Das AG Heidenheim (Beschl. v. 01.12.2003 - AZ.: 3 Ds 424/03 = PDF, 76 KB) hat die Eröffnung des strafrechtlichen Hauptbverfahrens gegen einen Beklagten abglehnt hat, der beschuldigt wurde, für ein in Österreich registriertes Wettunternehmen in Deutschland Wetten anzunehmen und weiterzuleiten.
Bislang war ganz herrschende Meinung, dass sich gemäß §§ 284, 287 StGB strafbar, wer ohne behördliche Erlaubnis Glücksspiele veranstaltet.
Erst vor kurzem hat der EuGH dazu eine wegweisende Entscheidung getroffen, wonach nationale Regelungen gegen EU-Recht verstoßen, wenn sie ausschließlich oder überwiegend dem Schutz des staatlichen Glücksspielsmonopols dienen. Vgl. dazu den Aufsatz von RA Dr. Bahr: Glücksspiele: Grundlegende Änderung der Rechtsprechung. Dieser Ansicht ist auch das LG München I (Besch. v. 27. Oktober 2003 - Az.: 5 Qs 41/2003) gefolgt, vgl. die Kanzlei-Info v. 13.11.2003.
In den Entscheidungsgründen wird die Eröffnung des Hauptverfahrens insbesondere deswegen abgelehnt, weil nach der Rechtsprechung des EuGH sowohl ein Eingriff in die Niederlassungs- als auch Dienstleistungsfreiheit vorliegt. Ein solcher Eingriff sei aber nur mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zu rechtfertigen, was vorliegend nicht der Fall sei.
Dabei wird maßgeblich auf die Gambelli-Entscheidung abgestellt:
"§ 284 StGB hat im vorliegenden Fall unanwendbar zu bleiben, da er einen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch EG-Vertrag gewährleistete Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit der österreichischen C (...)GmbH und der mit dieser zusammenarbeitenden Angeschuldigten darstellt.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 08.11.2003, C 242/01) liegt sowohl ein Eingriff die Niederlassungsfreiheit als auch ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit der österreichischen Firma C (...)GmbH vor.
Ein solcher Eingriff bzw. eine solche Beschränkung ist nach der Rechtsprechung des EuGH nur mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zu rechtfertigen.
Letztendlich unterliegt die Tätigkeit des Angeschuldigten (...) in Baden-Württemberg einem staatlichen Monopol. Eine solche Monopolisierung ist der schärfste Eingriff.
Nimmt man die Rechtssprechung des EuGH ernst und anerkennt man, dass die Finanzierung staatlicher Aufgaben nicht der eigentliche Grund, sondern allenfalls erfreuliche Nebenfolge (...) der Beschränkungen sein darf, so ist daraus die prozessuale Konsequenz zu ziehen, dass der Staat die Erforderlichkeit konkret darlegen und nicht lediglich pauschal behaupten darf.
(...)
Eine solche konkrete Darlegung der Erforderlichkeit des Totalverbots in Baden-Württemberg ist nicht ersichtlich. Nach alledem ist § 284 StGB im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Auf die streitigen Fragen insbesondere der Auslegung des Begriffs Glücksspiel, Veranstalten etc. kommt es nach alledem nicht an."