Kanzlei Dr. Bahr
Navigation
Kategorie: Wettbewerbsrecht

LG München: Portal-Betreiber haftet als Mitstörer bei E-Card-Spam

Das LG München I (Az.: 33 O 5791/03) hat per einstweiliger Verfügung entschieden, dass auch der Versand von elektronischen Gruss-Karten (sog. E-Cards) grundsätzlich Spam ist, wenn der Empfänger nicht vorher dem Zusenden ausdrücklich zugestimmt hat.

Im vorliegenden Fall stellte der Webseiten-Betreiber auf seiner Plattform den Nutzern die Möglichkeit zur Verfügung, Grusskarten mit einem Text zu versehen und an eine beliebige E-Mail-Adresse zu versenden. Das Interessante an der Entscheidung der Münchener Richter ist die Tatsache, dass der Betreiber als Mitstörer eingestuft wurde. Zwar hätte der Betreiber die Grusskarten offensichtlich nicht selber versandt, jedoch habe er durch die Bereitstellung der E-Cards dem unbekannten Spammer erst dessen rechtswidrige Handlung ermöglicht. Insoweit stelle er eine gewisse Teilleistung zur Verfügung, er sei daher wettbewerbsrechtlich als Mitstörer anzusehen.

Das Urteil schließt sich nahtlos an eine frühere Entscheidung des LG München I an (Urt. v. 05.11.2002 - Az.: 33 O 17030/02). Auch hier ging es um das Versenden von E-Cards. Schon damals hatten die Richter festgestellt, dass der E-Card-Bereitsteller als Mitstörer haftet.

Anmerkung:
Die Richter übertragen mit ihrer Entscheidung nahtlos allgemein anerkannte Offline-Grundsätze auf den Bereich des Internets. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann auch derjenige Störer sein, der lediglich "unterstützend" eine weitere Ursache für die Rechtsverletzung gesetzt hat. D.h. es kann auch derjenige haftbar sein, der z.B. seinen Telefon- oder Faxanschluss einem Dritten überlässt, der dann seinerseits von diesem Anschluss aus rechtswidrige Handlungen begeht. Ihren Grund findet diese Haftung jedoch nicht schon in der Überlassung des Anschlusses als solches. Die Verantwortlichkeit des Dritten folgt vielmehr daraus, dass er die auf diese Weise ermöglichten Rechtsverletzungen nicht unterbunden hat, obwohl er dazu als Inhaber des Anschlusses die Möglichkeit gehabt hätte und ein derartiges Einschreiten von ihm mit Blick auf die aus dieser Stellung resultierenden Befugnisse und die Überlassung des Anschlusses zu erwarten war.

Anfang des Jahres 2002 hatte insoweit eine Entscheidung des AG Nidda (Urt. v. 11.01.2002 - 1 C 376/01) für Aufsehen erregt. Es ging um ein 0190-Fax-Spamming. Da der eigentliche Spammer wie immer in diesen Fällen nicht ermittelbar war, verurteilte das AG damals den 0190-Hauptbetreiber, der die Rufnummer an den vermeintlichen Spammer weitervermietet hatte.

In all diesen Fällen stellt sich - genau wie im vorliegenden Münchener Sachverhalt - die Frage, ob nicht der Haftungsbogen überspannt wird. Denn wenn sich wirklich die LG München-Ansicht durchsetzt, würde dies bedeuten, dass eine Vielzahl von Betreibern, die eine Versende-Möglichkeit ihrer News anbieten (z.B. Heise, Spiegel Online), jederzeit mit einer Abmahnung rechnen müssten. Daher kann jedem Plattform-Betreiber bei der derzeitig unsichern Rechtslage nur dringend abgeraten werden, E-Cards oder sonstige Versende-Funktion an nicht vorher verifizierte Mail-Adressen zu senden.

Aber selbst bei einer Verifizierung mittels Double-Opt-In kann sich ein Webseiten-Betreiber nach Ansicht des KG Berlin (Beschl. v. 08.01.2002 - Az.: 5 U 6727/00) und des LG Berlin (Beschl. v. 19.09.2002 - Az.: 16 O 515/02) nicht sicher sein, dass er nicht wegen Spamming abgemahnt wird. Denn die Berliner Richter werteten schon die erste, die sog. "Check"-Mail als Spam und somit als Abmahnungsgrund. Nach der derzeitigen Rechtslage kann somit ein Webseiten-Betreiber sich nur dann 100% sicher sein, wenn er entweder gänzlich auf E-Cards, Newsletter oder sonstige News-Versende-Funktionen verzichtet oder wenn er die betreffende E-Mail vorher auf andere Weise (telefonisch, postalisch) bestätigt hat. Was natürlich, um es gelinde zu sagen, ein unhaltbarer Zustand ist.

Hinter dieser außerordentlich restriktiven gerichtlichen Ansicht steht die Befürchtung, dass bei einer anderen Interpretation ansonsten die Gefahr droht, dass Spam dann zukünftig unter dem Deckmantel einer "Check"-Mail versendet würde.

Wer aber - aus verständlichen Gründen - auch zukünftig nicht auf seinen werbewirksamen Newsletter verzichten will, sollte in jedem Fall gewisse technische und rechtliche Schutzmechanismen einbauen (z.B. IP-Speicherung), um so gut wie irgend möglich für den "Fall der Fälle" gewappnet zu sein. In jedem Falle empfiehlt sich daher für die kommerziellen Versender von Newslettern eine vorherige anwaltliche Beratung.
 

Rechts-News durch­suchen

22. März 2024
Die Verwendung von "Architektur" im Firmennamen erfordert, dass der Inhaber selbst Architekt ist.
ganzen Text lesen
21. März 2024
Eine Kündigungsbestätigung per Telefon als Bedingung für die Wirksamkeit einer Vertragsbeendigung ist wettbewerbswidrig.
ganzen Text lesen
21. März 2024
Eine private GmbH darf sich als "Institut für Architektur" bezeichnen, da der Geschäftsverkehr eine hochschulrechtliche Einrichtung erwartet.
ganzen Text lesen
19. März 2024
Online-Shops, die allgemein abrufbar sind, müssen PAngVO einhalten, selbst wenn sie nur an Unternehmer verkaufen wollen.
ganzen Text lesen

Rechts-News durchsuchen