Die Veröffentlichung eines Fotos, das einen Beamten bei einer amtlichen Abschleppmaßnahme zeigt, kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn es sich bei dem Ergebnis um eine Routinetätigkeit (hier: Abschleppvorgang) handelt (OLG Dresden, BEschl. v. 14.07. 2022 - Az.: 4 U 1090/22).
Der Kläger war gemeindlicher Vollzugsbeamter. Die verklagte Zeitung hatte ein Foto erstellt und online veröffentlicht, die den Kläger in Uniform während eines PKW-Abschleppvorgangs zeigte.
Der Kläger war der Ansicht, er werde durch die Publikation in seinen Rechten verletzt.
Das OLG Dresden folgte dieser Ansicht nicht, sondern bewertete die Veröffentlichung als erlaubt. Denn es handle sich um ein Ereignis des Zeitgeschehens:
"Mit dem Landgericht ist (...) davon auszugehen, dass dessen identifizierbare Abbildung im hier vorliegenden Kontext nach § 23 Abs. 1 Nr. 1, 2 KUG gerechtfertigt ist. Es ist dabei von der einhelligen höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgegangen, wonach der Begriff des Zeitgeschehens (...) nicht zu eng verstanden werden darf.
Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse. Es gehört zum Kern der Pressefreiheit, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht. Dazu zählt auch die Entscheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird. (...)
Allerdings besteht das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Es bedarf mithin einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen."
Auf den konkreten Fall übertragen, äußert sich das Gericht weiter:
"Schon dieser umfassende Abwägungsvorbehalt steht der pauschalen Annahme der Berufung entgegen, Beamte dürften bei dienstlichen Routineeinsätzen niemals erkennbar dargestellt werden. Vielmehr kommt es auf eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles an (...)
Wovon auch das Landgericht ausgegangen ist. Dabei hat es zutreffend angenommen, dass die Frage, in welchem Ausmaß Fahrzeuge aus Gründen der Parkraumbewirtschaftung in L... allein wegen einer Parkzeitüberschreitung abgeschleppt werden dürfen, ein Ereignis der Zeitgeschichte darstellt. Indiziell ergibt sich dies bereits aus der Vielzahl lokaler Presseberichte auch von Zeitungen, die nicht von der Beklagten verlegt werden (...).
Die zugrundeliegende Problematik ist zudem in die Frage eingebettet, wie angesichts der nicht zuletzt durch den Klimawandel notwendig werdenden Verkehrswende generell die Parkflächen in den Innenstädten genutzt werden können, wer hierauf ggf. einen Anspruch hat und welche Kosten hierfür aufzuwenden sind. Diese Fragen werden – gerichtsbekannt – in der Lokalöffentlichkeit in zahlreichen Städten kontrovers diskutiert. Es gehört auch insofern zu den Aufgaben der Presse, hierüber nicht nur abstrakt zu berichten, sondern die sich hieraus ergebenden Nutzungskonflikte an konkreten Beispielen zu veranschaulichen und in diesem Rahmen auch über eine Bebilderung zu entscheiden. Bei der konkreten Berichterstattung und dem streitgegenständlichen Bildnis handelt es sich auch um eine ernsthafte und sachbezogene Erörterung im Sinne der o.a. Rechtsprechung, was auch die Berufung nicht in Zweifel zieht."