Das AG Pankow (Urt. v. 28.03.2022 - Az.: 4 C 199/21) hat zu der Frage Stellung genommen, wann ein DSGVO-Auskunftsanspruch als unbegründet zurückgewiesen werden kann.
Der Kläger fuhr in Berlin mit der öffentlichen S-Bahn. In einigen Zügen erfolgt eine Videoaufzeichnung, die 48 Stunden aufbewahrt wird.
Er machte gegen das Personenbeförderungsunternehmen einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO geltend. Die Beklagte erteilte diese Informationen nicht und löschte die Daten innerhalb der 48 Stunden.
Daraufhin erhob der Kunde Schadensersatzklage nach Art. 82 DSGVO, weil er aufgrund der fehlenden Auskunft in seinen Datenschutzrechten verletzt worden sei.
Dieser Ansicht folgte das AG Pankow nicht und wies die Klage ab.
Der geltend gemachte DSGVO-Auskunftsanspruch sei unzumutbar für die Beklagte gewesen, sodass kein Datenschutzverstoß gegeben sei:
"Hinsichtlich des hierauf basierenden Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO ist der Beklagten das Erfüllen dieses Auskunftsanspruchs jedoch aufgrund unverhältnismäßigen Aufwands unzumutbar gemäß § 275 Abs. 2 BGB (...).
Aufgrund des Ausnahmecharakters von § 275 Abs. 2 BGB und aufgrund der zentralen Bedeutung des Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 DSGVO sind strenge Maßstäbe an die Unverhältnismäßigkeit eines Auskumftsbegehrens anzulegen, Insbesondere besteht ein Verweigerungsrecht nur bei groben Missverhältnis zwischen Aufwand und Leistungsinteresse."
Und weiter:
"Ein solch grobes Missverhältnis besteht jedoch hier. Denn das Transparenzinteresse des Klägers ist äußerst gering. Insbesondere war er sich des Ob, Wie und Was der Datenverarbeitung bewusst (...). Der Kläger wusste genau, dass und in welchem Umfang personenbezogene Daten erhoben werden.
Der Normzweck von Art. 15 DSGVO - das Bewusstwerden über die Datenverarbeitung - war daher weitestgehend schon erfüllt. Der hier vorliegende Sachverhalt ist gerade nicht einer Situation vergleichbar, bei der sich ein Auskunftsbegehrender einen Überblick über verarbeitete personenbezogene Daten verschaffen will, die gegebenenfalls länger in ‚der Vergangenheit zurücklegen, oder bei den Daten zu unterschiedlichen Anlässen verarbeitet werden.
Die Datenverarbeitung durch die Beklagte ist von vornherein auf 48 Stunden zeitlich und örtlich auf die Züge der Beklagten begrenzt. Dem Kläger und jedem anderen Dritten ist es zumutbar, sich innerhalb des kurzen Zeitraus von 48 Stunden zu erinnern, wann eine Dienstleistung der Beklagten in Anspruch genommen wurde und wann entsprechend eine Verarbeitung personenbezogener Daten stattgefunden hat. Mit Blick auf den sehr kurzen Zeitraum ist der vom Kläger beklagte Kontrollverluet nicht erkennbar.
Wie der Kläger selbst darlegt, wurde er zudem von der Beklagten auch über sämtliche von Art. 15 Abs 1 lit. a-h DSGVO erfassten Aspekte der Datenverarbeitung, einschließlich Verarbeitungszweck, Dauer der Verarbeitung und Beschwerderecht informiert. Auch insoweit ist der Normzweck von Art. 15 DSGVO der Vergewisserung über "Existenz, Zwecke, Absichten und Rechtsfolgen" der Datenverarbeitung erfüllt (...).
Welches darüber hinausgehende Interesse der Kläger an der konkreten Gestalt der Videoaufzeichnung hat, hat er nicht hinreichend dargelegt und erschließt sich nicht. Denn für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Videoaufzeichnung als einen wesentlichen Zweck von Art. 15 DSGVO bedarf der Kläger der konkreten Gestalt der Videoaufzeichnung nicht. Unabhängig von der konkreten Auflösung der Videoaufzeichnung oder der möglichen Erfassung von biometrischen Daten, steht der Eingriffscharakter der Aufzeichnung im wesentlichen fest. Entsprechend gering ist das von Art. 15 DSGVO geschützte Vergewisserungsinteresse des Klägers."
Dem stünde - so das Gericht - ein erheblicher Aufwand auf Seiten der Beklagten gegenüber:
"Demgegenüber hat die Beklagte substantiiert dargelegt, dass die Erfüllung des Auskunftsanspruchs durch Verhinderung der automatischen Löschung und anschließenden Auskunft an den Kläger einen erheblichen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft bedeutet. Dass ein solcher Aufwand einem Auskunftsbegehren entgegenstehen kann, ist europarechtlich anerkannt (vgl. EuGH, Urteil v. 19.10.2016, C 582/14)."