Die Werbeaussagen von HelloFresh (u.a. "Das erste globale klimaneutrale Kochbox-Unternehmen") sind irreführend und somit wettbewerbswidrig (LG Berlin, Urt. v. 10.10.2023 - Az.: 102 O 15/23).
Der bekannte Kochboxen-Lieferant HelloFresh warb mit den Aussagen
"Das erste globale klimaneutrale Kochbox-Unternehmen"
und
"Wir kompensieren 100% unserer direkten CO₂-Emmissionen".
Der Kläger meinte, dass diese Aussagen irreführend seien, da eine nähere Betrachtung der auf der Webseite angegebenen Kompensationsprojekte zu dem Ergebnis führe, dass die behauptete Klimaneutralität auf die dargestellte Weise nicht erreicht werden könne.
Das LG Berlin folgte dieser Ansicht und verurteilte HelloFresh zur Unterlassung:
"Die Werbung erwies sich als unlauter im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG, soweit die Beklagte behauptet, eine (teilweise) Kompensation ihrer CO₂-Emissionen durch den Kauf von Zertifikaten eines Waldschutzprojekts in Kenia erreichen zu können. Der Kläger hat hinreichend substantiiert dargelegt, dass eine Klimaneutralität durch den Erwerb der entsprechenden Zertifikate nicht erzielt werden kann. (...)
Der Durchschnittsverbraucher versteht den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO₂-Emissionen, wobei ihm bekannt ist, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationen erreicht werden kann (...). Die Differenzierung zwischen diesen beiden grundlegend verschiedenen Wegen zur „Klimaneutralität“ ist schon deswegen bedeutsam, weil die Emissionsreduktion nur in geringem, die Emissionskompensation aber in hohem Maße „Greenwashing“-Potential besitzt. (...)
Der Verbraucher erwartet allerdings, soweit die Beklagte vorliegend konkrete Projekte vorstellt, welche ihre CO₂-Emissionen neutralisieren sollen, dass diese tatsächlich einen positiven Effekt auf die Klimabilanz besitzen und die Beklagte nicht lediglich Zertifikate erworben hat, ohne sich mit dem dahinterstehenden Konzept näher zu befassen."
Und weiter:
"Die Werbung mit dem Claim „klimaneutrales Unternehmen“ war in diesem Sinne irreführend. (...)
Denn Klimaneutralität (...) wird durch die gewählte Kompensationsmaßnahme nach dem umfassenden Vorbringen des Klägers, welchem die Beklagte nicht ausreichend substantiiert entgegengetreten ist, nicht erreicht.
Der Kläger hat konkret dargelegt, aus welchen Gründen des von der Beklagten als Kompensationsmaßnahme gewählte Waldschutzprojekt „Kasigau Corridor“ nicht zu einer längerfristigen Reduzierung von CO₂-Emissionen beitragen kann. Dies konnte die Beklagte nicht einfach bestreiten.
Zwar dürfte es im Grundsatz unumstritten sein, dass der weltweite Schutz des Waldes als ein wichtiges Mittel zum Klimaschutz beiträgt. Hieraus allein lässt sich allerdings nicht die Berechtigung ableiten, dass Treibhausgaskompensation über den Erwerb entsprechender Zertifikate auf dem freiwilligen Zertifikatemarkt das kompensierte Produkt oder – wie hier das Unterneh- men - als klimaneutral zu bewerben. Der Claim der vollständigen Klimaneutralität geht nämlich über das hinaus, was mittels CO₂-Zertifikaten aus Waldschutz kurzfristig erreichbar ist.
Vor diesem Hintergrund kann nach Ansicht der Kammer dahinstehen, ob sich Waldschutzprojekte generell nicht zur Kompensation von CO₂-Emissionen eignen, wie der Kläger meint, oder ob hier differenzierte Kriterien zur Anwendung kommen müssen. Solange keine allgemein anerkannten Standards existieren – wie dies gegenwärtig noch der Fall ist – müssen sich aber bereits Zweifel an einer tatsächlichen Kompensation von Emissionen zu Lasten des
Werbenden auswirken, wenn dieser ohne Einschränkungen das Bestehen einer „Klimaneutralität“ behauptet.Daher konnte sich die Beklagte auch nicht darauf zurückziehen, dass sie sich bei dem Erwerb von Zertifikaten darauf verlassen können müsse, dass diese den vom jeweiligen Herausgeber behaupteten Erfolg auch zeitigen. Vielmehr oblag es der Beklagten, sich vor der Schaltung der streitgegenständlichen Werbung zu vergewissern, ob die damit verbundene Behauptung in der Sache gerechtfertigt ist."
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.