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Kategorie: Onlinerecht

LG Heilbronn: Ausländisches Online-Casino, das Vertrag übernommen hat, muss Spieler aus Deutschland Alt-Verluste zurückerstatten

Ein ausländisches Online-Casino, das den Kunden-Vertrag übernommen hat, muss einem Spieler aus Deutschland auch seine Alt-Verluste zurückerstatten (LG Heilbronn, Urt. v. 10.02.2023 - We 6 O 345/21).

Die Klägerin hatte knapp 7.000,- EUR Einsätze bei einem Online-Casino aus dem Ausland, das keine inländische Genehmigung hatte, verspielt. Dann wechselte die Betreibergesellschaft. Die Beklagte übernahm die Domain, die Lizenz und die Kundendaten. Von diesem neuen Inhaber forderte die Kundin nun ihre verlorenen Einsätze zurück.

Zu Recht, wie das LG Heilbronn urteilte.

Der geschlossene Spiel-Vertrag sei wegen Verstoß gegen den GlüStV nichtig:

"Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 war im fraglichen Zeitraum wirksam und auch materiell mit dem Unionsrecht vereinbar, insbesondere stellte sie keine inkohärente Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gem. Art. 56 AEUV dar (...).

Der Nichtigkeit gemäß § 134 BGB steht auch nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV nur an die Beklagte, nicht jedoch an den Kläger richtet. Betrifft das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner, so hat dies im Regelfall nicht die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge; anderes gilt aber, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht vereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen, und hieraus die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gefolgert werden muss (...).

So liegt der Fall indes hier; denn es liefe dem Sinn und Zweck, insbesondere der Bekämpfung der Spielsucht und dem Jugendschutz, zuwider, geschlossene Verträge über Online-Glücksspiele trotz des Verbots als wirksam anzusehen (...)."

Zudem hafte die Beklagte auch für die Alt-Verluste des Spielers, da sie passiv-legitimiert sei. Sie habe den alten Spielvertrag übernommen:

"Die Beklagte ist passivlegitimiert.

Die Beklagte hat hinsichtlich des streitgegenständlichen Spieleraccounts, registriert unter der E-Mail-Adresse (...) auf der website (...) das Vertragsverhältnis übernommen. Die Beklagte ist hinsichtlich dieses Spieleraccounts auf der website (...) Rechtsnachfolgerin der (...) Limited.

Rechtlich anzuknüpfen ist nicht an die einzeln durchgeführten Spiele, sondern an den Spieleraccount, welcher insoweit einen Rahmenvertrag darstellt unter dem die einzelnen Spiele erfolgen und abgewickelt werden. Die einzelnen Spiele finden stets unter dem Regelungsregime des Rahmenvertrages statt und sind einem Spieleraccount untrennbar zugewiesen, sodass sich eine singuläre Betrachtung der einzelnen Spiele verbietet.

Werden einzelne Spiele gespielt, werden nach dem objektiv gemäß §§ 133, 157 BGB zu bestimmenden Parteiwillen nicht jedes Mal neue und eigenständige vertragliche Regelungen begründet. Vielmehr erfolgt durch das Betätigen einzelner Spiele lediglich die Durchführung des Regelungsregimes des Rahmenvertrages, wie er der Eröffnung des Spieleraccounts zugrunde liegt. Eine andere Interessenslage der Parteien ist schlechterdings objektiv nicht vorstellbar, da gerade das Erfordernis eines Spieleraccounts der Identifikation des Kunden dient und die effektive Abwicklung von Massenverkehr bei Online-Dienstleistungen erst ermöglicht.

Es kann aber dahinstehen, ob in den einzeln durchgeführten Spielen je ein Einzelvertragsschluss zu sehen ist oder nicht, denn jedenfalls wären diese Einzelverträge niemals losgelöst vom zugrundeliegenden Rahmenvertrag, mit dem der Spieleraccount begründet wird und die Nutzungsbedingungen vereinbart werden, zu verstehen. Der den Spieleraccount begründende Rahmenvertrag ist daher der Stamm, dem die einzelnen Äste sodann entspringen. Der Spieleraccount ist wirtschaftlich wie ein „Lager“ zu verstehen, in dem die einzelnen Spiele und die sich daraus ergebenden Folgen „lagern“. Denn ohne Spieleraccount wären die einzelnen Spiele nicht effektiv abzuwickeln."

