Nimmt die Mitarbeiterin einer Arzt-Praxis heimlich Änderungen an der elektronischen Patientenakte vor, rechtfertigt diese im Zweifel eine außerordentliche Kündigung (LAG Erfurt, Urt. v. 28.02.2024 - Az.: 4 Sa 166/23).
Die klagende Arzthelferin wehrte sich vor Gericht gegen eine außerordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses.
Die verklagte Ärztin hatte festgestellt, dass die Klägerin ungefragt nachträgliche Änderungen an einer der elektronischen Patientenakten vorgenommen hatte und hielt dies für so gravierend, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar sei.
Das LAG Erfurt hielt die Kündigung für wirksam und wies die Klage ab.
Denn die Manipulation einer Patientenakte stelle einen ganz massiven Rechtsverstoß dar:
"Die nachträgliche Veränderung von Daten in der elektronischen Patient*innenakte durch die Klägerin ist eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Diese ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen.
Die Patient*innenakte enthält die für die medizinische Behandlung eines Menschen wichtigen Informationen wie z.B. Anamneseergebnisse, frühere Diagnosen, bislang verschriebene Medikamente, ggf. Informationen über Unverträglichkeiten usw.
Sie dient aber auch der Dokumentation von Behandlungsverläufen und ist ggf. als Nachweis im Rahmen von Haftungsfragen bedeutsam.
Außerdem ist die Dokumentation bei einem Ärzt*innenwechsel von großer Wichtigkeit. Auch für Abrechnungsfragen kann die Patient*innenakte bedeutsame Informationen enthalten.
Der Inhalt muss deshalb stimmen. Verantwortlich hierfür ist der*die Ärzt*in. Deshalb gehört es zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des medizinischen Hilfspersonals, Eintragungen in die Patient*innenakte sorgfältig und anweisungs- sowie wahrheitsgemäß vorzunehmen und nachträgliche Änderungen, die nicht den Tatsachen entsprechen zu unterlassen."
Und weiter:
"Damit fehlt in der Tat eine Voraussetzung das Arbeitsverhältnis im besonders sensiblen Bereich der Patient*innenversorgung fortzuführen. Die Risiken hieraus für die Patient*innen aber auch für die für Fehler haftende Beklagte sind zu hoch.
Dem gegenüber können die Interessen der Klägerin den schwerwiegenden Umstand des Vertrauensverlustes nicht kompensieren. Zugunsten der Klägerin war die lange Betriebszugehörigkeit von 17 Jahren zu berücksichtigen und vor allem, dass das Arbeitsverhältnis 15 Jahre lang beanstandungsfrei verlief. (…)
Allerdings kann dies dann letztendlich doch nicht im Ergebnis zu ihren Gunsten durchschlagen, um der Beklagten das Arbeitsverhältnis weiter zuzumuten."