Die Grundsätze der presserechtlichen Verdachtsberichterstattung (hier: Vorherige Anhörung der Betroffenen) sind auf ein privates Blog nicht übertragbar (LG Schweinfurt, Urt. v. 26.07.2023 - Az.: 11 O 458/22).
Die Klägerin wehrte sich gegen eine Berichterstattung auf dem Blog des Beklagten. Der Beklagte war medienrechtlicher Verantwortlicher der Internetseite buergerplattform-schweinfurt.de, auf der über die berufliche Umstände der Klägerin, u.a. staatsanwaltliche Ermittlungen, ein Artikel erschien.
Die Klägerin machte geltend, dass der Beklagte nach den Grundsätzen der presserechtlichen Verdachtsberichterstattung verpflichtet gewesen sei, bei ihr vorab eine Stellungnahme einzuholen. Da dies unterlassen worden sei, sei die Darstellung rechtswidrig.
Dem folgte das LG Schweinfurt nicht und wies die Klage ab.
Bei einem privaten Blog würden diese für die Presse entwickelten Prinzipien nicht zur Anwendung kommen:
"Der Bundesgerichtshof macht in seiner Entscheidung durchgehend deutlich, dass die von ihm aufgestellten Anforderungen nur für die Presse bzw. Medien gelten sollen (BGH a.a.O. Rn. 18: „Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute.“; Rn. 28: „… pressemäßige Sorgfalt und Wahrheitspflicht …“). (...)
Eine Gesamtwürdigung führt zu dem Ergebnis, dass die Internetseite, für die der Beklagte medienrechtlich verantwortlich wer, nicht zu den Telemedien mit journalistisch-redaktionell Inhalten gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 MStV, für die besondere Rechte und Pflichten gemäß §§ 19 ff MStV gelten, zählte und der Beklagte hinsichtlich der streitgegenständlichen Veröffentlichung auch nicht dem allgemeinen sog. formellen Pressebegriff unterfiel."
Und weiter:
"Die Internetseite, für die der Beklagte medienrechtlich verantwortlich war, zählte nicht zu den Telemedien mit journalistisch-redaktionell Inhalten gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 MStV, für die besondere Rechte und Pflichten gemäß §§ 19 ff MStV gelten.
Kennzeichnende Merkmale journalistisch-redaktionell gestalteter Angebote sind eine gewisse Selektivität und Strukturierung, das Treffen einer Auswahl nach ihrer angenommenen gesellschaftlichen Relevanz mit dem Ziel des Anbieters, zur öffentlicher Kommunikation beizutragen, die Ausrichtung an Tatsachen (sog. Faktizität), ein hohes Maß an Aktualität, nicht notwendig Periodizität, ein hoher Grad an Professionalisierung der Arbeitsweise und ein gewisser Grad an organisierter Verfestigung, der eine gewisse Kontinuität gewährleistet (OLG Bremen, Urteil vom 14.01.2011 – 2 U 115/10 noch zu § 56 RStV).
Bei der Würdigung der Internetseite, für die der Beklagte medienrechtlich verantwortlich ist, nach diesen Maßstäben ist zunächst hervorzuheben, dass auf den Zeitraum der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Eintrags abzustellen ist, da sich eine Obliegenheit des Beklagten, vor der Veröffentlichung eine Stellungnahme der Klägerin einzuholen, nur dann ergeben kann, wenn für den Beklagten bzw. die Internetseite, für die der Beklagte medienrechtlich verantwortlich war, schon die aufgezeigten strengeren Vorgaben des Bundesgerichtshofs für Medien bzw. die Presse galten.
Für ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot käme (...) nur der als Blog bezeichnete Teil (...) der Internetseite (...) in Betracht. (...) Es ist insbesondere kein hoher Grad an Professionalisierung der Arbeitsweise erkennbar.Vielmehr wurden in diesem Zeitraum eher zufällig wirkende Einträge eingestellt, die nicht den Eindruck eines hohen Grades an Professionalisierung der Arbeitsweise erwecken, wie dies bei einem journalistisch-redaktionell gestalteten Angebot zu erwarten wäre, sondern die sich als Berichte über die eigene Tätigkeit der Bürgerplattform insbesondere aus Sicht des Beklagten darstellen. Den Einträgen fehlt für den Leser klar erkennbar auch nur der Anschein von Objektivität, vielmehr wird durchgehend deutlich, dass diese aus Perspektive der Bürgerplattform und/oder des Beklagten verfasst sind, auch wenn vom Beklagten in der 3. Person gesprochen wird.
Angesichts der geringen Frequenz der Einträge und des Umstandes, dass nicht unbedingt nachvollziehbar erscheint, welche Umstände berichtenswert erscheinen und welche nicht, fehlt es aus Sicht eines Lesers auch an einem gewissen Grad an organisierter Verfestigung, der eine gewisse Kontinuität gewährleisten würde."
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