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LG Hamburg: Abmahnung Supernature-Forum: Schriftliche Entscheidungsgründe liegen vor

Der Betreiber des Boards supernature-forum.de, Martin Geuß, wurde kostenpflichtig abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert, weil in seinem Forum angeblich rechtswidrige Inhalte durch unbekannte Dritte gepostet wurden. Vgl. dazu die Online-Dokumentation unter http://www.supernature-forum.de/abmahnung.html. Geuß beauftragte daraufhin die Kanzlei Dr. Bahr mit der Wahrnehmung seiner Interessen.

Die Ansprüche wurden zurückgewiesen und eine Gegenabmahnung ausgesprochen. Daraufhin erklärten die Abmahner rechtlich unverbindlich, die Angelegenheit bis auf weiteres auf sich beruhen zu lassen.

Um für den konkreten Fall und darüber hinaus allgemein Rechtssicherheit für die Problematik der Foren-Haftung zu schaffen, entschied sich der Betreiber, negative Feststellungsklage zu erheben, vgl. die Kanzlei-Infos v. 02.05.2006. Am 19.01.2007 war die mündliche Verhandlung, vgl. die Kanzlei-Infos v. 20.01.2007.

Nun liegen endlich die schriftlichen Entscheidungsgründe vor: LG Hamburg (Urt. v. 27.04.2007 - Az.: 324 O 600/06)

Es bewahrheitet sich damit, was schon während der mündlichen Verhandlung von den Richtern angekündigt wurde: Die vollständige Haftung des Forum-Betreibers für die Postings in seinem Board, unabhängig von der Kenntnis seiner Beiträge.

"Der Kläger muss sich die Verbreitung dieser Äußerung auch zurechnen lassen, denn sie ist über ein von ihm unterhaltenes Internetforum verbreitet worden.

Der Kläger ist hinsichtlich der Verbreitung dieser Äußerung Störer (...), denn Störer ist jede Person, von der eine Störung von Rechten des Betroffenen ausgeht. Für die Störereigenschaft reicht (...) das bloße Verbreiten einer unzulässigen Äußerung aus; dass der Verbreiter selbst hinter den rechtswidrigen Inhalten steht oder sie gar verfasst hat, ist danach nicht erforderlich."


Und weiter:

"Auf etwaige Haftungsprivilegierungen kann sich der Kläger aufgrund der Bestimmung des - hier noch einschlägigen - § 6 Abs. 1 MDStV nicht berufen, denn es handelt sich bei der angegriffenen Äußerung um eine eigene Information, die er zum Abruf bereithält.

Eigene Informationen im Sinne dieser Vorschrift sind nicht „eigene Behauptungen" im Sinne der für Widerruf oder Richtigstellung entwickelten Grundsätze, sondern Informationen, für deren Verbreitung der Betreiber einer Internetseite seinen eigenen Internetauftritt zur Verfügung stellt, mag auch nicht er selbst, sondern eine dritte Person die konkrete Information eingestellt haben.

Das ist die Folge des Umstandes, dass der Inhaber der jeweiligen Internetdomain diejenige Person ist, die für die Inhalte, die über den betreffenden Internetauftritt verbreitet werden, die rechtliche Verantwortlichkeit trägt.

Eine Grenze der Zurechnung ist allenfalls dann erreicht, wenn durch das Umfeld, in dem die jeweilige Information steht, hinreichend deutlich wird, dass es sich dabei um eine solche Äußerung handelt, deren Verbreitung trotz ihrer Aufnahme in den Internetauftritt der Inhaber der Domain gerade nicht wünscht. Das setzt voraus, dass der Betreiber der Internetseite sich von der betreffenden Äußerung nicht pauschal, sondern konkret und ausdrücklich distanziert (...).

Nur dadurch kann verhindert werden, dass sein Internetauftritt als Gewähr für die Richtigkeit der Information angesehen und deren weitere Verbreitung als zutreffende Tatsachenbehauptung gefördert wird. Dies entspricht der Konzeption für alle Angebote, über die Äußerungen verbreitet werden, die nicht ausschließlich von deren Inhaber stammen, sondern von Dritten verfasst sind, und wie sie nach der Regelung in § 54 RStV nunmehr kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung für alle Anbieter redaktionell gestalteter Angebote, wozu auch Internetforen gehören, gelten."


Die Entscheidung steht im klaren Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH und ist auch nicht mit dem Urteil des OLG Hamburg im Heise-Fall (Urt. v. 22.08.2006 - Az.: 7 U 50/06) vereinbar. Wieder einmal offenbart damit die 24. Zivilkammer des LG Hamburg ihre ganz eigene Interpretation des Gesetzeswortlautes.

Siehe dazu auch die Anmerkungen von Martin Geuss.

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