Das OLG Hamburg (Urt. v. 22.08.2006 - Az.: 7 U 50/06) hat die erstinstanzliche Entscheidung des LG Hamburg zur Heise-Foren-Haftung bestätigt.
Vgl. zur Entscheidung des LG Hamburg den Aufsatz von RA Dr. Bahr "Haftung für Foren-Einträge" und den Podcast "Die Auswirkungen des Heise-Urteils".
Die Entscheidungsgründe der OLG-Richter enttäuschen. Denn Klarheit schafft das Urteil keineswegs.
Zwar betont das Gericht ausdrücklich, dass eine Haftung grundsätzlich erst ab Kenntnisnahme entstünde:
"Wie sich § 9 MDStV entnehmen iässt, sind Mediendiensteanbieter im Allgemeinen nicht für fremde Informationen verantwortlich, die sie für einen Nutzer speichern, sofern sie von dem rechtwidrigen Beitrag keine Kenntnis haben und sofern sie nach Kenntnis unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen."
Dann schränken die Richter diesen Grundsatz aber wieder ein:
"Wie der Bundesgerichtshof (...) in Bezug auf die gleich lautende Bestimmung des § 11 TDG überzeugend ausgeführt hat, schließt dies allerdings eine weitergehende Verantwortung im Rahmen von Unterlassungsansprüchen nicht aus. (...)
In Betracht kommt jedoch ein Unterlassungsanspruch gegen den Forenbetreiber als Störer. Hierbei ist zur Vermeidung der übermäßigen Erstreckung der Störerhaftung anerkannt, dass die Haftung als Störer zusätzlich die Verletzung von Prüfungspflichten voraussetzt, deren Umfang sich danach bestimmt, inwieweit eine Prüfung dem als Störer in Anspruch genommenen zuzumuten ist."
Da hier schon in der Vergangenheit rechtswidrige Postings im Forum aufgetaucht seien, sei die Antragsgegnerin zur Überprüfung verpflichtet gewesen. Da sie eine solche Überprüfung abgelehnt habe, hafte sie als Mitstörerin:
"Während eine allgemeine Überwachungspflicht (...) mit vertretbaren Mitteln nur schwer durchführbar erscheint, wird die Kontrolle über ein einzelnes Forum, in welchem mit dem Auftreten von Rechtsverletzungen konkret zu rechnen ist, mit wesentlich geringerem Aufwand möglich sein. Eine solche Kontrolle ist dem Betreiber jedenfalls dann zuzumuten, wenn die Gefahr erheblicher Rechtsverletzungen droht.
Bei vollständiger Freihaltung des Betreibers von Überprüfungspflichten auch in diesen Fällen entstände für den Schutz grundrechtlich geschützter Positionen der Betroffenen ein Vakuum, da diese vom Forenbetreiber dann lediglich die Löschung des konkreten Beitrags verlangen könnten, ohne einen darüber hinausgehenden Schutz vor künftigen Verletzungshandlungen erreichen zu können. Dem lässt sich nicht entgegen halten, dass es dem Verletzten unbenommen sei, gegen den Autor der verletzenden Äußerung vorzugehen, da dieser in vielen Fällen nicht identifizierbar oder erreichbar sein wird.
Nach Bekanntgabe der ersten Beiträge am 5.8.05 hat die Antragsgegnerin zwar diese gelöscht, andererseits aber ausweislich ihres eigenen Schreibens vom 5.8.05 (Anl. Ast 4) erst nach dem Abmahnschreiben der Antragstellerin vom 8.8.05 eine erneute Löschung vorgenommen, obgleich es nahe lag, dass die Nutzer des Forums ihre Aufrufe fortsetzen würden. (...)
Darüber hinaus hat sich die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben geweigert, künftig auch ohne konkrete Aufforderung tätig zu werden. Eine Überprüfung und - bei verletzendem Inhalt - Löschung der Beiträge ihres Forums nach dem 5.8.05 wäre jedoch geboten und unter den gegebenen Umständen auch zurnutbar gewesen."
An dieser Stelle kann das Gericht sich aus der Angelegenheit "mogeln", da es wegen des spezifischen Sachverhalts nicht entscheiden muss, welche Maßnahmen denn angemessen gewesen wären, zukünftige Postings zu vermeiden: Reichen bloße Text-Filter, die jedoch leicht umgangen werden können, aus? Oder muss jeder Kommentar dann doch einer Vorab-Kontrolle unterworfen werden?
Der einzig wirklich klare Punkt, den das Urteil bringt, ist der Umstand, dass ein Foren-Betreiber bei einer erstmaligen Rechtsverletzung durch einen Dritten grundsätzlich nicht haftet, es sei denn, er hat die Rechtsverletzungen durch eigenes Wirken veranlasst.