Das LG Hamburg (Urt. v. 17.09.2003 - Az.: 308 O 57/03) hatte zu entscheiden, ob die Verwendung der Figuren und Ereignisse aus den bekannten "Harry Potter"-Romanen der englischen Autorin Joanne K. Rowling in deutschen Schulbüchern gegen geltendes Recht verstößt.
Geklagt hatten sowohl die englische Autorin als auch der deutsche Rechteinhaber, der für Deutschland die Nutzungsrechte an den Werken eingeräumt bekommen hat. Beklagte war ein Schulbuch-Verlag.
Die Kläger machten marken-, urheber- und wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend.
Die Beklagte vertreibt Bücher in Lose-Blatt-Form als Arbeitshilfen für Lehrer, die den im Unterricht zu behandelnden Stoff aufbereiten. In den Büchern werden jeweils durch Fragen, Zeichnungen, Spielanregungen und andere Aufgabenstellungen für die Schüler Bezüge zum Roman hergestellt. In unterschiedlicher Form werden der Handlungsablauf, die handelnden Personen und ihre Namen, die Umgebungsszenerie, die Benennung der im Roman verwendeten Orte und Gegenstände, die Zaubersprüche sowie zahlreiche weitere Details in Bezug genommen. Der Beklagten sind keine Nutzungsrechte von den Klägern eingeräumt worden.
Die Kläger machten geltend, dass der verarbeitete Originalroman lediglich in seinen wichtigsten Elementen von einer Buchform, einem Roman, in eine andere Buchform, nämlich ein Lehrbuch, umgeschrieben worden sei, ohne dass insbesondere von der Beklagten irgend etwas eigenes hinzugefügt worden sei. Das Lehrbuch erfordere nicht, dass die Schüler den zugrunde liegenden Roman auch tatsächlich lesen würden. Damit seien urheberrechtlich geschützte Elemente abhängig bearbeitet worden.
Die Hamburger Richter sind dieser Ansicht weitesgehend nicht gefolgt. In einer ausführlichen und komplexen Begründung haben sie festgestellt, dass die Lehrbücher keine urheberrechtlichen Verwertungsrechte der Kläger verletzen, da keine geschützten Inhalte übernommen würden und es sich auch um eine freie Bearbeitung der Bücher i.S. von § 24 Abs. 1 UrhG handle. Der innere Abstand sei erheblich. Die Übernahmen gehe über bloße Bezugnahmen auf Gestalten und Geschehnisse nicht hinaus. (Lediglich in dem Fall eines Buches haben die Richter die Verletzung entsprechender Rechte bejaht, da ein ein ausreichender schöpferischer Abstand zum benutzten Originalroman nicht bestehe).
"Wie ausgeführt, kommt es bei der Frage, ob ein selbständiges neues Werk in freier Benutzung eines geschützten älteren Werkes geschaffen worden ist, entscheidend auf den Abstand an, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes hält. (...)
Längere Teile des Originalromans werden (...) nicht wiedergegeben. Die in der Kartei enthaltenen inhaltlichen Bezugnahmen und kurzen Beschreibungen übernehmen die dichterische Welt des Romans nicht. Die (...) Kartei (...) geht eigene Wege, die außerhalb der Erzählebene des Originalromans liegen. Die Kartei hat einen anderen Aussagegehalt und ersetzt nicht den Werkgenuss, sondern setzt ihn voraus. (...)
Die Fabel erschließt sich hier in verständlicher Art und Weise nicht einmal, wenn die selbständigen (...) Sätze im Kopf des Lesers zu einem Ganzen zusammengeführt werden. Ohne eine Kenntnis des Originalwerkes bleibt der Inhalt der (...) Kartei (...) auch (...) unverständlich.
Der innere Abstand des vorbenutzten und des neuen Werkes ist damit erheblich.""
Den ebenso begehrten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch haben die Richter verneint, weil keine sittenwidrige Ausnutzungshandlung vorliege.
Hinsichtlich der geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche gab das LG Hamburg den Klägern recht: Da die Marke "Harry Potter" in kennzeichenmäßiger Weise benutzt werde und zudem mittels Großschreibung und Fettdruck hervorgehoben werde, liege eine Markenverletzung vor.