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Newsletter vom 01.12.2021 |
Betreff: Rechts-Newsletter 48. KW / 2021: Kanzlei Dr. Bahr |
2. BGH: Keine Millionen-Entschädigung für Witwe von Helmut Kohl 3. OLG Frankfurt a.M.: Irreführende Werbung mit zusätzlichem Datenvolumen durch Mobilfunkanbieter 4. OLG Frankfurt a.M.: Firmierung als "Manufaktur" setzt lange Tradition und Handarbeit voraus 6. LAG Berlin-Brandenburg: Kein Abbruch der Betriebsratswahl bei Fahrradlieferdienst "Gorillas" 7. SG Oldenburg: Hartz IV-Bezieherin muss eBay-Einkünfte offenlegen 8. LG Stuttgart: Kein fliegender Gerichtsstand im Wettbewerbsrecht bei Online-Verstößen mehr |
Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. EuGH: Werbung im Eingangs-Ordner eines kostenlosen E-Mail-Providers (Inbox advertising) erfordert Einwilligung
Inbox advertising: Die Einblendung von Werbenachrichten in der E-Mail-Inbox in einer Form, die der einer tatsächlichen E-Mail ähnlich ist, stellt eine Verwendung elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung im Sinne der Richtlinie 2002/58 dar Diese Nachrichten begründen eine Verwechslungsgefahr, die dazu führen kann, dass ein Nutzer, der auf die der Werbenachricht entsprechende Zeile klickt, gegen seinen Willen auf eine die betreffende Werbung enthaltende Internetseite weitergeleitet wird Die Städtische Werke Lauf a.d Pegnitz GmbH (im Folgenden: StWL) und die eprimo GmbH sind zwei miteinander im Wettbewerb stehende Stromlieferanten. Im Auftrag von eprimo schaltete eine Werbeagentur Werbeanzeigen, die in der Einblendung von Bannern in E-Mail-Postfächern von Nutzern des kostenfreien E-Mail-Dienstes T-Online bestanden. Diese Nachrichten wurden eingeblendet, sobald die Nutzer des E-Mail-Dienstes ihre Inbox öffneten, wobei sowohl die betroffenen Nutzer als auch die eingeblendeten Nachrichten zufällig ausgewählt wurden (sog. „Inbox advertising“). Sie unterschieden sich optisch von der Liste der anderen E-Mails des Kontonutzers nur dadurch, dass das Datum durch die Angabe „Anzeige“ ersetzt war, dass kein Absender angegeben war und dass der Text grau unterlegt war. Die Betreffangabe des Listeneintrags enthielt einen Text zur Bewerbung vorteilhafter Preise für Strom und Gas. StWL war der Ansicht, dass diese Werbepraxis, bei der elektronische Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten verwendet werde, gegen die Vorschriften über unlauteren Wettbewerb verstoße. Daher nahm StWL eprimo vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth (Deutschland) auf Unterlassung in Anspruch. Dieses Gericht gab der Klage von StWL statt und verurteilte eprimo, eine solche Werbung zu unterlassen, da diese eine unzumutbaren Belästigung darstelle und irreführend sei. Auf die von eprimo beim Oberlandesgericht Nürnberg (Deutschland) eingelegte Berufung stellte dieses Gericht fest, dass diese Werbemaßnahme keine wettbewerbsrechtlich unzulässige geschäftliche Handlung sei. Der mit der von StWL eingelegten Revision befasste Bundesgerichtshof (Deutschland) ist der Auffassung, dass der Erfolg der Revision von der Auslegung des Unionsrechts abhänge, und hat dem Gerichtshof daher Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Er ersucht den Gerichtshof insbesondere, sich zu der Frage zu äußern, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Praxis, bei der Werbenachrichten in der Inbox eines Nutzers eines E-Mail-Dienstes, der diesem Nutzer unentgeltlich zur Verfügung gestellt und durch die von den Werbekunden bezahlte Werbung finanziert wird, angezeigt werden, als mit den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinien 2002/58 und 2005/291 vereinbar angesehen werden kann Direktwerbung, insbesondere durch automatische Anrufsysteme, Faxgeräte und elektronische Post, einschließlich SMS, zu schützen. Dieses Ziel muss unabhängig von der zugrunde liegenden Technologie gewährleistet sein, weshalb ein weiter und aus technologischer Sicht entwicklungsfähiger Begriff der von dieser Richtlinie erfassten Art von Kommunikation