Beantwortet ein Unternehmen eine Nachfrage per E-Mail nicht, rechtfertigt dies im Zweifel nicht die Verhängung eines Ordnungsgeldes (LG Bonn, Beschl. v. 01.08.2023 - Az.: 33 T 52/23).
Das Unternehmen meldete seinen Jahresabschluss über DATEV. Das Bundesamt für Justiz fragte daraufhin per E-Mail bei der Firma nach, ob sie die vereinfachte Hinterlegung in Anspruch nehmen würden. Es erfolgte keine Antwort.
Daraufhin verhängte das Bundesamt für Justiz ein entsprechendes Bußgeld wegen der angeblich nicht rechtzeitigen Meldung.
Das LG Bonn hob das Ordnungsgeld auf:
"Die Beschwerdeführerin hat am 25.01.2022 (und damit binnen der seit dem 22.01.2022 laufenden zweiten Nachfrist) die Bilanz zur Hinterlegung eingereicht und hierbei das entsprechende Datev-Programm verwendet, welches vom Anwender verlangt anzugeben, ob die Arbeitnehmeranzahl im Jahresdurchschnitt unter 10 lag und ob der Umsatzerlös unter 700.000,00 € lag (wie die Beschwerdeführerin durch Vorlage eines entsprechenden Ausdrucks eines Screenshots der Eingabemaske nachgewiesen hat). Die aus der eingereichten Bilanz ersichtliche Bilanzsumme betrug 411.196,52 € - und wich damit nur leicht vom Wert in Höhe von 350.000,00 € nach § 267a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB ab.
Vor diesem Hintergrund bestand für den Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers objektiv kein Anlass, bei der Beschwerdeführerin nachzufragen gemäß § 329 Abs. 2 S. 1 HGB."
Und weiter:
"Schon die relativ geringe Abweichung (nach oben) vom Grenzwert der Bilanzsumme i.H.v. 350.000,00 musste für den Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers dafür sprechen, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich eine Kleinstkapitalgesellschaft ist und nicht die beiden weiteren Kennzahlen überschritten hatte.
Aber jedenfalls musste der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers, dem die Funktionsweise des von sehr vielen Einreichern verwendeten Datev-Programms bekannt ist, davon ausgehen, dass er auf eine Nachfrage auch keine andere Antwort erhalten würde, als das, was der Einreicher bereits ins Datev-Programm auf dortige Eingabeaufforderung eingegeben hatte - nämlich dass der Umsatzerlös unter 700.000,00 € (§ 267a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB) gelegen und die Arbeitnehmeranzahl im Jahresdurchschnitt unter 10 (§ 267a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB) gelegen hatte.
Entgegen der Behauptung des Bundesamts für Justiz in der Nichtabhilfeentscheidung sind die Umsatzerlöse und die durchschnittliche Anzahl der Arbeitnehmer für den Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers damit im vorliegenden Fall durchaus ex ante erkennbar gewesen - nämlich dahingehend, dass die Grenzwerte nicht dahingehend überschritten wurden, dass keine Kleinstkapitalgesellschaft vorläge.
Dies ist zwar nicht direkt aus der eingereichten Bilanz ersichtlich - soweit richtig die Ausführungen in der Nichtabhilfeentscheidung -, aber dies ergab sich für den Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers konkludent aus der ihm bekannten Funktionsweise des Datev-Programms. In einer solchen Fallkonstellation ist das Tatbestandsmerkmal nach § 329 Abs. 2 S. 1 HGB "gibt die Prüfung Anlass zu der Annahme..." nicht erfüllt, so dass die Nachfrage rechtswidrig war und die Fiktion nach § 329 Abs. 2 S. 2 HGB nicht zu Lasten der betroffenen Gesellschaft greifen kann."
Und noch deutlicher wird das Gericht hinsichtlich einer vermeintlichen Nachfrage per E-Mail:
"Angesichts dessen, dass ohnehin sehr fragwürdig ist, dass eine Nachfrage per E-Mail (die vom Empfänger leicht übersehen wird) solche rechtlich weitreichenden Folgen haben soll (nach der Rechtsprechung des OLG Köln, vgl. OLG Köln, Beschluss vom 11.10.2016, 28 Wx 26/16, OLG Köln, Beschluss vom 30.11.2017, 28 Wx 15/17 (nicht veröffentlicht), wonach ohne nähere bzw. plausible Begründung die Nichtbeantwortung einer E-Mail eine unwiderlegbare Fiktion begründe, aufgrund derer ein Ordnungsgeld festgesetzt werden könne) ist die Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der Nachfrage gemäß § 329 Abs. 2 S. 1 HGB dementsprechend kritisch und restriktiv zu prüfen."