Eine Sperrungsanordnung für unerlaubte Internet-Glücksspielangebote gegenüber Access-Providern ist rechtswidrig, da keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für ein solches Verbot besteht (VG Berlin, Beschl. v. 16.02.2023 - Az.: 4 L 505/22).
Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) hatte eine entsprechende Untersagung gegen einen Access-Provider erlassen, der sich hiergegen wehrte.
Zu Recht, wie nun das VG Berlin urteilte:
"Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Anordnungen weder auf die Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 (a) noch auf die Auffangermächtigung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 unter Heranziehung der allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätze über die Inanspruchnahme Nichtverantwortlicher gemäß § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) (b) gestützt werden können.
a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüstV 2021 hat Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund dieses Staatsvertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Nach Satz 2 kann die für alle Länder oder in dem jeweiligen Land zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 kann sie unbeschadet sonstiger im Glücksspielstaatsvertrag und anderen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehener Maßnahmen insbesondere nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote Maßnahmen zur Sperrung dieser Angebote gegen im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes (TMG) verantwortliche Diensteanbieter, insbesondere Zugangsvermittler und Registrare, ergreifen, sofern sich Maßnahmen gegenüber einem Veranstalter oder Vermittler dieses Glücksspiels als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erweisen; diese Maßnahmen können auch erfolgen, wenn das unerlaubte Glücksspielangebot untrennbar mit weiteren Inhalten verbunden ist.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Die Antragstellerin ist zwar Diensteanbieterin im Sinne des § 2 Nr. 1 TMG, was jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt, umfasst; als sog. Access-Provider bietet sie als Zugangsvermittlerin Dienste für die Glückspielangebote der Beigeladenen an.
Sie ist aber kein im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortlicher Diensteanbieter. Nach der in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung, der sich das Gericht anschließt, setzt eine Inanspruchnahme nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GIüStV 2021 nämlich auch voraus, dass der jeweilige Dienstanbieter verantwortlich im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG ist (vgl. Liesching, in „Sperrverfügungen gegen Access-Provider in Bezug auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet", ZfWG 2022, S. 404 (405) m.w.N.).
Diese Auffassung hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz unter Verweis auf den eindeutigen Wortlaut, die Entstehungsgeschichte und die Systematik in dem Parallelverfahren eines dort geschäftsansässigen Diensteanbieters eindrücklich bestätigt (vgl. ausführlich OVG Koblenz, Beschluss vom 31. Januar 2023 – 6 B 11175/22.OVG – juris). Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht auf die allen Beteiligten bekannten Ausführungen in dem Beschluss und macht sie sich zu eigen."
Und weiter:
"Die Antragstellerin ist kein in diesem Sinne verantwortlicher Diensteanbieter. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG sind Diensteanbieter für fremde Informationen, zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst (Nr.1), den Adressaten der übermittelten Information nicht ausgewählt (Nr. 2) und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben (Nr. 3).
Nach § 8 Abs. 1 Satz 3 TMG findet Satz 1 dieser Regelung keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. Eine positive Kenntnis von Drittinhalten und rechtswidrigen Handlungen von Drittanbietern hebt die in § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG geregelte Verantwortlichkeitsprivilegierung hingegen grundsätzlich nicht auf (vgl. Liesching, a.a.O., S. 406 m.w.N.).
Der Verantwortlichkeitsprivilegierung nach § 8 TMG liegt das Regulierungsziel zugrunde, Diensteanbieter von solchen Verantwortlichkeitsrisiken zu befreien, die aus einer rein technischen, automatisierten Durchleitung von Informationen resultieren können (vgl. BT-Drs. 14/6098, 23, 24).
Die Antragstellerin erfüllt die Voraussetzungen dieser Privilegierung. Weder veranlasst sie die Übermittlung der Glücksspielinhalte noch wählt sie diese oder den Adressaten aus. Zudem fehlt es an einem kollusiven Zusammenwirken."