geboten ist. In Anbetracht der Modalitäten der Verbreitung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Werbenachrichten ist der Gerichtshof der Ansicht, dass eine solche Vorgehensweise eine Verwendung elektronischer Post darstellt, die geeignet ist, das Ziel, die Nutzer vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung zu schützen, zu beeinträchtigen. Zweitens ist der Gerichtshof der Auffassung, dass bereits die Art der Werbenachrichten, die die Bewerbung von Diensten zum Gegenstand haben, und der Umstand, dass sie in der Form einer E-Mail verbreitet werden, es erlauben, diese Nachrichten als „Nachrichten für die Zwecke der Direktwerbung“ einzustufen. Dem Umstand, dass der Adressat dieser Werbenachrichten nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wird, kommt nach Ansicht des Gerichtshofs keinerlei Bedeutung zu; entscheidend ist, dass eine zu kommerziellen Zwecken vorgenommene Kommunikation vorliegt, die einen oder mehrere Nutzer von E-Mail-Diensten direkt und individuell erreicht. Drittens stellt der Gerichtshof klar, dass die Verwendung elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung unter der Voraussetzung gestattet ist, dass ihr Empfänger zuvor darin eingewilligt hat. Eine solche Einwilligung muss in einer Willensbekundung der betroffenen Person zum Ausdruck kommen, die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt. Der E-Mail-Dienst T-Online wird den Nutzern in Form zweier Kategorien von E-Mail-Diensten angeboten, nämlich zum einen eines unentgeltlichen E-Mail-Dienstes, der durch Werbung finanziert wird, und zum anderen eines entgeltlichen E-Mail-Dienstes ohne Werbung. Der Gerichtshof ist daher der Ansicht, dass der Bundesgerichtshof festzustellen haben wird, ob der betroffene Nutzer, der sich für die unentgeltliche Variante des E-Mail-Dienstes T-Online entschieden hat, ordnungsgemäß über die genauen Modalitäten der Verbreitung einer solchen Werbung informiert wurde und tatsächlich darin einwilligte, Werbenachrichten zu erhalten. Viertens ist der Gerichtshof zwar der Ansicht, dass die Einblendung dieser Werbenachrichten in der Liste der privaten E-Mails des Nutzers den Zugang zu diesen E-Mails in ähnlicher Weise behindert wie dies bei unerbetenen E-Mails (auch als „Spam“ bezeichnet) der Fall ist, weist aber darauf hin, dass die Richtlinie 2002/58 nicht das Erfordernis vorschreibt, festzustellen, dass die Belastung des Nutzers über eine Belästigung hinausgeht. Zugleich stellt der Gerichtshof fest, dass eine solche Einblendung von Werbenachrichten dem Nutzer jedenfalls tatsächlich eine Belastung auferlegt. Schließlich ist der Gerichtshof der Ansicht, dass ein Vorgehen, das darin besteht, in der Inbox eines Nutzers eines E-Mail-Dienstes Werbenachrichten in einer Form, die der einer tatsächlichen E-Mail ähnlich ist, einzublenden, unter den Begriff des „hartnäckigen und unerwünschten Ansprechens“ der Richtlinie 2005/29 fällt, wenn die Einblendung dieser Werbenachrichten zum einen so häufig und regelmäßig war, dass sie als „hartnäckiges“ Ansprechen eingestuft werden kann, und zum anderen bei Fehlen einer von diesem Nutzer zuvor erteilten Einwilligung als „unerwünschtes“ Ansprechen eingestuft werden kann. Urteil in der Rechtssache C-102/20 - StWL Städtische Werke Lauf a.d Pegnitz Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 25.11.2021 zurück zur Übersicht
2. BGH: Keine Millionen-Entschädigung für Witwe von Helmut Kohl
Der unter anderem für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei Verfahren um das Buch "VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE" Urteile verkündet. Die Revision der Klägerin gegen das den von ihr geltend gemachten Geldentschädigungsanspruch verneinende Urteil des Oberlandesgerichts Köln (VI ZR 258/18) hat er zurückgewiesen. Zum Teil erfolgreich waren die Revisionen der Klägerin und des beklagten Verlags ("Drittbeklagte") hinsichtlich des sich mit den Unterlassungsansprüchen befassenden Urteils des Oberlandesgerichts Köln (VI ZR 248/18).
