Nach Ansicht des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Maciej Szpunar besteht eine Opt-In-Pflicht für die Einholung einer Cookie-Zustimmung beim Besuch einer Webseite (Schlussantrag v. 21.03.2019 - Az.: C-637/17).
Ganz wichtig anzumerken ist: Es handelt sich dabei noch nicht um die gerichtliche Entscheidung des EuGH, sondern "nur" um einen Vorschlag für ein späteres Urteil. Den Schlussanträgen kommt jedoch in der Praxis eine wichtige Bedeutung zu, da der EuGH bei seiner späteren Entscheidung dieser Empfehlung häufig folgt. Ob dies auch im vorliegenden Sachverhalt der Fall sein wird, ist unklar.
Das Verfahren basiert auf einem deutschen Rechtsstreit. Siehe ausführlich dazu unsere News v. 30.11.2017.
Ein deutscher Gewinnspielanbieter verwendete nachfolgende vorselektierte Klausel:
Klausel:
[X] Ich bin einverstanden, dass der Webanalysedienst R(...) bei mir eingesetzt wird. Das hat zur Folge, dass der Gewinnspielveranstalter (...) nach Registrierung für das Gewinnspiel Cookies setzt, welches P(...) eine Auswertung meines Surf- und Nutzungsverhaltens auf Websites von Werbepartnern und damit interessengerichtete Werbung durch R(...) ermöglicht. (...)."
Die Instanzgerichte verneinten eine Rechtsverletzung, da das Gesetz bei Datenschutzangelegenheiten - anders als bei der Zusendung von Werbenachrichten - kein Opt-In verlange. Auch sei die Klausel hinreichend bestimmt und transparent.
Der Rechtsstreit kam schließlich zum BGH, der dem EuGH mehrere Fragen vorlegte:
Frage 1:
Reicht es in diesem Zusammenhang für eine wirksame Einwilligung aus, dass die Checkbox vorselektiert ist und der User aktiv die Zustimmung abwählen muss, wenn er diese nicht will?Frage 2:
Macht es einen Unterschied, ob es sich bei den gespeicherten oder abgerufenen Informationen um personenbezogene Daten handelt?Frage 3:
Liegt nach der im Mai 2018 in Kraft tretenden Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ebenfalls eine wirksame Einwilligung vor?Frage 4:
Welche inhaltlichen Angaben muss das Unternehmer zur Cookie-Nutzung angeben? Zählen hierzu auch die Funktionsdauer der Cookies und die Frage, ob Dritte auf die Cookies Zugriff haben?
Diese Fragen hat der Generalanwalt nun in seinem Schlussantrag wie folgt beantwortet:
Antwort zu 1:
"In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät des Nutzers gespeichert sind, durch ein voreingestelltes Ankreuzkästchen erlaubt wird, das der Nutzer zur Verweigerung seiner Einwilligung abwählen muss, und in der die Einwilligung nicht gesondert gegeben wird, sondern gleichzeitig mit der Bestätigung der Teilnahme an einem Online-Gewinnspiel, liegt keine wirksame Einwilligung im Sinne der Art. 5 Abs. 3 und 2 Buchst. f der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) in Verbindung mit Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr vor."Antwort zu 2:
"Bei der Anwendung der Art. 5 Abs. 3 und 2 Buchst. f der Richtlinie 2002/58 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46 macht es keinen Unterschied, ob es sich bei den gespeicherten oder abgerufenen Informationen um personenbezogene Daten handelt."Antwort zu 3:
"Das Gleiche gilt für die Auslegung der Art. 5 Abs. 3 und 2 Buchst. f der Richtlinie 2002/58 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46 (Datenschutz-Grundverordnung)."Antwort zu 4:
"Zu den klaren und umfassenden Informationen, die ein Nutzer nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58 von einem Diensteanbieter erhalten muss, zählen die Funktionsdauer der Cookies und die Frage, ob Dritte auf die Cookies Zugriff erhalten oder nicht."
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Sollte dieser Rechtsansicht auch der EuGH folgen, würde dies eine grundlegende Änderung der derzeit praktizierten Cookie-Einwilligung in Deutschland bedeuten.
Dann wäre nämlich der Einsatz von Cookies nur noch dann erlaubt, wenn der User zuvor seine ausdrückliche Zustimmung erteilt hat. Dies würde aber eine aktive Zustimmung voraussetzen, d.h. eine vorselektierte Checkbox wäre nicht ausreichend.
Eine Einwilligung in Cookies würde aber - wie jede Einwilligung - verlangen, dass der Nutzer transparent und nachvollziehbar über Art und Umfang der Datenverarbeitung, auch bzgl. des Einsatzes von Drittanbieter-Tools, informieren müsste. Da die Rechtsprechung an die Wirksamkeit solcher Einwilligungen in der Praxis kaum erfüllbare Voraussetzungen verlangt, würde dies im Ergebnis über kurz oder lang zum Ende nahezu aller webseitenübergreifenden Vermarktungsformen (insb. im Bereich Retargeting) führen. Diese Problematik wird seit längerem auch bereits im Rahmen der noch nicht verabschiedeten E-Privacy-Verordnung kontrovers diskutiert.
Die bisherigen Regelungen des Telemediengesetz (TMG) wären damit nicht mehr ausreichend und somit nicht anwendbar. Die Datenschutzkonferenz (DSK) hatte bereits im April 2018 die Rechtsansicht geäußert, dass mit Inkrafttreten der DSGVO die Vorschriften des TMG nicht mehr anwendbar seien, war damals aber auf breiter Front für diesen Standpunkt kritisiert worden, vgl. unsere Kanzlei-News v. 30.04.2018.
Kurz gesagt: Sollte der EuGH auf diese Weise entscheiden, müsste praktisch jede Webseite vor Setzen eines Cookies (mit personenbezogenen Daten) ein Pop-up vorschalten, mit dem er aktiv eine Einwilligung einholt. Die derzeit schon auf vielen Webseiten praktizierten Pop-ups würden jedoch in keiner Weise ausreichen, denn diese erfüllen noch nicht einmal ansatzweise die strengen Voraussetzungen der deutschen Rechtsprechung an die Wirksamkeit einer Einwilligung.