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LG Hamburg: Auch juristische Personen können Löschungsansprüche aus der DSGVO herleiten

Auch juristische Personen können Löschungsansprüche aus der DSGVO herleiten (LG Hamburg, Urt. v. 11.12.2020 - Az.: 324 O 30/20).

Klägerin war eine juristische Person, die ein Nachhilfeinstitut betrieb.

Die Beklagte war ein privater Informationsdienst, der Daten über eine Webseite der Allgemeinheit öffentlich zur Verfügung stellte. Auf dem Portal erschienen nach Eingabe einzelner Suchparameter die gewünschten Infos. Bei sämtlichen Daten handelte es sich um Datensätze aus allgemein zugänglichen Registern (z.B. Handelsregister, Insolvenzbekanntmachungen oder elektronischen Bundesanzeiger). 

Die Beklagte veröffentlichte nun Infos zur Beklagten, u.a. Firmenname, Anschrift, Daten zum Jahresabschluss. Zusätzlich wurde auch der Name des Geschäftsführers benannt.

Die Klägerin sah sich in ihren DSGVO-Rechten verletzt und klagte.

Die Beklagte bestritt bereits die Anwendbarkeit der DSGVO-Regelungen, da die Klägerin als juristische Person gar nicht in den Schutzbereich der Vorschriften falle.

Diesem Standpunkt hat das LG Hamburg eine klare Absage erteilt. Nach diesem Standpunkt könnten auch juristische Personen Rechte auf Basis der DSGVO herleiten:

"Die Vorschriften der DSGVO sind vorliegend auf die Klägerin zu 1) als juristische Person anwendbar.

Zwar beschränken diverse Vorschriften der DSGVO die Anwendbarkeit der Verordnung auf natürliche Personen. So normiert Art. 1 Abs. 1 DSGVO: „Die Verordnung enthält Vorschriften zum Schutz natürlicher Personen…“ oder Art. 4 Nr. 1 DSGVO: „Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen…“. Schließlich schreibt der Erwägungsgrund (EG) 14 der Verordnung ausdrücklich fest: „…Diese Verordnung gilt nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten juristischer Personen und insbesondere als juristische Person gegründeter Unternehmen, einschließlich Name, Rechtsform oder Kontaktdaten der juristischen Person.“.

Jedoch ist der Anwendungsbereich des Datenschutzrechts bei der Verarbeitung von Informationen juristischer Personen eröffnet, wenn die Informationen der juristischen Person sich (auch) auf die hinter dieser stehenden natürlichen Person beziehen.

Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Informationen über die juristische Person gleichzeitig auch Aussagen über die für sie handelnden natürlichen Personen treffen oder die Verarbeitung der Informationen sich unmittelbar auf die natürlichen Personen auswirken und gleichsam auf diese durchschlagen (Moritz in Simitis/Hornung/Spiecker Datenschutzrecht,1. Auflage 2019, Art 4 Rn. 43-45; Gola DS-GVO/Gola, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 4 Rn. 25). Dies ist vorliegend der Fall. Der Firmenname und der Geschäftssitz der Klägerin zu 1) beziehen sich auf ihre Geschäftsführer. Die Klägerin zu 1) führt in ihrem Firmennamen den Familiennamen der Geschäftsführer und ihr Geschäftssitz ist mit der Wohnanschrift ihrer Geschäftsführer identisch."

Im Ergebnis wies das LG Hamburg die Klage jedoch ab, da ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung durch die Beklagte bestünde:

"Ein berechtigtes Interesse der Beklagten liegt vor. (...)

Jedoch spricht für die Beklagten, dass sie die Daten der Klägerin (...) ausschließlich aus Veröffentlichungen des Handelsregisters und des Bundesanzeigers zusammengeführt hat, die ohnehin öffentlich zugänglich sind. Eine Geheimhaltung der veröffentlichten Daten ist der Klägerin (...) damit nicht möglich. Der Zweck der Veröffentlichungen in den öffentlichen Registern liegt in der Schaffung von Transparenz und Sicherheit des Geschäftsverkehrs. Durch die Weiterverarbeitung der Daten durch die Beklagte wird der Zweck nicht verändert. Auch die Plattform der Beklagten schafft Transparenz und Sicherheit des Geschäftsverkehrs.

Zugunsten der Beklagten ist weiter zur berücksichtigen, dass ausschließlich Daten, die der Sozialsphäre der Klägerin (...) zuzuordnen sind, von der Datenverarbeitung der Beklagten betroffen sind.

Des weiteren entsteht eine über die bereits öffentlich zugänglichen Daten der Klägerin zu 1) hinausgehende Aussagekraft durch die veröffentlichten Daten der Klägerin (...) auf der Internetseite der Beklagten nicht. Vielmehr ermöglicht sie eine vereinfachte Informationsgewinnung und schafft damit eine erhebliche Arbeitserleichterung bei Recherchen über Unternehmen und die dahinterstehenden natürlichen Personen. Ein über die bereits öffentlich zugänglichen Daten hinausgehende Aussagekraft entsteht auch nicht durch die grafische Darstellung der Bilanzen in Form eines Balkendiagrammes."

Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Auch wenn die Rechtsmeinung des LG Hamburg am Ende keine entscheidende Rolle spielte, weil die Klage abgewiesen wurde: Der Standpunkt, dass eine juristische Person sich auf entsprechende Löschrechte aus der DSGVO herleiten kann, ist noch nicht einmal im Ansatz vertretbar. Eine klare Fehleinschätzung. 

Die juristische Person ist gerade nicht Schutzobjekt der DSGVO, sondern vielmehr muss immer ein Bezug zu einer natürlichen Person vorliegen. In Erwägungsgrund Nr. 14 zur DSGVO heißt es daher auch explizit:

"Der durch diese Verordnung gewährte Schutz sollte für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten natürlicher Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres Aufenthaltsorts gelten. Diese Verordnung gilt nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten juristischer Personen und insbesondere als juristische Person gegründeter Unternehmen, einschließlich Name, Rechtsform oder Kontaktdaten der juristischen Person."

Das LG Hamburg vertritt das exakte Gegenteil.

Eine ganz andere Frage ist, ob und inwieweit die DSGVO anwendbar ist, wenn mit der Verarbeitung auch Daten von natürlichen Personen (z.B. Name des Geschäftsführers) gespeichert werden. Die DSGVO-Ansprüche stehen dann aber nur den natürlichen Personen zu und eben nicht der juristischen Person.

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