Sachverhalt: Das Buch enthält eine Vielzahl angeblicher Äußerungen des vormaligen Klägers Bundeskanzler a. D. Dr. Helmut Kohl. Hinsichtlich sämtlicher Äußerungen machen die Beklagten geltend, dass sie anlässlich von Gesprächen gefallen sind, die der Erstbeklagte mit dem vormaligen Kläger zur Erstellung von dessen Memoiren geführt hatte. Der vormalige Kläger hat geltend gemacht, das Buch verletze ihn in insgesamt 116 Passagen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Er hat die Beklagten deshalb zum einen auf Unterlassung der wörtlichen oder sinngemäßen Verbreitung dieser Passagen (VI ZR 248/18) und zum anderen auf Zahlung einer Geldentschädigung in einer Größenordnung von mindestens 5 Mio. € nebst Zinsen (VI ZR 258/18) in Anspruch genommen. Bei der nunmehrigen Klägerin handelt es sich um die Witwe und Alleinerbin des am 16. Juni 2017 und damit während der Berufungsverfahren verstorbenen vormaligen Klägers, die den Rechtsstreit fortführt. VI ZR 258/18 (Geldentschädigung)
Bisheriger Prozessverlauf: Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei nicht vererblich, weshalb der Klageanspruch jedenfalls mit dem Tod des vormaligen Klägers erloschen sei. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Sie begehrt weiterhin eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens 5 Mio. € nebst Zinsen.
Nach dem Tod des Zweitbeklagten ist der Rechtsstreit ihm bzw. seinen Erben gegenüber unterbrochen. Gegenstand des nunmehr verkündeten, die Frage der Geldentschädigung betreffenden Urteils (Teilurteil) sind deshalb nur die gegen den Erstbeklagten und gegen die Drittbeklagte geltend gemachten Ansprüche.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Die grundsätzliche Unvererblichkeit eines solchen Anspruchs entspricht der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Begründet wird sie mit der Funktion des Geldentschädigungsanspruchs, bei der der Genugtuungsgedanke im Vordergrund steht; einem Verstorbenen kann Genugtuung aber nicht mehr verschafft werden. Durchgreifende Gründe, diese Rechtsprechung aufzugeben, sah der VI. Zivilsenat nicht. Schließlich lagen im Streitfall auch keine besonderen Umstände vor, die (ausnahmsweise) zur Vererblichkeit geführt hätten. Insbesondere wird der Geldentschädigungsanspruch nicht dadurch vererblich, dass er dem Erblasser noch zu dessen Lebzeiten zugesprochen wird, wenn das entsprechende Urteil bei Eintritt des Todes - wie hier - noch nicht rechtskräftig ist. VI ZR 248/18 (Klage auf Unterlassung):
Bisheriger Prozessverlauf: Die Berufung des Erstbeklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Auch nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der Erstbeklagte aufgrund einer mit dem vormaligen Kläger konkludent getroffenen Vereinbarung zur Verschwiegenheit über sämtliche im Rahmen der Memoirengespräche erlangte Informationen verpflichtet. Diese Verpflichtung dauere fort und könne - so das Oberlandesgericht weiter - auch nach dem Tod des vormaligen Klägers durch die Klägerin geltend gemacht werden. Die Revision hat das Oberlandesgericht insoweit nicht zugelassen. Die vom Erstbeklagten dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs bereits mit Beschluss vom 23. März 2021 zurückgewiesen. Insoweit war das Verfahren bereits vor Verkündung des heutigen Urteils abgeschlossen. Die Berufungen des Zweitbeklagten und der Drittbeklagten hatten in Bezug auf eine der 116 Textpassagen voll und in Bezug auf weitere 40 Textpassagen zum Teil Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts trifft diese beiden Beklagten zwar eine Unterlassungsverpflichtung wegen Verletzung des - nun postmortalen - Persönlichkeitsrechts des vormaligen Klägers. Diese Unterlassungsverpflichtung sei aber auf die wörtliche Wiedergabe und Verbreitung (angeblich) wörtlicher Zitate des vormaligen Klägers beschränkt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils; der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte begehren mit ihren Revisionen weiterhin die Abweisung der Klage. Nach dem Tod des Zweitbeklagten ist auch dieses Verfahren ihm bzw. seinen Erben gegenüber unterbrochen. Gegenstand des nun verkündeten Urteils (Teilurteil) ist deshalb alleine noch der gegen die Drittbeklagte gerichtete Unterlassungsanspruch.