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Absoluter Wahnsinn: BMJ legt neuen Entwurf zur Muster-Widerrufsbelehrung vor

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat auf die vehemente Kritik aus der Wirtschaft reagiert und nach dem kurzen Zeitraum von nur fünf Jahren einen überarbeiteten Entwurf zur Widerrufsbelehrung vorgelegt (Download PDF).

Der neue Vorschlag offenbart ein weiteres Mal, diesmal in Vollendung, welche Ausmaße inzwischen die Inkompetenz des Gesetzgebers im Online-Bereich angenommen hat.

Wie blind und arrogant die Exekutive und Legislative geworden sind, zeigt sich anschaulich bereits zu Beginn des Diskussionsentwurfes, wo es heißt:

"Von einigen Gerichten und teilweise im Schrifttum werden § 14 Abs.1 und 2 der BGB-InfoVm und die dort in Bezug genommenen Musterbelehrungen als nicht mehr (...) gedeckt angesehen, weil die Muster den gesetzlichen Anforderungen des BGB nicht in allen erfassten Fällen genügten. (...)

Vor diesem Hintergrund kam es in letzter Zeit verstärkt zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen von Unternehmen, die bei Fernabsatzgeschäften eine der Musterbelehrungen, insbesondere die Musterwiderrufsbelehrung, verwandt hatten."


Die Sätze sind die euphemistische Umschreibung dafür, dass es im Fernabsatzrecht seit Jahren lichterloh brennt und praktisch seit knapp 1,5 Jahren niemand mehr, auch nicht der versierteste Rechtsanwalt, einen rechtlich nicht angreifbaren Online-Shop ausgestalten kann.

Es haben auch nicht "einige Gerichte" die Widerrufsbelehrungen für rechtswidrig erachtet, sondern (fast) durchgehend alle angerufenen Oberlandesgerichte: KG Berlin, OLG Frankfurt a.M., OLG Hamburg, OLG Hamm, OLG Köln.

Seit langem ist es aufgrund der zersplitterten Rechtsordnung so, dass niemand mehr davon ausgehen kann, dass seine Widerrufsbelehrung annähernd rechtssicher ist.

Es ist nicht zu übersehen, dass der Entwurf einen Großteil der Kritik übernimmt und die bisherigen Fehler korrigiert. Dies ist außerordentlich erfreulich.

Aber, und das ist wirklich ein großes Aber: In dem Entwurf stecken an mehreren Stellen weiterhin absolute Wahnsinnigkeiten. So sieht er z.B. vor, dass für den Bereich des Fernabsatzrechts die Vorschriften des § 312c Abs.2 BGB iVm. § 1 BGB-InfoV und § 312e Abs.1 S.1 BGB iVm. § 3 BGB-InfoV und § 2 BGB-InfoV in einem Anhang abgedruckt werden müssen.

Die Musterwiderrufsbelehrung erweitert sich damit auf in der Praxis handliche und für den Verbraucher leicht verständliche drei bis vier Seiten Text. Hier können nur Praktiker am Werk gewesen sein, denn ein knapp vierseitiger Text, durch den man sich vor jedem Online-Kauf zu scrollen hat, beeinträchtigt nun wirklich nicht das Einkaufsvergnügen. Zu überlegen wäre, ob man hier aus Verbraucherschutz-Gesichtspunkten nicht den Unternehmer verpflichten sollte, gleich die gesammelten deutsche Rechtswerke - insb. BGB, BGB-InfoV, StGB - mit abzudrucken. Oder noch besser: Bei jeder Warenlieferung muss eine Taschenbuchausgabe der Gesetzesexemplare in Papierform beiliegen, damit der Verbraucher auch gleich seine Rechte sofort nachlesen kann.

Wie oben schon betont, enthält der Entwurf neben so mancher (neuer) Wahnsinnigkeit viele gute Ansätze und Umsetzungen. Ein entscheidender Punkt, der jedoch alle positiven Verbesserungen mit einem Schlag hinwegfegt, ist der Umstand, dass lediglich die BGB-InfoV geändert werden soll.

So schön die Änderungen sind, dies reicht nicht aus.

Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis das erste Gericht der Ansicht ist, dass die Pflichten des BGB durch die BGB-InfoV nicht ausreichend umgesetzt werden und somit auch die neuen Widerrufsbelehrungen wettbewerbswidrig und unwirksam sind. Diesem Problem lässt sich nur vermeiden, wenn die neuen Vorschläge den gleichen Normenrang haben wie das BGB selbst und nicht als bloße, gesetzessystematisch nachrangige Verordnung verabschiedet werden. Die Änderungen müssen somit ins BGB integriert werden.

Aber dies wird der Gesetzgeber sicherlich bei der nächsten Überarbeitung der fernabsatzrechtlichen Texte, also wiederum in ca. 5 Jahren, mit berücksichtigen.

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