Veräußert ein Online-Shop eine Armbanduhr (hier: Rolex) an einen Kunden, so ist der Kaufvertrag grundsätzlich wirksam. Unerheblich davon, ob der Unternehmer zwischenzeitlich selbst Probleme bei der Beschaffung der Ware hatte (LG Köln, Urt. v. 30.11.2021 - Az.: 5 O 140/21).
Der Kläger erwarb bei dem verklagten Online-Shop eine Rolex zu einem Preis von rund 16.000,- EUR. Das Unternehmen konnte die Ware nach eigenen Angaben jedoch nicht beschaffen und widerrief den Vertrag unter Hinweis auf seine AGB:
"2.2.2 C behält sich zudem das Recht vor, vom Vertrag zurückzutreten, wenn die Ware ohne schuldhaftes Zutun von C von einem sorgfältig ausgewählten und zuverlässigen Zulieferer nicht vorrätig ist (Vorbehalt der Selbstbelieferung).
In einem solchen Fall verpflichtet sich C dazu, den Kunden unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit der Ware zu informieren und ggf. geleistete Zahlungen unverzüglich zurückzuerstatten."
Am gleichen Tag, an dem der Verkäufer den Kaufvertrag stornierte, bot er die Ware auf seiner Webseite zu einem erhöhten Preis von ca. 22.000,- EUR an.
Der Kläger erwarb dieses Produkt und bezahlte. Danach forderte er von dem Verkäufer die Differenz iHv. 6.000,- EUR (= 22.000,- EUR - 16.000,- EUR) als Schadensersatz.
Der Online-Shop lehnte ab.
Das LG Köln entschied, dass grundsätzlich ein rechtlich wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sei, der den Verkäufer auch binde.
Denn die AGB-Klausel greife nicht:
"Die Beklagte war nicht aufgrund der Rücktrittserklärung vom 22.09.2020 gemäß § 346 Abs. 1 BGB von der Leistung befreit. Mangels Rücktrittsrechts der Beklagten ist die Rücktrittserklärung unwirksam.
Die Beklagte kann sich nicht auf Ziffer 2.2.2 Ihrer AGB berufen. Ob diese Klausel wirksam ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls war die Ware nicht "nicht vorrätig". Am Tag der Rücktrittserklärung, dem 22.09.2020, bot die Beklagte eine A auf ihrer Website an, wenn auch zu einem höheren Preis. Sowohl die Corona-Situation als auch der Umstand, dass die Uhr angeblich nicht mehr herstellt wurde, waren tatsächlich letztlich ohne Belang.
Dass die Uhr unter Umständen für die Beklagte teurer zu beschaffen war, ist unerheblich, da die Klausel darauf nicht abstellt - allein die mangelnde Vorrätigkeit ist Rücktrittsgrund. Etwaige Zweifel bei der Auslegung der Klausel gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders."
Auch sonst seien keine Umstände erkennbar, die zu einem Wegfall des Vertrages führen könnten:
"Zudem kommt ein Rücktritt nach § 313 Abs. 3 BGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht. Ein vereinbarter Festpreis bleibt auch bei unerwarteten Kostenerhöhungen grundsätzlich bindend (...).
Es liegt auch kein Ausnahmefall vor. Ein solcher ist nur dann anzunehmen, wenn sich Umstände außerhalb des Einfluss- und Risikobereichs des Schuldners verändern (...).
Die Beschaffung der Ware ist jedoch das alleinige Risiko der Beklagten. Im Übrigen hätte sie durch entsprechende Maßnahmen vor Vertragsschluss sicherstellen können, dass ihr die Uhr tatsächlich zu einem für sie profitablen Preis geliefert wird, insbesondere durch eine entsprechende Reservierung, damit nicht - wie hier behauptet - ein anderer Kunde die Uhr zwischenzeitlich erwirbt."
Der Kläger könne jedoch nicht die gesamten 6.000,- EUR als Schadensersatz verlangen, sondern nur einen Betrag von ca. 2.800,- EUR.
Denn das betreffende Modell hätte bei einem anderen Verkäufer deutlich billiger erwerben werden können:
"Der Kläger hat außerdem gegen die ihn (...) treffende Schadensminderungspflicht verstoßen. Dies ist dann der Fall, wenn der Geschädigte die Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergreifen würde (...)
Dem Kläger hätte es aber oblegen, von mehreren möglichen Deckungsgeschäften bei Vergleichbarkeit der Angebote und Gleichwertigkeit der Uhren das günstigste zu wählen. Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat diesbezüglich vier günstigere Alternativangebote aufgelistet.
Dass und warum er sich hierauf nicht verweisen lassen muss, hat der Kläger nicht substantiiert dargetan. Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 13.07.2021, dem die Angebote nicht beigefügt waren, hat der Kläger lediglich allgemein erwidert, welche Voraussetzungen für eine Vergleichbarkeit seiner Ansicht nach erfüllt sein müssten. Nachdem die Beklagte die entsprechenden Anlagen nachgereicht hatte, ist keine weitere Stellungnahme seitens des Klägers mehr erfolgt. Dem Anlagenkonvolut B 2 lässt sich indes entnehmen, dass die Uhren überwiegend von deutschen Händlern und mit Echtheitsgarantie sowie Originalpapieren angeboten wurden. Das gilt insbesondere für das Angebot zum Preis von 18.750,-- €, welches der Kläger folglich aus Schadensminderungsgesichtspunkten hätte annehmen müssen.
Sein Anspruch beläuft sich damit lediglich auf 18.750,-- € ./. 15.990,-- € = 2.760,-- €."