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Nur insoweit verletzen Veröffentlichung und Verbreitung der angegriffenen Buchpassagen das von der Klägerin wahrgenommene postmortale Persönlichkeitsrecht ihres verstorbenen Ehemannes. Soweit keine Fehlzitate vorliegen, besteht keine Unterlassungspflicht der Drittbeklagten. Eine solche folgt - anders als das Oberlandesgericht meinte - insbesondere nicht daraus, dass der vormalige Kläger einer Veröffentlichung einiger Aussagen schon im Rahmen der Memoirengespräche ausdrücklich widersprochen hatte ("Sperrvermerkszitate"), noch daraus, dass die Wiedergabe wörtlicher Zitate eine unzulässige "bildnisgleiche" bzw. "intensive" Verdinglichung seiner Person darstellte. Soweit sich die Zitate auf der Grundlage der Feststellungen des Oberlandesgerichts abschließend als Fehlzitate einordnen lassen, hat der VI. Zivilsenat deshalb die Revision der Drittbeklagten zurückgewiesen, soweit sie sich abschließend als zutreffend beurteilen lassen, hat er das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Soweit sich auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht beurteilen lässt, ob das jeweilige Zitat richtig oder falsch ist, hat der Senat die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, damit die noch fehlenden Feststellungen dort getroffen werden können. Die Revision der Klägerin hatte insoweit Erfolg, als das Oberlandesgericht die Unterlassungsverpflichtung der Drittbeklagten auch hinsichtlich der (möglichen) Fehlzitate auf die wörtliche Wiedergabe der im Buch als wörtliche Zitate gekennzeichneten Aussagen beschränkt hatte. Denn das postmortale Persönlichkeitsrecht eines Verstorbenen verletzende Fehlzitate dürfen auch nicht sinngemäß veröffentlicht oder verbreitet werden. Urteile vom 29. November 2021 - VI ZR 248/18 und VI ZR 258/18
Vorinstanzen: Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 29.11.2021 zurück zur Übersicht
3. OLG Frankfurt a.M.: Irreführende Werbung mit zusätzlichem Datenvolumen durch Mobilfunkanbieter
Es ist wettbewerbswidrig, wenn ein Mobilfunkanbieter einem Kunden, der gekündigt hat, per E-Mail zusätzliches Datenvolumen verspricht, ihm jedoch erst in einem späteren Telefonat mitteilt, dass dieses Angebot nur dann gilt, wenn er die Kündigung zurückzieht (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 16.09.2021 - Az.: 6 U 133/20). Ein Kunde kündigte seinen Vertrag beim verklagten Mobilfunkanbieter. Er erhielt daraufhin eine E-Mail, in der ihm ein Geschenk in Form eines Datenvolumens von 1 GB unter der Bedingung versprochen wurde, dass er bei der Hotline anrufen würde. Als er dies tat, wurde ihm mitgeteilt, dass eine Freischaltung des Datenvolumens nur möglich sei, wenn er seine Kündigung zurückziehe.
Dies stufte das OLG Frankfurt a.M. als Irreführung und somit als Wettbewerbsverstoß ein.
"Die Beklagte hat gegen § 5 Abs. 1 UWG verstoßen, indem sie damit geworben hat, dass der Kunde bei einem Anruf 1 GB Datenvolumen voraussetzungslos erhalte und dem Kunden bei dem Anruf, dagegen (zweimal) mitgeteilt hat, dass die zusätzliche Voraussetzung der Kündigungsrücknahme zu erfüllen sei. (...) zurück zur Übersicht
4. OLG Frankfurt a.M.: Firmierung als "Manufaktur" setzt lange Tradition und Handarbeit voraus
Firmiert ein Unternehmen als "Manufaktur", so ist dies nur dann zulässig, wenn eine lange Tradition und eine überwiegende Produktion in Handarbeit besteht (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 29.06.2021 - Az.: 6 U 46/20). Die Beklagte trug in ihrem Firmennamen u.a. die Bezeichnung "Manufaktur". Die Klägerin sah darin eine Irreführung, da die Fertigung der Ware nicht überwiegend in Handarbeit erfolge. Die Beklagte vertrat den Standpunkt, dass dies nicht erforderlich sei, weil der Begriff inzwischen als Synonym für Unternehmen oder Fabrik verwendet werde. Die Frankfurter Richter gaben der Klägerin Recht.
