Es gibt ein weiteres in Sachen SPAM.
Das OLG Koblenz (10. Juni 2003 - Az.: 1 W 342/03) hat es abgelehnt, dass der Empfänger einer unerbetenen, massenhaft versandten E-Mail im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Versender vorgehen darf. Den Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde abgelehnt.
Der Empfänger hatte ursprünglich seinen Antrag auf einstweilige Verfügung vor dem LG Mainz gestellt, dort lehnten die Richter aber ab: Man könne den unerwünschten Newsletter ja ohne weiteres abbestellen, ein Verfügungsgrund sei daher nicht ersichtlich. Ähnlich hatte schon Anfang diesen Jahres das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 26. März 2003 - Az.: I-15 W 25/03) argumentiert:
“Der Senat verkennt nicht, dass die bloß vereinzelte Zusendung solcher Nachrichten belästigend sein mag. Indes stellt sie keine so gravierende Beeinträchtigung dar (durch einen „Klick“ mit der linken Maustaste auf Löschen lässt sich ebensoschnell wieder beseitigen), dass sie zur effektiven Durchsetzung der Rechte des Antragstellers von Eilrechtsschutz erforderlich machen würde.”
Der Empfänger legte daraufhin Beschwerde beim OLG Koblenz ein. Aber auch dort wurde ihm nicht recht gegeben: Eine Wiederholungsgefahr liege nicht vor, denn nach der Abmahnung habe der Versender keine weiteren Spam-Mail mehr an den Empfänger versandt.
Normalerweise bedarf es zum Ausschluß einer Wiederholungsgefahr der Abgabe einer Unterlassungserklärung, aber selbst diese sah das OLG Koblenz - entgegen der ständigen Rechtsprechung in Wettbewerbssachen - als nicht erforderlich an. Z.T. stellten die Richter auch auf den besonderen Umstand ab, dass es sich bei dem Versender um eine politische Gruppierung handelte.
Anmerkung:
Auch wenn einige Spammer dies zukünftig behaupten werden: Dieses Urteil ändert rein gar nichts an der Situation, dass SPAM rechtswidrig ist: Das Zusenden von unverlangter Werbung verstößt nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung gegen § 1 UWG bzw. § 823 BGB und kann kostenpflichtig abgemahnt werden.
Nach Ansicht des LG München I (Az.: 33 O 5791/03; Urt. v. 05.11.2002 - Az.: 33 O 17030/02) soll sogar derjenige als Mitstörer haften, der dem Spammer bestimmte Versendefunktionen (E-Cards, Newsletter) zur Verfügung stellt. Auch Werbe-SMS sind nach Ansicht des LG Berlin (Urt. v. 14.01.2003 - Az.: 15 O 420/02) rechtswidrig, obgleich nach Meinung der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M. nicht strafbar (Az 3Zs82/03). Dies gilt auch für die Änderungen, die durch die EU-Richtlinien und die damit einhergehende UWG-Reform zu erwarten sind.
Das Urteil betrifft einzig und allein die Frage, ob ein SPAM-Opfer berechtigt ist seine Ansprüche im einstweiligen Rechtsschutz durchzusetzen oder ob er auf ein normales Gerichtsverfahren verwiesen werden kann.
Beim einstweiligen Rechtsschutz handelt es sich um eine Art beschleunigtes Gerichtsverfahren für besonders dringende Fälle. Dies ist vor allem in Wettbewerbs-, Urheber- und Markenrechtsstreitigkeiten häufig der Fall. Anders als im herkömmlichen Gerichtsverfahren überprüft das Gericht hier nur summarisch die einzelnen Rechtspositionen des Klägers und Beklagten und trifft eine vorübergehende Entscheidung. Normalerweise schließt sich dann das Hauptsacheverfahren an, in dem dann der Rechtsstreit endgültig und verbindlich entschieden wird. In der Praxis ist es jedoch häufig so, dass die Beteiligten die einstweilige Verfügung trotz ihres eigentlich nur vorübergehenden Charakters als abschließende Lösung hinnehmen. Ein Hauptsacheverfahren wird nicht mehr betrieben.
Diese Möglichkeit soll nun einem SPAM-Opfer verwehrt bleiben. In der Praxis würde dies einen ganz erheblichen Rechteverlust für den Betroffenen bedeuten, denn er wird auf ein evtl. langwieriges, zeitintensives Hauptsacheverfahren verwiesen, dass der besonderen Schnelllebigkeit und der Eilbedürftigkeit des Mediums Internet in diesen Sachen noch nicht einmal annähernd gerecht wird. Es ist zu befürchten, dass viele Spam-Opfer einen solchen Weg scheuen und vielmehr das illegale Versenden der Mails einfach hinnehmen.
Die Entscheidung hat nur auf den Gerichtsbezirk des OLG Koblenz Auswirkung. Andere Gerichte, z.B. das LG Hamburg, vertreten hier eine andere Ansicht.
Erstaunlich ist auch die Argumentation der Koblenzer Richter hinsichtlich der politischen Gruppierung. Erst vor kurzem hatte nämlich das BVerfG (Beschl. v. vom 01.08.2002 - Az.: 2 BvR 2135/01) klargestellt, dass bei Wahlwerbung für politische Parteien keinerlei Besonderheiten, sondern vielmehr die ganz allgemeinen Gesetze gelten würden.