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Kategorie: Onlinerecht

OLG Köln: Neues Grundsatz-Urteil zur Bewertung von Influencer-Schleichwerbung bei Instagram

Das OLG Köln hat ein neues Grundsatz-Urteil zur Bewertung von Influencer-Schleichwerbung bei Instagram  getroffen (OLG Köln, Urt. v. 19.02.2021 - Az.: 6 U 103/20).

Die Beklagte war Influencerin im Bereich Mode und Lifestyle und veröffentlichte u.a. ihre Nachrichten auch auf Instagram.

Die Klägerin warf ihr Schleichwerbung in ihren Postings vor, da keine ausreichende Kennzeichnung des werblichen Charakters erfolge. Die Beklagte verteidigte sich damit, dass es sich um redaktionellen Inhalt handle.

Das OLG Köln stellt zunächst klar, dass auch redaktioneller Inhalt grundsätzlich den Kriterien des Wettbewerbsrechts unterliege:

"Soweit die Beklagte anmerkt, dass das hier in Rede stehende Verhalten redaktioneller oder informierender Natur ist, steht dies einer Bewertung als geschäftlicher Handlung allerdings nicht entgehen.

Schon der Umstand, dass der Tatbestand der redaktionell getarnten Werbung auch mit lauterkeitsrechtlichen Vorschriften überprüfbar ist, spricht dafür, dass Presse, Rundfunk und sonstige journalismusnahe Tätigkeiten der UWG-Kontrolle nicht entzogen sind, wenn ihre Tätigkeit mittelbar durch Werbung finanziert wird (...). Da die Beklagte vorliegend unstreitig ihre Tätigkeit durch die Gegenleistung von Unternehmen, seien es Kooperationen (die jedenfalls für die Vergangenheit eingeräumt wurden), Einladungen und Gratisprodukten finanziert, fördert sie jedenfalls ihr eigenes Unternehmen (...), und zwar auch dadurch, dass sie auf künftige Kooperationen durch ihre Bloggertätigkeit im produktnahen Bereich hofft.

Die Beklagte hat selbst eingestanden, dass sie in Bezug auf ein im ersten Posting getragenen Accessoires später eine Kooperation mit dem betreffenden Unternehmen eingegangen ist."

Es liege auch eine geschäftliche Handlung:

"Soweit durch die Produktdarstellung in Posts Unternehmensinteressen gefördert werden, liegt eine geschäftliche Handlung auch bereits vor, wenn keine explizite Förderabsicht nachweisbar ist.

Allein der objektive Zusammenhang, also die tatsächliche Förderung oder Begünstigung kommerzieller Zwecke, genügt hierfür. Das ist eindeutig, wenn für eine Veröffentlichung ein Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung gezahlt wird. Fehlt es – wie hier an dem konkreten Nachweis einer solchen Entgeltzahlung – kommt es darauf an, ob eine Veröffentlichung vorwiegend der Information oder ob sie vorwiegend der Förderung von Absatzzwecken dient. Im Bereich der Influencerhandelns haben die Gerichte – schon weil der diesbezügliche konkrete Nachweis schwierig ist – das Überwiegen geschäftlicher Zwecke anhand von Indizien bestimmt. Dazu gehören insbesondere in das Foto eingebettete Tags mit Verlinkung zu Herstellerseiten (...).

Diese Kriterien sind vorliegend erfüllt. Sämtliche streitgegenständlichen Motive sind vertaggt, die Zahl der Follower ist erheblich, die Beklagte wird in einem Ranking der erfolgreichsten Influencerinnen geführt."