Und weiter:

"Diesen, den Spieleraccount schaffenden, Rahmenvertrag hat die Beklagte im Wege der Vertragsübernahme übernommen und damit gleichsam die Rechtsstellung der (...) Limited. Die Beklagte ist daher Rechtsnachfolgerin der (...) Limited in diesen Rahmenvertrag bzw. Spieleraccount. Da auf den Vertrag nach Art. 6 Abs. 1 lit b) Rom-I-VO deutsches Recht Anwendung findet, richtet sich das Statut für die Vertragsübernahme ebenfalls nach deutschem Recht.

Demnach kann die Vertragsübernahme entweder durch einen dreiseitigen Übernahmevertrag oder durch einen zweiseitigen Übernahmevertrag zwischen ausscheidendem (...) und neuem Vertragspartner (...) mit Zustimmung des verbleibenden Vertragspartners (...) geschehen (..). Stets ist die verbleibende Vertragspartei an der Vertragsübernahme zu beteiligen (vgl. Rechtsgedanke §§ 414, 415 BGB).

Dies zugrunde gelegt liegt eine Vertragsübernahme hinsichtlich des Rahmenvertrages betreffend den Spieleraccounts durch die Beklagte vor, sodass sie für die getätigten Spiele und deren Folgen von vor dem2020 rechtlich einzustehen hat. Das Gericht ist nach § 286 ZPO von einer Vertragsübernahme überzeugt und nicht von einem neuen Vertragsschluss mit der Beklagten.

Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 28.10.2022 (...) wörtlich ausgeführt, dass der Spieleraccount einerseits fortgeführt worden sei. Anderseits überzeugt ihre Argumentation nicht, es sei hierbei mit der Beklagten ein neuer Vertrag abgeschlossen worden. Das Verhalten der Beklagten im Dreiecksverhältnis (,..) Limited, Beklagte und Klägerin kann nicht in diese Richtung ausgelegt werden. Die Beklagte hat unstreitig das Online-Glückspielangebot auf der website (...) von Malta aus fortgeführt.

Die Beklagte hat unstreitig die Spiele mit der Klägerin über den auf die E-Mail-Adresse.(...) registrierten Spieleraccount abgewickelt. Die Beklagte hat auch die bisherige Lizenz der (...) Limited übernommen (...). Die Beklagte war ausweislich der von ihr erstellen und erteilten Datenauskunft (...) über Spieleinsätze aus der Zeit von vor dem 2020 informiert. Ausweislich eben dieser Datenauskunft wurden Zahlungen auch nach dem 14.05.2020 immer noch auf „username: (...)“ verbucht. (...)

(...) Jedenfalls durch das unstreitige Fortsetzen der Spieleraktivität und Weiternutzung ihres Spieleraccounts hat die Klägerin zumindest konkludent ihre Zustimmung zur Vertragsübernahme durch die Beklagte erteilt. Ein objektiver Dritter in der Person der Klägerin durfte das Verhalten der Beklagten so verstehen, dass hierin keine Neubegründung eines Vertrages zu sehen ist.

Für die Klägerin als Verbraucherin gab es keine Veranlassung von einem neuen Vertragsschluss auszugehen. Für die Klägerin hat sich die äußere Sachlage nicht geändert. Sie hat weiter auf der Plattform (...) unter ihrem unveränderten Account (...) gespielt. Hinweise darauf, dass ein gänzlich neuer Vertrag geschlossen werden sollte, hatte die Klägerin nicht. Auch die Beklagte durfte das Verhalten der Klägerin in Form der Weiternutzung nicht so verstehen, dass die Klägerin einen gänzlich neuen Vertragsschluss beabsichtigt, wenn die Beklagte den gesamten Spieleraccount und die Abwicklungsmodalitäten unverändert lässt."

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