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Kategorie: Onlinerecht

EuGH: Nationales Kopplungsverbot bei Telekommunikationsdiensten mit Europarecht vereinbar

Ein polnisches Telekommunikationsgesetz von 2004 sieht vor, dass der Präsident des Urząd Komunikacji Elektronicznej (polnisches Amt für elektronische Kommunikation, UKE) einem Telekommunikationsunternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auf dem Markt für Endkundendienste zum Schutz des Endnutzers vorschreiben kann, den Endnutzer nicht zur Inanspruchnahme von Diensten zu verpflichten, die für ihn entbehrlich sind.

Der Präsident des UKE gab der Telekomunikacja Polska SA w Warszawie (TP) mit Entscheidung vom 28. Dezember 2006 auf, festgestellte Rechtsverstöße zu beenden, die darin bestünden, dass der Abschluss eines Vertrags über die Bereitstellung des Breitband-Internetzugangs „neostrada tp“ vom Abschluss eines Vertrags über Telefondienste abhängig gemacht werde.

Nach Abweisung der Klage gegen diese Entscheidung erhob TP Kassationsbeschwerde beim Naczelny Sąd Administracyjny (Hauptverwaltungsgericht, Polen). Dieses Gericht hat den Gerichtshof nach der Vereinbarkeit einer nationalen Regelung, wonach Unternehmen ohne Beurteilung der Intensität des Wettbewerbs auf dem Markt und unabhängig von ihrer Marktstellung die Kopplung ihrer Dienstleistungen untersagt ist, mit den Richtlinien des gemeinsamen Rechtsrahmens für elektronische Kommunikation1 gefragt.

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass mit der Rahmenrichtlinie ein harmonisierter Rahmen für die Regulierung elektronischer Kommunikationsdienste und Kommunikationsnetze sowie zugehöriger Einrichtungen und zugehöriger Dienste vorgegeben werden soll. Die Richtlinie legt insbesondere die Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden fest, die eine Analyse der relevanten Märkte im Bereich der elektronischen Kommunikation durchführen und beurteilen, ob auf ihnen wirksamer Wettbewerb herrscht. Ist dies bei einem Markt nicht der Fall, erlegt die betreffende nationale Regulierungsbehörde den Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auf diesem Markt Vorabverpflichtungen auf.

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass die Universaldienstrichtlinie auf die Gewährleistung der Verfügbarkeit unionsweiter hochwertiger, öffentlich zugänglicher Dienste durch wirksamen Wettbewerb und Angebotsvielfalt abzielt und gleichzeitig die Fälle regelt, in denen die Bedürfnisse der Endnutzer durch den Markt nicht ausreichend befriedigt werden können. Zu diesem Zweck begründet die Richtlinie die Rechte der Endnutzer und die entsprechenden Pflichten von Unternehmen, die öffentlich zugängliche elektronische Kommunikationsnetze und -dienste bereitstellen.

Dementsprechend stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die benannten Unternehmen die Bedingungen so festlegen, dass der Teilnehmer nicht für Einrichtungen oder Dienste zu zahlen hat, die nicht notwendig oder für den beantragten Dienst nicht erforderlich sind.

In diesem Zusammenhang befindet der Gerichtshof, dass eine Regelung, die allgemein und unterschiedslos gekoppelte Verkäufe untersagt, nicht in die Befugnis der betreffenden nationalen Regulierungsbehörde eingreift, die verschiedenen Märkte für elektronische Kommunikation festzulegen und zu analysieren.

Ebenso wenig greift sie in die Befugnis der nationalen Regulierungsbehörde ein, nach Durchführung einer Marktanalyse den Unternehmen, die über beträchtliche Marktmacht auf diesem Markt verfügen, regulatorische Vorabverpflichtungen aufzuerlegen.

Zwar sind die nationalen Regulierungsbehörden bei der Ausübung ihrer Aufgaben verpflichtet, die Interessen der Bürger der Union zu fördern, indem sie einen weit gehenden Verbraucherschutz gewährleisten, doch sehen die Rahmenrichtlinie und die Universaldienstrichtlinie keine vollständige Harmonisierung der Aspekte des Verbraucherschutzes vor.

Der Gerichtshof entscheidet deshalb, dass eine nationale Regelung, wonach es Unternehmen zum Schutz der Endnutzer untersagt ist, den Abschluss eines Vertrags über die Erbringung von Telekommunikationsdiensten davon abhängig zu machen, dass der Endnutzer einen Vertrag über die Erbringung weiterer Dienste schließt, nicht nach der Rahmenrichtlinie und der Universalrichtlinie verboten sein kann.

Hinsichtlich der Verbraucherschutzvorschriften der Union, und zwar der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken2, weist der Gerichtshof darauf hin, dass diese einer nationalen Regelung entgegensteht, die von bestimmten Ausnahmen abgesehen Kopplungsangebote eines Verkäufers an einen Verbraucher ungeachtet der spezifischen Umstände des konkreten Falles verbietet.

Er stellt allerdings klar, dass die Richtlinie 2005/29 angesichts der Tatsache, dass die im Ausgangsverfahren streitigen Entscheidungen vor dem Ablauf der Frist für ihre Umsetzung erlassen wurden, erst seit diesem Zeitpunkt, also dem 12. Dezember 2007, auf den Ausgangsfall anwendbar ist.

Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 11.03.2010

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