Die Kanzlei-Infos v. 03.07.2005 hatten schon darüber berichtet, nun liegt die gerichtliche Entscheidung im Volltext vor.
Das AG Frankfurt a.M. (Urt. v. 01.07.2005 - Az.: 991 Ds-6100 Js 226314/01 - PDF) hat entschieden, dass eine Online-Blockade unter bestimmten Umständen als strafbare Nötigung iSd. § 240 StGB anzusehen sein kann. Das Gericht betritt damit juristisches Neuland.
Der Angeklagte hatte im Juni 2001 dazu online aufgerufen, die Webseiten der Lufthansa aufzurufen, um so den Lufthansa-Server zu überfordern und zum Absturz zu bringen (DDoS-Attacken). Anlass dieses Aufrufes war für den Angeklangten die Tatsache, dass die deutsche Fluggesellschaft abgeschobene Flüchtlinge ausflog.
"Der Angeklagte hat sich (...) gemäß § 111 StGB, des öffentlichen Aufrufs zu Straftaten, strafbar gemacht. Der Angeklagte hat öffentlich – im Internet – zu einer strafbaren Handlung, nämlich zu einer Nötigung gemäß § 240 StGB aufgerufen.
Der Angeklagte hat dazu aufgerufen, die Homepage der Lufthansa über einen Zeitraum von zwei Stunden unzugänglich für Kunden und Interessenten zu machen, um seine politischen Zielsetzungen zu erreichen. (...)
Bereits durch den Mausklick ist eine wenn auch geringe Kraftentfaltung durch den Täter gegeben, die sich durch technische Wirkung verstärkt, da sie eine Reaktion auslöst. Es sei darauf hingewiesen, dass das Maß dieser Kraftentfaltung etwa dem Auslösen des Abzugs an einer Waffe entspricht, wobei in beiden Fällen technische Reaktionen erfolgen, ohne diese beiden Fälle ansonsten gleichstellen zu wollen. (...)
Die Zwangseinwirkung durch elektrische Energie wirkt hier allerdings nicht direkt gegen die Person des Nutzers (wie z.B. beim Stromstoss durch Elektroschocker), sondern im ersten Ansatz gegen eine Sache, nämlich gegen das Leitungsnetz, das durch die ausgelösten elektrischen Signale überlastet wird.
Es ergibt sich jedoch eine mittelbare Wirkung auf den Internet - User, der genötigt wird, seinen Zugriff auf die Seite der Lufthansa zum gewünschten Zeitpunkt zu unterlassen, da er mit seinen Signalen nicht durchdringt.
Der Gesetzeswortlaut verlangt nicht „Gewalt gegen eine Person“ wie dies z.B. in § 249 StGB der Fall ist. Gewalt gegen Sachen ist ausreichend (...)."
Und weiter:
"Des Weiteren sieht das Gericht auch die Tatbestandsalternative der Drohung mit einem empfindlichen Übel zu Lasten der Lufthansa gegeben.
Aus den Aufrufen des Angeklagten geht eindeutig hervor, dass über den kurzfristigen Erfolg der Blockade langfristig das Vertrauen der Kunden der Lufthansa in das Medium Internet erschüttert werden sollte.
Unabhängig vom 20.6.01 war also eine nachhaltige Wirkung angestrebt in Kenntnis des Wunsches der Lufthansa das Geschäft auf diesem Sektor auszubauen.
Ferner war beabsichtigt, dass die Lufthansa einen Imageschaden erleiden sollte. Die zweistündige Aktion am 20.6.01 sollte also weit über diesen Zeitraum hinauswirken. Dies sind Auswirkungen die auch in ihrer Motivationskraft auf das Nötigungsopfer Lufthansa wesentlich durchschlagender sind als ein 2stündiger Buchungsausfall.
Der Zusammenhang „um zu“ ergibt sich nach Auffassung des Gerichts eindeutig aus den Aufrufen des Angeklagten im Internet, die die beabsichtigte Wirkung beschreiben und das Ziel der Aktion nennen. Indem das Übel angewandt wird, beweisen die Täter Einfluss auf die Wirkungen zu haben."