Kanzlei Dr. Bahr
Navigation
Kategorie: Thema:Online

ArbG Mannheim: Weiterleitung von Wählerlisten an private E-Mail-Adresse durch Betriebsrat = außerordentliche Kündigung

Wegen Weiterleitung sensibler Mitarbeiterdaten an seine private E-Mail-Adresse kann dem Betriebsrat außerordentlich gekündigt werden.

Leitet ein Betriebsrats-Mitglied eine Wählerliste (Daten von 500 Mitarbeitern) an seine private E-Mail-Adresse weiter, liegt hierin ein erheblicher Rechtsverstoß, der eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt (ArbG, Urt. v. 01.08.2023 - Az.: 5 Ca 101/23).

Der Kläger war als Betriebsrat tätig und bei der Beklagten angestellt. Er wehrte sich gegen eine außerordentliche Kündigung seines Arbeitsvertrages.

Inhaltlich warf ihm der Arbeitgeber vor, dass er eine Wählerliste (Daten von ca. 500 Mitarbeitern) an seine private E-Mail-Adresse weitergeleitet hatte.

Inhaltlich verteidigte sich der Kläger damit, dass er nie im Home Office tätig gewesen sei und ihm daher zu Hause die notwendige IT-Infrarstruktur fehle. Da die Prüfung der Wählerliste daheim erfolgten sollte, habe er die Informationen an seine private Mail-Adresse geschickt.

Zudem habe die Beklagte von dem gesamten Sachverhalt in unzulässiger Weise erfahren, da auf den Mail-Account des Betriebsrats ohne die notwendige vorherige Beteiligung zugegriffen worden sei. 

Das ArbG Mannheim überzeugte diese Argumentation und wies die Klage ab. Die ausgesprochene außerordentliche Kündigung sei rechtlich wirksam.

1. Weiterleitung an privaten Mail-Account:

Die Weiterleitung der Wählerliste sei ein wichtiger Grund, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu beenden:

"Durch die Versendung der ihm überlassenen Wählerliste mit den höchstpersönlichen Daten von über 500 Beschäftigten der Beklagten an seine private eMail-Adresse hat der Kläger einen eklatanten Vertragsverstoß begangen. 

Dass es sich dabei um äußerst sensible und in höchstem Maße schützenswerte Daten handelt, kann nicht in Abrede gestellt werden. 

Selbst wenn die Weiterleitung der Daten durch den Kläger - was er behauptet und was von der Beklagten bestritten wird - hierbei subjektiv dem Zweck der Ausübung seines Amtes als Mitglied des Wahlvorstands dienen sollte, hat der Kläger mit seinem Verhalten zumindest eine gravierende (und erschreckende) Sorglosigkeit an den Tag gelegt. Auch bei Unterstellung des Prozessvortrags des Klägers als richtig, dass der von ihm zu Hause genutzte Computer passwortgeschützt ist, über eine Laufwerksverschlüsselung verfügt und nur für ihn selbst in seiner Wohnung zugänglich gewesen ist, bleibt doch der berechtigte Vorwurf, dass der Kläger die Daten durch deren Weiterleitung an seinen privaten eMail-Account dem Schutz und der Kontrolle der Beklagten, die für den sorgsamen Umgang mit diesen Daten verantwortlich ist, entzogen hat. 

Dieses Verhalten ist für die Beklagte - auch und gerade im Interesse ihrer Beschäftigten, die ihr die höchstpersönlichen Daten zu treuen Händen überlassen haben und auf deren Schutz durch die Beklagte vertrauen durften – nicht hinnehmbar."

2. Kein Verwertungsverbot:

Die Informationen, die der Arbeitgeber durch Zugriff auf den Account des Betriebsrats erlangt habe, seien auch vor Gericht verwertbar:

"Der von der Beklagten insoweit zur Kündigung herangezogene Sachverhalt unterliegt auch keinem Verwertungsverbot. 

Zum einen ist die Tatsache, dass der Kläger die Wählerliste an einen privaten eMail-Account geschickt hat, gar nicht streitig und bedarf keines Beweises. 

Zum anderen wurde der Sachverhalt von der Beklagten allein aufgedeckt durch ein Auskunftsersuchen des Klägers selbst. 

Er kann nunmehr nicht die Vertraulichkeit seiner Daten und die Rechtswidrigkeit eines Zugriffs der Beklagten hierauf geltend machen, wenn er selbst die Beklagte um Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten personenbezogenen Daten und um Herausgabe einer Kopie dieser Daten ersucht hatte. 

Schließlich steht auch die vom Kläger erhobene Rüge der fehlenden Mitwirkung des Betriebsrats beim Zugriff auf die Daten des Klägers, selbst wenn die Rüge begründet wäre, einer Verwertung der dadurch (sozusagen als „Zufallsfund“) gewonnenen Erkenntnisse nicht entgegen. 

Allein die Verletzung eines Mitbestimmungstatbestandes oder die Nichteinhaltung einer Betriebsvereinbarungsregelung begründet grundsätzlich weder ein Beweisverwertungs- noch ein Sachvortragsverwertungsverbot (BAG vom 13.12.2007, NZA 2008, 1008; Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 5. Aufl. 2021, § 35 Compliance und Datenschutz, Rn. 243, mit weiteren Nachweisen)."

Anmerkung von RA Dr. Bahr:

Hier hat sich das Auskunftsbegehren des Arbeitnehmers nach Art. 15 DSGVO als echter Bumerang erwiesen.

Denn erst dadurch hat der Arbeitgeber überhaupt erst von dem gesamten Sachverhalt erfahren und die außerordentliche Kündigung ausgesprochen. Auch das Berufen auf ein etwaiges Verwertungsverbot ist damit nach Ansicht des Gerichts ausgeschlossen. 

Rechts-News durch­suchen

17. April 2025
Eine E-Mail-Adresse im Impressum einer Webseite muss eine echte Kommunikation ermöglichen. Automatische Verweise auf Service-Portale genügen nicht.
ganzen Text lesen
16. April 2025
Die Werbung für eine "kostenlose Fahrschulausbildung" als Preis für die Teilnahme an einem Gewinnspiel ist irreführend, wenn Gewinner wesentliche…
ganzen Text lesen
16. April 2025
Eine irreführende Werbung zu einer angeblich bundesweiten Solarpflicht täuscht Verbraucher, wenn sie wichtige Einschränkungen verschweigt.
ganzen Text lesen
14. April 2025
Ein Glücksspiel-Anbieter darf keine Online-Casino-Lizenz bekommen, wenn er wiederholt gegen Regeln verstößt und trotz Verbot weiter illegales…
ganzen Text lesen

Rechts-News durchsuchen