern geht es um die Frage nach der Rechtmäßigkeit der (streitigen) Reichweitenbeschränkung und der Löschung der Storys. Diese Frage lässt sich jedoch ersichtlich nicht ohne Rückgriff auf den Inhalt der zwischen den Parteien getroffenen vertraglichen Vereinbarungen abschließend beantworten. Dies betrifft auch die Frage, ob und wie die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin zunächst hätte anhören müssen.
Soweit sich die Verfügungsklägerin auch auf Ansprüche aus § 823 BGB beruft, gilt nichts Anderes. Die Feststellung einer Haftung nach dieser Vorschrift kann ebenfalls nicht ohne Rückgriff auf die vertraglichen Regelungen getätigt werden."
Und schließlich
"Auch aus Art. 7 Nr. 1 EuGVVO ergibt sich keine Zuständigkeit deutscher Gerichte. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Erfüllungsort in Deutschland liegen würde.
Vorliegend handelt es sich um einen Dienstleistungsvertrag. Die hier relevante Nutzungsmöglichkeit der Internetplattform muss am Sitz des Dienstleisters, vorliegend also in (…) erfüllt werden, da von hier aus die technische Steuerung stattfindet (…)."