Nebenbereich bewertet das OLG Köln auch den angedachten Gesetzesentwurf in diesem Bereich und hält ihn im Ergebnis für untauglich:

"Die Regelung des Referentenentwurfs stellt noch kein geltendes Recht dar, ist also für die Lösung des Falles nicht heranzuziehen. Die dort gewählte Grundannahme ist aber nach Auffassung des Senats nicht angemessen. Zum einen liegt sie derzeit nur Nr. 11 der sog. Blacklist, also dem Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG zugrunde. § 5a Abs. 6 UWG verlangt für das Vorliegen getarnter Werbung dagegen nicht nur den Nachweis einer Entgeltzahlung. Auch die insoweit maßgebliche Vorgabe in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG geht davon aus, dass eine irreführende Praktik eines Unternehmers vorliegt, „wenn er den kommerziellen Zweck der Geschäftspraxis nicht kenntlich macht, sofern er sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt“. Daher kann der Nachweis einer kommerziellen Absicht auch aus anderen Umständen als der Zahlung eines direkten Entgelts gefolgert werden. Bereits deshalb ist fraglich, ob der Vorschlag im Referentenentwurf richtlinienkonform wäre.

Aus Sicht des Senats kann weder pauschal gefolgert werden, dass ein auch geringer redaktioneller Anlass bereits das kommerzielle Interesse ausschließt, noch dass allein bei Nachweis eines konkreten Entgelts die Unlauterkeit anzunehmen wäre. Entscheidend ist vielmehr, dass § 5a Abs. 6 UrhG eine Vermutung zugunsten einer überwiegenden kommerziellen Absicht nur ausschließt, wenn einerseits sowohl eine konkrete Entgeltzahlung als auch ein mittelbarer Vorteil seitens des begünstigen Unternehmens ausscheidet, andererseits keine einseitige und übermäßige Herausstellung des objektiv begünstigten Unternehmens vorliegt.

Diese Wertung berücksichtigt zwar, dass auch die soziale Kommunikation über Instagram-Accounts dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterliegt. Sie trägt aber ebenso dem Umstand Rechnung, dass auch im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 GG Abstufungen dergestalt möglich, dass vorwiegend der Unterhaltung dienende Beiträge einen geringeren Schutz genießen als Beiträge, die journalistisch-redaktioneller Natur sind und gerade dadurch auch der kollektiven Meinungsbildung dienen (z.B. BVerfGE 34, 269, 283; BVerfGE 97, 228, 257; BVerfGE 101, 361, 391; BVerfGE 120, 180 Tz. 65). Damit steht es im Einklang, dass das informative Gewicht der Beiträge einer sozialen Kommunikation auch eine Rolle bei der Beweislastverteilung spielt.

Einerseits ist dem Blogger also der Nachweis zu gestatten, dass und inwiefern die von ihm präsentierten Produkte und Accessoires mit eigenen Mitteln beschafft wurden (KG GRUR 2019, 543 Rn. 70), andererseits ist zu gewichten, ob und in welchem Maße die zu den Bilddarstellungen gesetzten Texte einen Informationsgehalt haben und ob die Links zu den davon objektiv begünstigten Unternehmen redaktionell veranlasst und in der vorgenommenen Form auch erforderlich sind, um den redaktionellen Anlass zu erfüllen. Auf diese Weise wird dem Gefährdungspotential Rechnung getragen, das gerade die soziale Kommunikation für Verbraucherinteressen in sich trägt. Die Kennzeichnungsgebote für kommerzielle Kommunikationen soll nämlich den Verbraucher vor einer Irreführung über die eigentliche Motivation einer Kommunikation schützen, aber auch wirtschaftliche Einflüsse auf die inhaltliche Kommunikation begrenzen (BGHZ 110, 278, 287 = GRUR 1990, 611, 615 – Werbung im Programm).

Der ursprünglich für Rundfunk und Presse entwickelte Grundsatz ist auch bei der sozialen Kommunikation in Diensten wie Instagram beachtlich. Gerade durch die Vermischung privater Kommunikation mit der dadurch angestrebten Entwicklung eines für die Unternehmenskommunikation attraktiven Images der Protagonisten ist eine klare Trennung zwischen kommerziellen und inhaltlichen Botschaften vorzunehmen. "

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