Steht im Archiv der Wayback Machine-Archiv noch eine Werbung, bei der sich der Schuldner zur Unterlassung verpflichtet hat, zu löst dies keine Vertragsstrafe aus (LG Karlsruhe, Urt. v. 16.02.2023 - Az.: 13 O 2/23 KfH).
Der Schuldner hatte sich in der Vergangenheit verpflichtet, eine bestimmte Werbung nicht mehr zu verbreiten, die er ursprünglich auf seiner Webseite platziert hatte. Nach Abgabe der Unterlassungserklärung fand sich diese wettbewerbswidrige Darstellung noch Im Archiv der Wayback Machine.
Der Gläubiger machte daraufhin eine Vertragsstrafe geltend.
Zu Unrecht, so das LG Karlsruhe. Das Gericht wies den Anspruch ab.
"Gegen ihre Verpflichtung, nicht mit „12 Jahre Erfahrung im Kanzleimarketing“ zu werben, hat die Beklagte nicht verstoßen. Es stellt keinen Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung dar, es nicht zu verhindern, dass alte Webseiten-Versionen mit der zu unterlassenden Werbung, die aus der Zeit vor Zustandekommen des Unterlassungsvertrags stammen, in einem von Dritten selbständig betriebenen Web-Archiv weiterhin auffindbar sind, welches von üblichen Internet-Suchmaschinen nicht durchsucht werden kann."
Und weiter:
"Es kommt hinzu, dass der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs grundsätzlich nicht für das selbstständige Handeln Dritter einzustehen hat (...).
Das entbindet ihn zwar im Rahmen seiner durch Auslegung ermittelten positiven Handlungspflicht nicht davon, auf Dritte einzuwirken. Dies gilt jedoch nur für Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt und bei denen er mit (weiteren) Verstößen ernstlich rechnen muss (...). Im Streitfall kommt die Archivierung und Vorhaltung veralteter Homepage-Versionen der Beklagten wirtschaftlich nicht zugute.
Die Klägerin hat auch nicht dargetan, wie dies der Fall sein sollte. Außer ihrem Prozessbevollmächtigten, der gezielt auf der Suche nach einer (vermeintlichen) Verletzung des Unterlassungsgebots unter Nutzung seiner Fachkenntnisse die Wayback Machine im Netz aufgesucht und einen Stand der Homepage der Beklagten zeitlich vor der Unterlassungserklärung angesteuert hat, kommt, wie ausgeführt, kein Marktteilnehmer auf die Idee, im Internet an dieser Stelle nachzuforschen und das Aufgefundene noch dazu als aktuelle Werbung der Beklagten zu interpretieren."
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Es handelt sich - soweit ersichtlich - um die erste deutsche gerichtliche Entscheidung, bei der es um eine Vertragsstrafe aufgrund eines Wayback Machine-Archivs ging.
Der Standpunkt, den das LG Karlsruhe hier vertritt, entspricht nicht der herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung, wonach den Schuldner einer Unterlassungserklärung weitreichende Lösch- und Überwachungspflichten treffen. Insofern ist das Urteil mit einer gewissen Vorsicht zu lesen.