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Newsletter vom 02.03.2022 |
Betreff: Rechts-Newsletter 9. KW / 2022: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. EuG: "ANDORRA" nicht als Marke für Waren und Dienstleistungen eintragungsfähig _____________________________________________________________ Das Gericht bestätigt, dass das Bildzeichen ANDORRA nicht als Unionsmarke für mehrere Waren und Dienstleistungen eingetragen werden kann Die Marke hat beschreibenden Charakter und kann von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Hinweis auf die Herkunft der betreffenden Waren und Dienstleistungen wahrgenommen werden
Im Juni 2017 meldete der Govern d’Andorra (Regierung des Fürstentums Andorra) nach der Verordnung über die Unionsmarke beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das folgende Bildzeichen für ein breites Spektrum an Waren und Dienstleistungen als Unionsmarke an:
Andorra Das EUIPO wies die Anmeldung im Februar 2018 zurück. Diese Zurückweisung wurde mit einer Entscheidung vom 26. August 2019 bestätigt. Das EUIPO war insbesondere der Ansicht, dass das Zeichen zum einen als Bezeichnung der geografischen Herkunft der betreffenden Waren und Dienstleistungen oder als des Ortes wahrgenommen würde, an dem die Dienstleistungen erbracht werden. Zum anderen sei das Zeichen ANDORRA nicht unterscheidungskräftig, da es lediglich über diese geografische Herkunft informiere, nicht aber über die besondere betriebliche Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen Auskunft gebe. Der Govern d’Andorra erhob gegen die Entscheidung des EUIPO Klage beim Gericht der Europäischen Union. Mit seinem heutigen Urteil weist das Gericht die Klage in vollem Umfang ab. Der Govern d’Andorra macht insbesondere geltend, dass es sich bei Andorra nicht um ein Land handele, das für die Herstellung der betreffenden Waren und die Erbringung der fraglichen Dienstleistungen bekannt sei, so dass für den Verbraucher keine tatsächliche oder potenzielle Beziehung zwischen den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen und der angemeldeten Marke bestehe, die die Annahme zuließe, dass der Begriff „andorra“ eine geografische Herkunft im Sinne der Verordnung angebe. Das Gericht prüft daher den beschreibenden Charakter der angemeldeten Marke in Bezug auf die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen. Zu diesem Zweck muss es zum einen ermitteln, ob der geografische Begriff, aus dem die angemeldete Marke besteht, von den maßgeblichen Verkehrskreisen als solcher verstanden und erkannt wird. Zum anderen hat es zu prüfen, ob dieser geografische Begriff mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen in Zusammenhang steht oder künftig stehen könnte. Nach einer eingehenden Prüfung kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass es dem Govern d’Andorra nicht gelungen ist, die Beurteilungen des EUIPO hinsichtlich des beschreibenden Charakters der angemeldeten Marke in Bezug auf die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen in Frage zu stellen, und dass das EUIPO daher zu Recht die Auffassung vertreten hat, dass diese Marke deshalb nicht als Unionsmarke habe eingetragen werden können.
Es handelt sich nämlich um ein absolutes Eintragungshindernis, das für sich genommen dazu führt, dass das Zeichen nicht als Unionsmarke eingetragen werden kann. Urteil in der Rechtssache T-806/19 Govern d'Andorra / EUIPO (Andorra)
Quelle: Pressemitteilung des EuG v. 23.02.2022
Sachverhalt: Die Beklagte ist die Produzentin einer Show, in der die Sängerin F. auftritt und die größten Hits der Klägerin präsentiert. Die Beklagte warb mit Plakaten, auf denen F. abgebildet und die Show mit den Worten "SIMPLY THE BEST - DIE tina turner STORY" angekündigt wird. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Betrachter aufgrund der Ähnlichkeit zwischen F. und ihr sowie des genannten Texts davon ausgehe, sie selbst sei auf den Plakaten abgebildet und an der Show beteiligt. Die Klägerin hatte weder in die Verwendung ihres Bildnisses noch ihres Namens eingewilligt und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
