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Kategorie: Wettbewerbsrecht

LG Hagen: Unterlassungsschuldner muss im Zweifel verbotene Ware aus Handel zurückrufen

Ordnungsgeld iHv. 200.000,- Euro gegen Firma, weil sie ein Produkt mit verbotenen Werbeaussagen nicht ausreichend aus dem stationären Handel zurückgerufen hatte.

Wurde dem Schuldner gerichtlich bestimmte Werbeverbote untersagt, muss er im Zweifel auch die Waren aus dem Handel zurückrufen, auf denen sich diese Äußerungen befinden (LG Hagen, Beschl. v. 27.09.2023 - Az.: 21 O 123/18).

Der Schuldnerin war in der Vergangenheit gerichtlich verboten worden, für eine Salbe mit folgenden Äußerungen  zu werben

"Schnelle Wundheilung"

und

"Schnell. Effektiv. Für alle Wunden im Alltag."

Die Gläubigerin stellte nun fest, dass das Produkt, auf denen die Passagen abgedruckt waren, auch nach dem Berufungsurteil weiterhin im Handel zu kaufen war. Zudem wurde das Produkt mit der beanstandeten Werbung auch noch bei zahlreichen Online-Apotheken angeboten.

Das LG Hagen verhängte ein Ordnungsgeld iHv. 200.000,- EUR.

Denn die Schuldnerin habe den gebotenen Rückruf des Produkts nur in unzureichender Form durchgeführt.

Allgemein treffe den Schuldner eines gerichtlichen Unterlassungstitels folgende Pflichten:

"Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (...) hat der Unterlassungsschuldner für das Handeln selbständiger Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er ist jedoch im Rahmen seiner Pflicht zur Verhinderung weiterer Verletzungen ge­halten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, im Rahmen des Möglichen, Erforder­lichen und Zumutbaren einzuwirken, wenn er mit - ggf. weiteren - Verstößen durch diese Dritten ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche oder auch nur tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Ver­halten der Dritten hat. Diesem Haftungsmodell liegt die Wertung zugrunde, dass ein Schuldner, der sich zur Erweiterung seiner Handlungsmöglichkeiten der Hilfe Dritter bedient, für das hierdurch gesteigerte Risiko von Störungen einstehen muss. (...).

Gegenüber seinen Abnehmern muss der Schuldner mit Nachdruck und Ernsthaftigkeit sowie unter Hin­ weis auf den rechtsverletzenden Charakter der Erzeugnisse deren Rückerlangung versuchen (...). Es reicht dabei nicht aus, die betreffenden Dritten nur über den Inhalt der Unterlassungspflicht zu informieren und sie zu einem entsprechenden Verhalten aufzufordern. Vielmehr muss die Einhaltung der Anordnungen auch überwacht werden, und angedrohte Sanktionen müssen bei Verstößen auch verhängt werden, um ihre Durchsetzung sicherzustellen (...)."

Im vorliegenden Fall sei die Schuldnerin diese Pflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen:

"Aus dem Vortrag der Schuldnerin ergibt sich hieran gemessen nur, dass sie die direkten Abnehmer über das Werbeverbot informiert haben will. Zu welchem Zeitpunkt nach Zustellung des Berufungsurteils die Information übermittelt wurde, trägt die Schuldnerin nicht substantiiert vor, ebenso nicht, dass sie die Abnehmer nach entsprechender Information in geeigneter Weise überwacht hat. Von den vom Gläubi­ger hinsichtlich der Testkäufen benannten Apotheken möchte die Schuldnerin hiervon 6 (nicht näher benannte) direkt beliefert, aber zu spät informiert haben.

Auch hat die Schuldnerin unzureichend auf Großapotheken eingewirkt, dass diese ihre Werbung an­passen. (...)

Die Schuldnerin hat hieran gemessen erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Versandhandelsapotheken von der Schuldnerin die Information erhalten hätten, dass die Werbeaussa­gen angepasst werden müssen. Auch hierbei fehlen konkrete Angaben, zu welchem Zeitpunkt eine entsprechende Information erfolgt sein soll. Auch fehlt in diesem Zusammenhang ein Vortrag dazu, wie eine Überwachung der Versandhandelsapotheken stattgefunden haben soll."

Aufgrund der besonders hohen Umsätze, die das Unternehmen mit dem Produkt erziele, sei ein Ordnungsgeld iHv. 200.000,- EUR gerechtfertigt:

"Im Streitfall erscheint unter Berücksichtigung des deutlichen Verschuldens ein Ordnungsgeld i.H.v. ins­ gesamt € 200.000,00 als angemessen und ausreichend.

Bei der Bemessung der Höhe eines Ordnungsmittels sind Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglichen künftigen Verletzungshandlungen für den Verletzten zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu berücksichtigen (....). Dabei soll sich eine Titelverletzung für den Schuldner nicht lohnen (...).

Die Schuldnerin ist dabei dem Vortrag des Gläubigers unzureichend entgegengetreten, dass in den Sommermonaten ein Umsatz von € 500.000,00 je Monat mit dem streitgegenständlichen Produkt erzielt werden kann.

Die Kammer geht davon aus, dass sie daher mit den vorstehenden Zuwiderhandlungen einen erheblichen Gewinn, veranlasst durch die untersagte Werbung erzielt hat, der sich in einer Grö­ßenordnung des festgesetzten Ordnungsgeldes bewegt."

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