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Kategorie: Onlinerecht

LG Hamburg: Online-Coaching-Vertrag muss FernUSG-Zulassung haben, andernfalls rechtswidrig und Vertrag unwirksam

Ein Online-Coaching-Vertrag muss eine entsprechende Zulassung nach dem Fernunterrrichtsschutzgesetz (FernUSG) haben. Ist dies nicht der Fall, ist der geschlossene Vertrag unwirksam und der Dienstleister hat keinen Vergütungsanspruch (LG Hamburg, Urt. v. 19.07.2023 - Az.: 304 O 277/22).

Die Klägerin bot online Lehrgänge an, mit denen die Teilnehmer erfolgreich im Internet mit Print on demand sein sollten. U.a. hieß es

"Möchtest du M(...) die Masterclass bewusst als Unternehmer zum Aufbau deines online Shops und Gewerbes neben deinem Angestellten Job kaufen?"

Der wesentliche Vertragsinhalt des sechsmonatigen Programms bestand aus dem Zugang zu einem Videokursbereich mit 235 Schulungsvideos mit etwa 40 Stunden Videomaterial. Zudem gab alle drei Wochen ein Zoom-Meeting á 2 Stunden.

Das Online-Coaching kostete insgesamt rund 6.400,- EUR.

Der Beklagte schloss einen entsprechenden Vertrag ab, widerrief aber den Kontrakt einige Zeit später.

Die Klägerin verlangte die Bezahlung, der Beklagte weigerte sich.

Zu Recht, wie nun das LG Hamburg entschied.

Denn der geschlossene Vertrag sei nichtig, weil er nicht über die nach dem FernUSG notwendige Zulassung verfüge:

"Bei dem von der Klägerin angebotenen Coaching handelt es sich - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin - um Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG. (...)

Bei der Auslegung des Gesetzes und der Qualifikation des streitgegenständlichen Lehrgangs war die Intention des Gesetzgebers beim Erlass des FernUSG zu berücksichtigen. Dieser wollte wegen eines gestiegenen Interesses an Fernlehrgängen den Verbraucherschutz in diesem Bereich stärken. Insbesondere waren Mängel beim Angebot von Fernlehrgängen dergestalt festgestellt worden, dass Angebote von geringer methodischer und fachlicher Qualität angeboten wurden, die nicht geeignet waren, das in der Werbung genannte Lehrgangsziel zu erreichen (...)

Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 FernUSG waren erfüllt. Schließlich sah das gesamte „Kurskonzept“ der Klägerin vor, dass der Lehrende und er Lernende räumlich getrennt sind, da das Coaching ausschließlich Online – mittels Video-Coaching und Lernvideos – stattfinden sollte.

Dem steht insbesondere die Rechtsmeinung der Beklagten entgegen, dass die Coachingmodule - die einen deutlichen Schwerpunkt des „Kurskonzepts“ ausmachen, trotz der Videoübertragung keinen Fall der räumlichen Trennung darstellen.

Zwar sieht die Kammer, dass Teile der (spärlichen) Literatur und Rechtsprechung zum FernUSG die Teilnahme mittels Videokonferenz nicht als Fall einer räumlichen Trennung i.S.d. § 1 FernUSG ansehen, da es auf den direkten Kontakt zwischen Lehrendem und Lernendem bei der Wissensvermittlung ankomme (vgl. VG München, Urt. v. 14.0 September 1988 - M 6 K 86.7044 - NVwZ-RR 1989, 473; Nomos-BR/Vennemann FernUSG/Michael Vennemann, 2. Aufl. 2014, FernUSG § 1 Rn. 10).

Hiergegen spricht jedoch bereits der Wortlaut des § 1 FernUSG, welcher einzig und allein auf eine räumliche Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden abstellt. Auch das OLG Köln geht in einer Entscheidung in einer Bußgeldsache dann von einer räumlichen Trennung aus, wenn weniger als die Hälfte des Lehrgangsstoffes im herkömmlichen Nah- oder Direktunterricht vermittelt würde (OLG Köln, Beschl. v. 24. November 2006 - 81 Ss-OWi 71/06 - 210 B Rn. 10)."

Unerheblich sei auch, ob der Vertragspartner als Verbraucher oder Unternehmer gehandelt habe:

"Entgegen de Auffassung der Klägerin kommt es für die Anwendbarkeit des FernUSG zudem weder darauf an, ob der Beklagte bei Vertragsschluss als Verbraucher oder Unternehmer gehandelt hat, noch darauf, ob er sich durch seine Aussagen als Unternehmerin gerierte (vgl. OLG Celle 3. Zivilsenat, Urteil vom 01. März 2023 - 3 U 85/22 - noch nicht rechtskräftig).

Der Wortlaut des FernUSG macht seine Anwendbarkeit nämlich an keiner Stelle von der Verbrauchereigenschaft des Lernenden abhängig.

Soweit die Klägerin behauptet, dem Beklagten sei der Schutz durch das FernUSG zu verwehren, da das Gesetz dem Verbraucherschutz diene und der Beklagte sich an dem Rechtsschein halten lassen müsse, den er durch seine Aussage vor dem Vertragsschluss am 21. März 2022 gesetzt habe, verkennt die Klägerin, dass die Rechtsfolge des § 7 Abs. 1 FernUSG, die Nichtigkeit des Vertrages, ohne Geltendmachung eines Gestaltungsrecht durch die Beklagte kraft Gesetzes eintritt. Die Rechtsfolge steht nicht zur Disposition der Parteien; es fehlt damit der Anknüpfungspunkt für den Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens."

Ein Vertrag, der ohne eine entsprechende FernUSG-Zulassung geschlossen werde, sei nichtig. Aus ihm könnten keine Rechte hergeleitet werden:

"Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch aus dem „Coaching“ Vertrag zu, da dieser Vertrag gem. § 7Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 FernUSG nichtig ist."

Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Sollte sich die Rechtsansicht des LG Hamburg durchsetzen, dürfte dies zu erheblichen Veränderungen im Bereich des Online-Coachings führen. Dies dürfte dann insbesondere den Finanz-Bereich treffen, wo in den letzten Jahren zahlreiche Finanz-Influencer ihre entgeltpflichtigen Coaching-Kurse anbieten. Ein Großteil der Anbieter verfügt nämlich über keine FernUSG-Zulassung.

Auf der Webseite der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht gibt es die Möglichkeit der Suche, ob ein Kurs zugelassen wurde.

Update 21.02.2024: Die Entscheidung wurde in der Berufungsinstanz vom OLG Hamburg aufgehoben, vgl. unsere Kanzlei-News v. 21.02.2024.

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