Es sei nicht davon auszugehen, dass der Begriff "Manufaktur" von der überwiegenden Mehrheit mit den Begriffen "Fabrik" oder "Unternehmen" gleichgesetzt werde:
"Vorliegend kann aber weder davon ausgegangen werden, dass sich der Begriff „Manufaktur“ bereits vollständig hin zum Synonym für „Fabrik“, „Firma“, „Unternehmen“ oder „Werk“ gewandelt hätte, noch, dass eine solch neue Bedeutung schon so weit eingeführt wäre, dass sie nicht mehr als irreführend beanstandet werden könnte (...). Da diese Voraussetzungen bei der Beklagten nicht der Fall waren, stufte das Gericht die Verwendung als wettbewerbswidrige Irreführung ein. zurück zur Übersicht
5. OVG Schleswig: Wirtschaftsakademie ist wegen datenschutzrechtlicher Verstöße verpflichtet, Facebook-Fanpage zu deaktivieren
Dies hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts gestern nach mehrstündiger mündlicher Verhandlung entschieden und damit der Berufung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) stattgegeben. Gegenstand der Entscheidung war primär die Frage, ob mit dem Betrieb einer Facebook-Fanpage durch die Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein GmbH zum maßgeblichen Zeitpunkt im Dezember 2011 ein schwerwiegender Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften einherging. Dies hat der Senat bejaht. Er hat einen schwerwiegenden Verstoß in der Verwendung der personenbezogenen Daten von im Facebook-Netzwerk registrierten und angemeldeten Personen erkannt. Diese Datenverwendung sei weder gesetzlich erlaubt, noch hätten die Nutzerinnen und Nutzer in diese eingewilligt. Außerdem seien die betroffenen Personen nicht hinreichend über sämtliche Datenerhebungs- und –verwendungsvorgänge, die durch den Besuch einer Fanpage angestoßen würden, informiert worden. Für diese Verstöße sei die Klägerin auch mitverantwortlich. Alle anderen zu Beginn des Verfahrens noch streitigen Rechtsfragen waren vorab durch Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts bereits verbindlich geklärt worden. Das ULD hatte gegenüber der Wirtschaftsakademie im Dezember 2011 angeordnet, die von ihr betriebene Facebook-Fanpage wegen datenschutzrechtlicher Verstöße von Facebook zu deaktivieren. Auf die Klage der Wirtschaftsakademie hatte das Verwaltungsgericht im Oktober 2013 den streitgegenständlichen Bescheid zunächst aufgehoben. Die dagegen eingelegte Berufung des ULD hatte nach einem ersten Urteil des Oberverwaltungsgerichts im September 2014 keinen Erfolg gehabt. In dem sich anschließenden Revisionsverfahren hatte das Bundesverwaltungsgericht bestimmte Fragen – insbesondere zur Verantwortlichkeit von Fanpagebetreibern und zur Anwendbarkeit deutschen Datenschutzrechts – vorab dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung vorgelegt. Nachdem dieser im Juni 2018 entschieden hatte, hat das Bundesverwaltungsgericht im September 2019 das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus September 2014 aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Gegen das Urteil (Az. 4 LB 20/13) kann innerhalb eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt werden. Aktuell liegen schriftliche Urteilsgründe noch nicht vor. Quelle: Pressemitteilung des OVG Schleswig v. 26.11.2021 zurück zur Übersicht
6. LAG Berlin-Brandenburg: Kein Abbruch der Betriebsratswahl bei Fahrradlieferdienst "Gorillas"
Die bereits begonnene Betriebsratswahl bei dem Fahrradlieferdienst „Gorillas“ kann fortgesetzt werden. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden. Die Arbeitgeberin hatte den Abbruch der Betriebsratswahl verlangt, weil nach ihrer Auffassung der Wahlvorstand nicht ordnungsgemäß gebildet worden sei und erhebliche Mängel im Wahlverfahren vorlägen. Das Arbeitsgericht hat diesen Antrag durch Beschluss vom 17. November 2021 (vgl. Pressemitteilung Nr. 46/21) zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Arbeitgeberin an das Landesarbeitsgericht. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Eine Betriebsratswahl könne gerichtlich nur abgebrochen werden, wenn der Wahlvorstand bei Einleitung der Wahl offensichtlich nicht im Amt war oder die festzustellenden Mängel im Wahlverfahren zu einer nichtigen Wahl führen würden. In allen anderen Fallgestaltungen sei der Arbeitgeber auf das Wahlanfechtungsverfahren zu verweisen, bei dem der gewählte Betriebsrat jedoch zunächst im Amt bleibe. Im vorliegenden Fall lagen diese Voraussetzungen für einen Abbruch der Betriebsratswahl nicht vor. Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.11.2021, Az. 13 TaBVGa 1534/21 Quelle: Pressemitteilung des LAG Berlin-Brandenburg v. 23.11.2021 zurück zur Übersicht
