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Kategorie: Onlinerecht

VG Hannover: SB-Tankstelle darf Videoaufzeichnungen nur maximal 72 Stunden speichern

Der Betreiber einer Selbstbedienungs-Tankstelle (SB-Tankstelle) im ländlichen Raum darf die Videoaufzeichnungen nur maximal 72 Stunden speichern. Danach muss er sie aufgrund der Bestimmungen der DSGVO löschen (VG Hannover, Urt. v. 13.03.2023 - Az.: 10 A 1443/19).

Die Klägerin war Betreiberin einer SB-Tankstelle im ländlichen Raum und wehrte sich gegen die Anordnung der Datenschutzbehörde, die Video-Aufzeichnungen nach Ablauf von 72 Stunden zu löschen.

Die Station war 24 Stunden am Tag für jedermann zugänglich ist.  Es konnte ausschließlich mit Karte an einem zentralen Terminal bezahlt werden, eine Bezahlung mit Bargeld war nicht möglich. Die sieben Zapfsäulen konnten Kunden nur durch das Einführen einer Karte und der Eingabe der zugehörigen PIN in Gang gesetzt werden. Nach Eingabe der PIN am zentralen Terminal musste der Kunde die Zapfsäule, die er benutzen möchte, auswählen. Sobald die Zapfpistole nach dem Tanken wieder aufgehängt wurde, war der Tankvorgang abgeschlossen.

Die zuständige Datenschutzbehörde verhängt ein Verbot, die Video-Aufzeichnungen von diesen Vorgängen länger als 72 Stunden aufzubewahren.

Die Klägerin wehrte sich gegen diese Anordnung.

Sie trug vor: Die Videoaufzeichnung diene verschiedenen Zwecken, so ihre Argumentation. Diese Zwecke rechtfertigten eine längere Speicherdauer.

Sie sei als Betreiberin einer Tankstelle im ländlichen Gebiet einem erheblichen Risiko ausgesetzt, dass Kunden getankten Treibstoff nicht bezahlten. Nicht bezahlter Kraftstoff habe für sie eine enorme wirtschaftliche Relevanz. Die Aufklärbarkeit entsprechender Fälle sei in 72 Stunden nicht zu gewährleisten. Es seien auch die zivilrechtlichen Besonderheiten hinsichtlich der Konstellation einer SB-Tankstelle zu berücksichtigen. Der Kaufvertrag zwischen dem Kunden und dem Tankstellenbetreiber entstehe bereits mit Befüllen des Tanks. Mit Abschluss des Tankvorgangs werde der Kaufpreis fällig. Durch die Vermischung des Kraftstoffes im Tank des Kunden erwerbe der Kunde bereits Miteigentum am Kraftstoff.

 Es kämen auch Fälle vor, bei denen Kunden versehentlich zwei Zapfsäulen freischalteten. Hintergrund sei, dass der Kunde über das zentrale Terminal zunächst die falsche Zapfsäule und nach Erkennen dieses Fehlers eine weitere (die richtige) Zapfsäule freischalte. Technisch könne dieser Fehlbedienung nicht begegnet werden. Im Zusammenhang mit solchen Fällen habe sie sich in der Vergangenheit strafrechtlichen Vorwürfen ausgesetzt gesehen, weil Kunden bei späteren Abrechnungen festgestellt hätten, dass ihre Karte für zwei Tankvorgänge (ihren eigenen und den an der versehentlich freigeschalteten Zapfsäule) belastet worden sei. Sie habe sich sodann mittels der Videoaufzeichnungen entlasten können.

Die Videoüberwachung diene zudem der Aufklärung von Vandalismus- und Sachbeschädigungsfällen. Im Tankstellenbetrieb seien jährlich Beschädigungen in Höhe von rund 10.000,00 EUR festzustellen. Den Aufzeichnungen komme daher eine wichtige Aufklärungsfunktion zu

All dies überzeugte das VG Hannover nicht, sodass das Gericht das ausgesprochene Verbot als rechtmäßig bewertete.

"Nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO ist die Klägerin zwar zur Videoüberwachung berechtigt, jedoch darf sie diese nicht für alle von ihr vorgetragenen Zwecke durchführen. Soweit sie vorgetragen hat, sie nehme die Videoüberwachung auch zur Durchsetzung bzw. zur Verteidigung gegen zivilrechtliche Ansprüche vor, so ist es ihr nicht gelungen, substantiiert darzulegen und zu belegen, dass sie ein berechtigtes Interesse zur Durchführung der Videoüberwachung zu eben diesem Zweck hat. (...)

Die Klägerin - dies hat auch die Beklagte anerkannt - ist nach Anwendung dieser Grundsätze berechtigt, die Videoüberwachung zur Unterbindung und Nachverfolgung von Straftaten, insbesondere von Vandalismus und Sachbeschädigungen, durchzuführen. Bei der von der Klägerin betriebenen SB-Tankstelle handelt es sich um eine nach der allgemeinen Lebenserfahrung potentiell stark gefährdete Einrichtung, die typischerweise Opfer von Vandalismus und Sachbeschädigungen wird, sodass die Klägerin ihr berechtigtes Interesse an der Videoaufzeichnung diesbezüglich nicht besonders belegen muss.

Soweit die Klägerin überdies vorgetragen hat, die Videoüberwachung diene auch dazu, sich gegen unberechtigte zivilrechtliche Ansprüche schützen und solche gegebenenfalls selbst durchsetzen zu können, so darf sie die Videoüberwachung zu diesem Zweck nicht durchführen. Sie hat ein berechtigtes Interesse zur Datenerhebung zu diesen Zwecken weder substantiiert dargelegt noch belegt."

Und weiter:

"Die Klägerin darf die Videoüberwachung auch nicht zum Zweck der Verteidigung gegen zivilrechtliche Ansprüche nach §§ 812 ff. BGB durchführen. Sie hat diesbezüglich behauptet, in der Vergangenheit sei es zu Fällen gekommen, in denen nach einem Tankvorgang die Karte eines Kunden belastet worden sei und der Kunde sodann behauptet habe, sein Fahrzeug nicht bei der Klägerin betankt und deswegen den Kaufpreis zurückgefordert zu haben. Es stünde demnach im Raum, dass die Klägerin den Kaufpreis durch Leistung des Kunden ohne Rechtsgrund erlangt habe.

Selbst wenn es in der Vergangenheit zu solchen Fällen gekommen ist, rechtfertigen sie die Videoüberwachung nach Ansicht der Kammer nicht. Nach den zivilrechtlichen Beweislastregeln wäre zunächst grundsätzlich der vermeintliche Kunde für das Fehlen des Rechtsgrundes, also für den Umstand beweisbelastet, dass zwischen ihm und der Klägerin kein Kaufvertrag zustande gekommen ist - sprich, dass kein Tankvorgang vorgenommen wurde (...)."

Hinsichtlich der Speicherungsdauer führt das Gericht aus:

"Soweit die Klägerin zur Durchführung der Videoüberwachung berechtigt ist, dürfen die dabei gewonnenen Aufzeichnungen grundsätzlich nicht länger als 72 Stunden gespeichert werden. (...)

Zulässiger Zweck der Videoüberwachung ist die Unterbindung und Nachverfolgung von Straftaten, insbesondere von Vandalismus und Sachbeschädigungen. Zu diesem Zweck ist die Klägerin berechtigt, Bildaufnahmen zu erheben und auch zu speichern. Es ist aber nicht notwendig, diese Aufzeichnungen für die Zweckerreichung sechs bis acht Wochen vorzuhalten.

Es ist ohne weiteres möglich, binnen 72 Stunden festzustellen, ob Vandalismus oder Beschädigungen an der klägerischen Tankstelle aufgetreten sind und sollte dem so sein, das Videomaterial daraufhin zu sichten. Sollte sodann das Videomaterial weiteren Aufschluss zu einem Tatvorgang geben, so ist die Klägerin zur längeren Speicherung berechtigt (...)."

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