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Kategorie: Onlinerecht

OLG Hamm: Zeitpunkt des Zugangs einer Willenserklärung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA)

Zugang einer Nachricht über das elektronische Anwaltspostfach (beA) bereits bei Möglichkeit zur Kenntnisnahme.

Verschickt ein Anwalt an einen anderen eine Nachricht über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), geht das Schreiben in dem Moment zu, zu dem der Empfänger unter normalen Umständen Kenntnis hätte nehmen können. Entscheidend ist dabei alleine die Möglichkeit zur Kenntnisnahme, nicht jedoch die Tatsache, wann eine Benachrichtigung über neue beA-Nachricht eingegangen ist (OLG Hamm, Urt. v. 22.02.2024 - Az.: 22 U 29/23).

Das beA ist ein elektronisches Postfach für Rechtsanwälte in Deutschland. Seit 2018 besteht eine Nutzungspflicht.

Im vorliegenden Rechtsstreit ging um die Frage, wann ein wichtiges Schreiben der Gegenseite, das per beA übermittelt worden war, dem Empfänger zugegangen war.

1. Allgemeine Ausführungen zum Zugang:

Zunächst fasst das OLG Hamm noch einmal die allgemeinen Zugangsvoraussetzungen zusammen:

"Gem. § 130 BGB ist eine Willenserklärung dann zugegangen, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er unter normalen Umständen von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann (vgl. ständige Rspr. z.B. BGH, Urteil vom 26. November 1998 - VIII ZR 22/97, - NJW 1998, 976, 977; beckOGKBGB-Gomille, § 130 Rn. 48 m.w.N.). 

Eine während der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit eingegangene E-Mail geht - zumindest im unternehmerischen Geschäftsverkehr - grundsätzlich in diesem Zeitpunkt zu; dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird, ist für den Zugang somit nicht erforderlich, vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2022 - VII ZR 895/21 -, juris Rn. 19."

2. Übertragung dieser Grundsätze auf das beA:

Dann setzt sich das Gericht mit Frage auseinander, ob diese Grundsätze auch auf das beA übertragbar sind und kommt zu einem eindeutigen Ja:

"Dies gilt vorliegend auch für die Zusendung des Schreibens per beA (…). 

Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ist dafür bestimmt, dass darüber auch rechtsverbindliche Erklärungen abgegeben werden können. Innerhalb der Geschäftszeiten durfte von einer Kenntnisnahme ausgegangen werden. 

Die Klägervertreterin vermochte - bei einem Zugang während der Geschäftszeiten am 05.03.2021 - von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen, was für einen Zugang ausreicht. 

Auch während der Coronapandemie und dem in dieser Zeit verbreiteten Homeoffice durfte der Geschäftsverkehr in Anbetracht der weit verbreiteten Fernzugriffsmöglichkeiten von einem Zugang während der Geschäftszeiten ausgehen.

Dass die Klägervertreterin tatsächlich das Schreiben erst am 09.03.2021 zur Kenntnis genommen hat, ist irrelevant."

Entscheidend sei auch nicht, wann der Anwalt eine Nachricht über den Zugang eines Schreibens erhalten habe. Denn bei dieser Benachrichtigungsfunktion des beA handle es sich um einen bloßen Service:

“Nicht entscheidend ist die Benachrichtigungsmail über den Eingang einer beA-Nachricht, sondern der Eingang der beA-Nachricht an sich. 

Denn dieser Kommunikationsweg war zur Abgabe und zur Entgegennahme von rechtserheblichen Erklärungen eröffnet. Während der Geschäftszeiten konnte der Rechtsverkehr erwarten, dass zumindest zum Ende der Geschäftszeiten das beA-Postfach - auch ohne E-Mail-Nachricht, die lediglich der komfortablen Nutzung des beA dient und nicht zwingend eingestellt sein muss - kontrolliert wird.”

Anmerkung von RA Dr. Bahr:

Das OLG Hamm überträgt die bekannten Grundsätze zum Zugang einer Willenserklärung konsequent und zutreffend auch auf den Bereich des beA.

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