7. SG Oldenburg: Hartz IV-Bezieherin muss eBay-Einkünfte offenlegen
Das Sozialgericht Oldenburg hatte in einem Eilverfahren zu entscheiden, ob und inwieweit eine Leistungsbezieherin nach dem SGB II (Hartz IV) Einnahmen aus Verkäufen auf der Plattform eBay gegenüber dem Jobcenter offenzulegen hat. Die Antragstellerin bezieht gemeinsam mit ihrer minderjährigen Tochter seit mehreren Jahren Leistungen nach dem SGB II. Das Jobcenter forderte die Antragstellerin auf, Unterlagen über diverse getätigte Verkäufe auf der Plattform eBay vorzulegen, weil dem Jobcenter bekannt geworden war, dass sie in nicht unerheblichen Umfang Verkäufe über diese Plattform tätigte. Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin nur unzureichend nach, sodass das Jobcenter zunächst monatlich einen Betrag von ca. 500 € als Einkünfte bei der Berechnung der Leistungen der Antragstellerin berücksichtigte. Gegen diese Entscheidung des Jobcenters beantragte die Antragstellerin eine einstweilige Anordnung mit dem Ziel der Auszahlung ihrer Leistungen ohne die vorgenommene Einkommensanrechnung. Vor dem Sozialgericht Oldenburg wurde zunächst ein Vergleich dahingehend geschlossen, dass die Antragstellerin sich verpflichte, für den streitigen Leistungszeitraum Kontoauszüge ihres PayPal Kontos und ihres Girokontos vorzulegen. Die Antragstellerin legte entsprechende Unterlagen beim Jobcenter vor, wobei in großem Umfang Einzahlungen auf diesen Konten geschwärzt wurden. Daraufhin lehnte das Jobcenter die Neuberechnung der Leistungen in dem streitigen Leistungszeitraum ab. Gegen diese Entscheidung beantragte die Antragstellerin erneut bei dem Sozialgericht Oldenburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der ungekürzten Auszahlung der Leistungen nach dem SGB II. Mit Beschluss vom 26.08.2021 (S 34 AS 140/21 ER) lehnte das Sozialgericht Oldenburg die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab. Das Gericht vertrat dabei die Auffassung, dass die Antragstellerin 2 eBay-Accounts betreiben würde, über die sie gebrauchte Luxusprodukte verschiedener Firmen (wie zum Beispiel Louis Vuitton, Versace oder Chanel) verkaufen würde. Die Klägerin sei verpflichtet, gegenüber dem Jobcenter offenzulegen, welche Einnahmen sie aus diesen Verkäufen habe. Zwar könne sie grundsätzlich die vorzulegenden Auszüge ihrer Konten in Bezug auf getätigte Ausgaben schwärzen, sie sei jedoch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung verpflichtet, Einkünfte lückenlos offenzulegen. Solange sie dieses nicht tue, sei das Jobcenter berechtigt, zumindest die streitige Einkommensanrechnung durchzuführen. Ob die Antragstellerin für die Vergangenheit gezahlte Leistungen nach dem SGB II zurückzuzahlen verpflichtet sei, sei nicht Gegenstand des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Diese Entscheidung des Sozialgerichts hat das Landessozialgericht Niedersachsen Bremen mit Beschluss vom 28.09.2021 bestätigt. Die Entscheidung des Sozialgerichts Oldenburg ist damit bestandskräftig. Quelle: Pressemitteilung des SG Oldenburg v. 14.11.2021 zurück zur Übersicht
8. LG Stuttgart: Kein fliegender Gerichtsstand im Wettbewerbsrecht bei Online-Verstößen mehr
Bei reinen Online-Sachverhalten, wo es um die Verletzung von Wettbewerbsverstößen geht, gilt nach § 14 Abs.2 Nr.1 UWG nicht mehr der fliegende Gerichtsstand (LG Stuttgart, Beschl. v. 27.10.2021 - Az.: 11 O 486/21). Seit dem 02.12.2020 ist das neue Wettbewerbsrecht in Kraft getreten. Unter anderem wurde dabei § 14 Abs.2 UWG überarbeitet, wonach für Streitigkeiten im E-Commerce oder bei Telemedien der fliegende Gerichtsstand eingeschränkt bzw. abgeschafft werden sollte. In der letzten Zeit haben mehrere Gerichte Entscheidungen gefällt, wonach diese Begrenzung des fliegenden Gerichtsstandes nur einschränkend zur Anwendung kommen soll.
