Ein Online-Shop darf vor Vertragsschluss keine Vorkasse verlangen, andernfalls liegt ein Wettbewerbsverstoß vor (OLG Nürnberg, Urt. v. 30.01.2024 - Az.: 3 U 1594/23).
Netto bot in seinem Online-Shop Waren zum Kauf an. Der Vertragsschluss war so ausgestaltet, dass der Kontrakt erst durch Zusendung des Kaufgegenstandes erfolgte und nicht vor.
Bereits bei der Bestellung, also bevor der Vertrag abgeschlossen war, musste der Kunde jedoch den Kaufpreis zahlen.
Dies bewertete das OLG Nürnberg als wettbewerbswidrig. Denn durch die getroffene Vorkassen-Regelung werde der Verbraucher unangemessen benachteiligt:
"Der Senat sieht mit dem Kläger (…) einen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung i.S.v. § 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB darin, dass Leistungen nur erbracht werden müssen oder sollen, wenn ein Rechtsgrund besteht, und dementsprechend ein Verlangen nach einer Leistung nur geäußert werden darf, wenn bereits eine wirksame rechtliche Verpflichtung begründet worden ist. Hiervon dürfte § 241 Abs. 1 BGB als selbstverständlich ausgehen.
Jedenfalls liegt der geltenden Zivilrechtsordnung das Prinzip zugrunde, dass Verträge durch einen Konsens der Parteien geschlossen werden und sich daraus die wechselseitigen Verpflichtungen ergeben (§ 311 Abs. 1 BGB).
Umgekehrt ist nicht geschuldeten Leistungen immanent, dass sie nicht erbracht werden müssen; die Rechtsordnung kennt auch keine Fälle, in denen vorgesehen ist, dass solche Leistungen (obwohl nicht geschuldet) erbracht werden, um den anderen zu einer Vertragsannahme zu bewegen."
Und weiter:
"Zu den Grundgedanken gehört somit auch, dass niemand Leistungen erbringen muss, ohne äquivalente Ansprüche auf eine Gegenleistung zu besitzen.
Gegen diese Annahmen sprechen auch nicht die Regelungen zur in der condictio ob rem (§ 812 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BGB) und/oder der Handschenkung (§ 518 Abs. 2 BGB). Danach ist zwar denkbar, dass jemand im Wissen um das Nichtbestehen einer Schuld leistet, weil er einen Rechtserfolg oder ein tatsächliches Handeln des anderen herbeiführen will (und zwar im klassischen Fall der Handschenkung gerade die Wirksamkeit eines Rechtsverhältnisses).
Jedoch geht in diesen Fällen stets die Initiative vom Leistenden aus, während vorliegend der Verwender und Leistungsempfänger ein entsprechendes Verlangen äußert, um sein Absatzgeschäft tätigen zu können. Eine derartige Situation findet sich im BGB an keiner Stelle. Darüber hinaus könnten selbst solche Sondersituationen nicht dazu führen, dass der zuvor beschriebene Mechanismus als Grundgedanke anzusehen wäre.
Der Grundsatz, dass im Zuge von entgeltlichen Austauschverträgen unter nicht persönlich bekannten Parteien Leistungen erst dann zu erbringen sind, wenn eine vertragliche Bindung besteht und damit die wechselseitigen Ansprüche entstanden sind, ist auch keine bloße Verlegenheits- oder Zweckmäßigkeitslösung, sondern Ausdruck eines entsprechenden Gerechtigkeitsgedankens. Es ist bei entgeltlichen Austauschverträgen grundsätzlich keiner Vertragspartei zuzumuten, eine Leistung erbringen zu müssen oder zu sollen, ohne bereits selbst die entsprechenden, synallagmatischen Leistungen beanspruchen zu können."