Das AG Regensburg (Urt. v. 05.07.2013 - Az.: 4 C 3780/12) hat entschieden, dass für die Versendung rechtsmissbräuchlicher wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen sowohl der Geschäftsführer des Unternehmens persönlich als auch die abmahnende Rechtsanwaltskanzlei haftet.
Im Juli/August 2012 mahnte die KVR Handelsgesellschaft mbH zahlreiche Unternehmen wegen angeblicher Wettbewerbsverletzungen ab und verlangte Abmahnkosten iHv. rund 650,- EUR. Die Abmahnungen wurden durch die Kanzlei U+C Rechtsanwälte ausgesprochen. Nach Auffassung des Gerichts verschickte die Firma mehr als 1.000 Abmahnungen innerhalb weniger Wochen. Das Gesamtgebühren-Volumen der Abmahnkosten belief sich somit auf fast 680.000,- EUR.
Das Unternehmen erwirtschaftete im Jahre 2009 einen Verlust von knapp 13.000,- EUR, im Jahre 2010 ein Minus von ca. 7.500,- EUR.
Die Klägerin wurde von der KVR Handelsgesellschaft mbH abgemahnt und hob daraufhin negative Feststellungsklage, die auch erfolgreich war. Als es zur Zwangsvollstreckung kam, scheiterte diese jedoch, weil die KVR Handelsgesellschaft mbH inzwischen Insolvenz angemeldet hatte. Daraufhin verlangte die Klägerin den entstandenen Schaden iHv. ca. 1.800,- EUR von dem Geschäftsführer persönlich und der beauftragten Anwaltskanzlei, den U+C Rechtsanwälten.
Das Gericht bejahte eine Haftung und verurteilte sowohl den Geschäftsführer als auch die damals beauftragten Advokaten.
Es handle sich bei dem Verhalten des Geschäftsführers um eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung und einen klaren Fall von Rechtsmissbrauch. Die entstandenen außergerichtlichen Abmahnkosten hätten nie tatsächlich bezahlt werden können, da die KVR Handelsgesellschaft mbH bereits in der Vergangenheit nur Verluste erwirtschaftet habe. Auch habe die Firma nie eine wirklich nennenswerte wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet, sondern vielmehr sei ein unternehmerisches Handeln nur fingiert worden, um ein Wettbewerbsverhältnis zu begründen.
Hinzu komme, dass in den Abmahnungen eine bewusst kurze Reaktionszeit gewählt worden sei, um die Abgemahnten künstlich unter Druck zu setzen.
Die Kanzlei U+C Rechtsanwälte hafte ebenfalls für den eingetretenen Schaden.
Die Advokaten hatten sich weitgehend auf ihre anwaltliche Verschwiegenheitspflicht berufen und keine näheren Angaben gemacht.
Dies wertete Gericht nicht als ausreichend. Alleine die enorme Anzahl von Abmahnungen spreche, gerade bei einer wettbewerbsrechtlich versierten Kanzlei, dafür, dass die unlauteren Ziele der KVR Handelsgesellschaft mbH bekannt gewesen seien. Alleine die Tatsache, dass eine Gebührenschuld iHv. ca. 680.000,- EUR angefallen wäre, spreche in Anbetracht der mangelhaften Liqudität der Firma dafür, dass zwischen der KVR Handelsgesellschaft mbH und den Anwälten eine anderweitige Absprache über die Gebühren getroffen worden sei.
Zwar könne sich die Anwaltskanzlei - formal zu Recht - auf ihre anwaltliche Verschwiegenheit berufen, müssen dann aber die prozessualen Konsequenzen tragen und bleibe somit beweisfällig. Dies gelte auch deswegen, weil die U+C Rechtsanwälte die primären Profiteure der Abmahnaktion seien, da die eingeforderten Rechtsanwaltsgebühren ihr zugute kämen.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, sondern kann von den Beklagten u.a. noch mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten werden.