Dieser Ansicht hat das LG Stuttgart eine klare Absage erteilt. Es vertritt vielmehr den Standpunkt, dass der fliegende Gerichtsstand grundsätzlich abgeschafft sei:
"Dem steht auch nicht der vom Kläger zitierte, persönlich verfasste Beitrag des Berichterstatters der CDU/CSU-Fraktion J(...) (GRUR 2021, 984, 986) entgegen. Und weiter: "Den vom Kläger anhand von mehreren Beispielsfällen, die zu vermeintlich „grotesken Ergebnissen“ führten, geäußerten Bedenken wegen Wertungswidersprüchen bei medienübergreifenden Verstößen (Schriftsatz vom 15.10.2021, S. 2, 3, 7) lässt sich schließlich anderweitig begegnen. zurück zur Übersicht
9. Datenschutzbeauftragter Thüringen: Kundenzufriedenheitsanfrage per E-Mail ohne Einwilligung ist DSGVO-Verstoß
Kundenzufriedenheitsanfragen per E-Mail ohne eine ausdrückliche Einwilligung sind nicht Wettbewerbsverstöße, sondern verletzen nach Ansicht des Landesdatenschutzbeauftragten von Thüringen auch die datenschutzrechtlichen Regelungen der DSGVO. In dem vor kurzem veröffentlichen Tätigkeitsbericht des Landesdatenschutzbeauftragten von Thüringen Dr. Lutz Hasse (PDF-Download) ging es um einen Fall, bei dem ein Online-Shop nach einem erfolgten Kauf dem Kunde eine E-Mail zusandte mit der Aufforderung, den Online-Shop zu bewerten. Hierfür lag keine Erlaubnis vor. Der BGH (BGH, Urt. 10.07.2018 - Az.: VI ZR 225/17) hat bereits im Jahr 2018 entschieden, dass es sich um einen Wettbewerbsverstoß handelt. Dies gilt auch dann, wenn eine solche Anfrage in einer E-Mail übersendet wird, mit der der Kunde die Rechnung erhält, vgl. unsere Kanzlei-News v. 17.09.2018. Nun ging es um die Frage, ob auch eine DSGVO-Verletzung vorliegt.
Dies hat der thüringische Datenschutzbeauftragte bejaht, Auf S. 136 ff. des Berichts führt er aus:
"Hierzu regelt das Wettbewerbsrecht in § 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), in welchen Fällen von einer unzumutbaren Belästigung der Beworbenen auszugehen und eine Werbung dieser Art unzulässig ist. Weil Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe f) DS-GVO eine Verarbeitung personenbezogener Daten nur für zulässig erklärt, soweit die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht überwiegen, sind auch bei der datenschutzrechtlichen Beurteilung einer Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke der Direktwerbung, die Wertungen in den Schutzvorschriften des UWG für die jeweilige Werbeform mit zu berücksichtigen. Und weiter: "Die Werbung per E-Mail stellt eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG dar, da nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG eine Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. (...) zurück zur Übersicht
10. Webinar mit RA Dr. Bahr "Der neue § 7a UWG: Ist Telefonmarketing in Deutschland überhaupt noch rechtssicher möglich?" am 03.12.2021
Am 03.12.2021 gibt es ein kostenloses Webinar mit RA Dr. Bahr zum Thema "Der neue § 7a UWG: Ist Telefonmarketing in Deutschland überhaupt noch rechtssicher möglich?" Die Veranstaltung ist kostenfrei. Anmeldungen können hier vorgenommen werden.
Datum: 03.12.2021
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