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Kategorie: Onlinerecht

OLG Hamm: Was angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz sind

Das OLG Hamm hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, welche Anforderungen an die Angemessenheit der Geheimhaltungsmaßnahmen nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) zu stellen sind (OLG Hamm, Urt. v. 15.09.2020 - Az.: 4 U 177719).

Das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) ist im April 2019 Jahres getreten. Mit der neuen Regelung wurde erstmals ein eigenständiges Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen geschaffen, während vorher die Normen in unterschiedlichen Bereichen zersplittert waren (z.B. StGB, UWG oder BGB). Siehe dazu ausführlich unsere RechtsFAQ: Das Geschäftsgeheimnisgesetz

Damit das jeweilige Unternehmen eine Absicherung erlangt, muss es hinsichtlich der schützenswerten Daten "angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen" ergreifen. Es ist weiterhin nicht höchstrichterlich geklärt, was genau darunter zu verstehen war, ob z.B. vertragliche Vereinbarungen ausreichen oder ob es auch eines tatsächlichen Schutzes (z.B. technische oder physische Absicherung) bedarf.

Das OLG Hamm hat sich nun mit dieser Frage in einer aktuellen Entscheidung näher beschäftigt.

Zunächst beschäftigen sich die Robenträger mit dem Umstand, wie die Angemessenheit objektiv zu ermitteln ist. Es gelte dabei kein absoluter Maßstab, sondern vielmehr eine relative, dynamische Auslegung:

"Die Angemessenheit bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Es handelt sich nicht um einen absoluten, sondern einen relativen und dynamischen Maßstab.

Für die rechtliche Bewertung ist auf die Sichtweise eines objektiven und verständigen Betrachters aus denjenigen (Fach-)Kreisen abzustellen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen. Bei der Bestimmung der Angemessenheit sind mehrere Wertungskriterien zu berücksichtigen (...):

Von besonderer Bedeutung sind die Art und der wirtschaftliche Wert des Geheimnisses. Die Kosten für die Geheimhaltungsmaßnahmen müssen in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert des Geschäftsgeheimnisses stehen, wobei sich kein festes Kosten-Wert-Verhältnis angeben lässt.

Die Schwelle zur Unangemessenheit ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Kosten für die Schutzmaßnahmen den Wert des Geschäftsgeheimnisses übersteigen.

Weitere Kriterien sind der Grad des Wettbewerbsvorteils durch die Geheimhaltung, etwaige Schwierigkeiten der Geheimhaltung sowie die konkrete Gefährdungslage. Auch die Unternehmensgröße und die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens sind in die Betrachtung mit einzubeziehen. Von einem weltweit tätigen Unternehmen können bspw. größere und finanziell aufwändigere Sicherungsvorkehrungen erwartet werden als von einem Handwerksbetrieb mit wenigen Angestellten. Ein weiteres Kriterium bildet die Wirtschaftsbranche, in der das Unternehmen tätig ist. Die branchenüblichen Sicherheitsstandards bilden einen wichtigen Anhaltspunkt für die Angemessenheit von Geheimhaltungsmaßnahmen (...)."

Im vorliegenden Fall war die Klägerin ein weltweit agierendes Unternehmen, das über Jahrzehnte eine marktbeherrschende Stellung innehatte. Jedoch ging das Unternehmen nicht etwaigen Verstößen gegen die Geheimhaltung nach. 

Dies führe, so das OLG Hamm, dazu, dass keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen worden seien und somit auch kein Anspruch bestünde:

"Die getroffenen Sicherheitskehrungen genügen den Anforderungen nicht und sind zu nicht näher feststellbaren Zeitpunkten in der Vergangenheit mehrfach umgangen worden, ohne dass die Klägerin angemessen darauf reagiert hätte, obwohl sie deutliche Anhaltspunkte dafür hatte, von einer unzureichenden Sicherung auszugehen. (...)

Obwohl (...) deutliche Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die (...) getroffenen Geheimhaltungsmaßnahmen zu umgehen sind, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin überhaupt Maßnahmen ergriffen hat, um die Übermittlungen der Zeichnungen (...) aufzuklären und entsprechende Schritte einzuleiten. Ferner ist festzustellen, dass unstreitig mehrfach Zeichnungen der Klägerin von verschiedenen Bauteilen ohne Geheimhaltungsmaßnahmen frei zugänglich waren (...).

Aus der Sichtweise eines objektiven und verständigen Betrachters (...)  ist es aber zwingend erforderlich, (...) jedem Hinweis auf eine Umgehung von (angeblichen) Geschäftsgeheimnissen sorgfältig nachzugehen und das Sicherheitskonzept zeitnah anzupassen oder Sanktionen zu ergreifen."

Und weiter:

"Die aktuell ergriffenen Maßnahmen sind insoweit nicht ausreichend und es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass diese bis Ende 2012 einen deutlich höheren Standard hatten.

Vielmehr ist auf Grundlage der Angabe der Klägervertreterin im Senatstermin davon auszugehen, dass die aktuell getroffenen Maßnahmen eine Verbesserung darstellen. Insoweit hat die Vertreterin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch eingeräumt, dass „früher“ den Mitarbeitern ein größeres Vertrauen entgegengebracht worden sei. Die Geheimhaltungsmaßnahmen seien aber fortlaufend verbessert worden. Dass diese Maßnahmen zum Zeitpunkt der angeblichen Rechtsverletzung ausreichend waren, ist damit auf Grundlage des klägerischen Vorbringens im Hinblick auf die mehrfache Umgehung der jeweiligen Maßnahmen und die Reaktion der Klägerin nicht feststellbar."

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