Greifen Dritte umfangreich öffentlich zugängliche Daten von Facebook (sog. Scraping), so hat ein betroffener User gegen Facebook keinen Anspruch auf DSGVO-Schadensersatz, wenn diese Ansprüche massenhaft und ohne wirkliche Darlegung geltend gemacht werden (LG Offenburg, Urt. v. 28.02.2023 - Az.: 2 O 98/23).
Der Kläger war User bei der Online-Plattform Facebook und verlangte wegen Datenschutzverstößen eine Geldentschädigung. Es ging dabei um die öffentlich zugänglich Daten des Klägers, die Dritte von den Facebook-Seiten abgreifen und konzentriert sammeln konnten (sog. Scraping).
Das LG Offenburg wies die Klage ab, da es bereits an einem Schaden fehle. Der Kläger habe nicht ausreichend darlegen können, dass er durch den Vorfall überhaupt tatsächlich beunruhigt worden sei. Dies gelte insbesondere deswegen, weil die klägerischen Ausführungen in zahlreichen Parallelverfahren so massenhaft vorgetragen worden seien:
"Auch und gerade unter Berücksichtigung eines weiten Verständnisses des immateriellen Schadens, das ausdrücklich auch Bagatellschäden einschließt, kann das Gericht nicht erkennen (§ 287 Abs. 1 ZPO), dass der Kläger einen solchen Schaden tatsächlich erlitten hat.
Die in den Schriftsätzen beschriebenen formelhaften Ängste und Sorgen, das Unwohlsein, die aufgewendete Zeit und der Stress haben sich in der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung nicht gezeigt. Sie sind Teil einer Klageschrift und Replik, die mit dem gleichen Inhalt in einer Vielzahl von Verfahren rechtshängig wurden. Schon deswegen war der persönliche Eindruck des erkennenden Gerichts vom Kläger in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung entscheidend. In dieser hat der Kläger zunächst geschildert, er habe sich spätestens im Jahr 2001 auf Facebook angemeldet. Sein Facebook-Konto bestehe bis heute noch, wobei er dieses noch lediglich sporadisch nutze.
Es ist festzuhalten, dass alle Daten – bis auf die Handynummer – aus dem öffentlichen Profil des Klägers „abgelesen“ wurden, die der Kläger bereitwillig dort selbst eingetragen hat. Ein Identitätsdiebstahl hat insoweit nicht stattgefunden. Soweit diese Daten öffentlich waren, standen sie bereits bei ihrer Eingabe nicht mehr unter der ausschließlichen klägerischen Kontrolle. Das Gefühl eines Kontrollverlustes kann sich daraus gerade nicht nachvollziehbar ergeben."
Und weiter:
"Das Gericht konnte nicht erkennen, dass der Kläger sich tatsächlich „beobachtet“ gefühlt habe. Er wirkte nicht hilflos oder sah sich zu einem reinen Objekt der Datenverarbeitung degradiert.
Das Gericht hält schriftsätzlich behauptete Sorgen und Ängste des Klägers nicht für glaubhaft. Der Kläger war bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung auf Facebook angemeldet. Erkennbare Konsequenzen hat er nicht gezogen. So kann mit den Angaben des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung eine Verhaltensänderung des Klägers bezüglich der Nutzung von Internet, E-Mail oder SMS im Hinblick auf seine Betroffenheit von dem Scraping-Vorfall gerade nicht festgestellt werden.
Im Hinblick auf die schriftsätzlichen Behauptungen ist ein solches Verhalten aber nicht plausibel.
Der Kläger hat, und das ist mitentscheidend, entsprechende Suchbarkeitseinstellungen bezüglich seiner Handynummer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung überhaupt nicht geändert oder aber seine Handynummer aus den Nutzereinstellungen entfernt.
So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung bekundet, er habe nach Kenntnis der Betroffenheit von dem Scraping-Vorfall sich die „Nutzereinstellungen“ seines Facebook-Kontos angesehen. Die Einstellung bezüglich der Handynummer sei so gewesen, dass eine Sichtbarkeit nur für ihn gegeben sei. Dies bezieht sich auf die Profileinstellungen.
Eine Änderung der Einstellungen habe der Kläger nicht vorgenommen. Damit wurde auch eine Änderung der Suchbarkeitseinstellungen nicht vorgenommen. Selbst wenn dem Kläger vor Klageeinreichung – wie behauptet – die Einstellungsmöglichkeiten auf Facebook nicht intuitiv und nachvollziehbar vorgekommen sein sollten, hätte er die verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten nunmehr mittels Klageerwiderung und eigener Replik nachvollziehen können müssen. Schließlich hat er die unterschiedlichen Suchbarkeitseinstellungen selbst vortragen lassen."
Und schließlich:
"Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger überhaupt irgendwelche Komfort- und Zeiteinbußen im Zusammenhang mit dem Scraping-Vorfall erlitten hat. Anders als schriftsätzlich vorgetragen, musste sich der Kläger gerade nicht mit der Beklagten selbst auseinandersetzen. Er musste insbesondere nicht selbst um Auskunft bitten oder weitere Nachforschungen bezüglich des Scraping-Vorfalls anstellen und hat dies auch nicht getan. Er musste auch nicht den Sachverhalt ermitteln. Er hat geschildert, dass ihn der Scraping-Vorfall, nachdem er aus den Medien von ihm erfahren habe, zunächst nicht näher interessiert habe.
Zu einem späteren Zeitpunkt sei er auf die Internetseite der Kanzlei seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten aufmerksam geworden und habe ein auf der Internetseite angebotenes Abfrageformular genutzt, um zu überprüfen, ob die eigene Handynummer betroffen sei. Dies sei der Fall gewesen.
Sodann habe er den Auftrag zur Klageerhebung entweder online oder telefonisch erteilt. Die weitere Kommunikation mit seinen Prozessbevollmächtigten sei per E-Mail erfolgt. Er sei seitens seiner Prozessbevollmächtigten über den Sachstand informiert worden; ein- oder zweimal habe er von sich aus nach dem Bearbeitungsstand gefragt. Am Vortag der mündlichen Verhandlung habe er ein Telefonat mit seinen Prozessbevollmächtigten geführt.
Nach alledem kann das Gericht einen für den Kläger konkret entstandenen immateriellen Schaden nicht erkennen (§ 287 Abs. 1 ZPO)."