Bisheriger Prozessverlauf: Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stünden keine Unterlassungsansprüche zu. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild und am eigenen Namen der Klägerin eingegriffen hat. Wird eine Person durch eine andere Person - beispielsweise einen Schauspieler - dargestellt, liegt ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild vor, wenn aus Sicht eines nicht unerheblichen Teils des angesprochenen Publikums der täuschend echte Eindruck erweckt wird, es handele sich um die dargestellte Person selbst. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die beanstandete Werbung den Eindruck erweckt, auf den Plakaten sei die Klägerin abgebildet. Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht die Verwendung des Bildnisses der Klägerin auf den streitgegenständlichen Plakaten der Beklagten als nach §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Kunsturhebergesetz (KUG) erlaubt angesehen. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG bereits deswegen nicht zu Gunsten der Beklagten eingreifen könne, weil das in Rede stehende Bildnis auf Bestellung angefertigt worden sei. Ist die tatsächlich abgebildete Person nicht identisch mit der Person, die aus Sicht eines nicht unerheblichen Teils des angesprochenen Publikums (vermeintlich) abgebildet ist, kann allenfalls die tatsächlich, nicht aber die vermeintlich abgebildete Person gegen die Verwendung der Abbildung einwenden, dass sie auf Bestellung angefertigt worden sei. Der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte ein Bildnis der Klägerin zur Bewerbung einer anderen Kunstform - hier einer Tribute-Show - eingesetzt hat. Vor dem Hintergrund des weiten Schutzbereichs der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG ist dies vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst. Die Werbung für eine Show, in der Lieder einer prominenten Sängerin von einer ihr täuschend ähnlich sehenden Darstellerin nachgesungen werden, mit einem Bildnis der Darstellerin, das den täuschend echten Eindruck erweckt, es handele sich um die prominente Sängerin selbst, ist grundsätzlich von der Kunstfreiheit gedeckt. Ein nicht gerechtfertigter Eingriff in den vermögenswerten Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des prominenten Originals ist mit der Werbung für eine solche Tribute-Show allerdings dann verbunden, wenn der unzutreffende Eindruck erweckt wird, das prominente Original unterstütze sie oder wirke sogar an ihr mit. Das Berufungsgericht ist zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass den Plakaten der Beklagten nicht die unwahre Tatsachenbehauptung zu entnehmen ist, die Klägerin unterstütze die Show der Beklagten oder wirke sogar an ihr mit. Die Plakate enthalten keine ausdrückliche Aussage darüber und sind auch nicht in diesem Sinne mehrdeutig. Für die Interessenabwägung zum Recht der Klägerin am eigenen Namen hat das Berufungsgericht auf seine Ausführungen bei der Interessenabwägung zum Recht am eigenen Bild verwiesen. Dies ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Vorinstanzen:
Urteil vom 24. Februar 2022 - I ZR 2/21 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 24.02.2022
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Der Kläger ist Insolvenzverwalter. Er begehrt - unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen - zur Prüfung von Insolvenzanfechtungsansprüchen steuerliche Auskünfte zu zwei insolventen Gesellschaften. Das zuständige Finanzamt lehnte die Anträge unter Berufung auf das Steuergeheimnis ab. Die hiergegen erhobenen Klagen hatten vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht Erfolg. Das Steuergeheimnis werde nicht verletzt. Während des Revisionsverfahrens ist im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) auch die Abgabenordnung geändert worden. Insbesondere enthält diese nun verschiedene Ausschlussgründe für dem Grunde nach bestehende Ansprüche auf Informationszugang nach den Informationsfreiheitsgesetzen bzw. der DS-GVO. Danach sind die Finanzbehörden nicht mehr neben etwaigen zivilrechtlichen Auskunftsansprüchen Informationszugangsansprüchen nach dem Recht der Informationsfreiheit oder - soweit natürliche Personen als Insolvenzschuldner betroffen sind - nach dem europäischen Datenschutzrecht ausgesetzt. Wegen der insoweit aufgeworfenen unionsrechtlichen Fragen zu Art. 23 Abs. 1 Buchst. e und j DS-GVO hat der Senat die Verfahren ausgesetzt und ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet. Der Gerichtshof (Az. C-620/19) hat sich mit Blick darauf, dass es vorliegend um Auskünfte zu juristischen Personen geht, hinsichtlich derer die Datenschutz-Grundverordnung keine Anwendung findet, für nicht zuständig erklärt. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Urteile des Oberverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichts geändert und die Klagen abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Informationszugang zu steuerlichen Daten der Finanzbehörden. Das Auskunftsrecht besteht deswegen nicht gegenüber einer Finanzbehörde, weil die novellierte Abgabenordnung solche Auskunftsansprüche im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung über zivilrechtliche Ansprüche in Übereinstimmung mit der DS-GVO ausschließt (§ 32e; § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Buchst. e und j DS-GVO). Die unionsrechtlichen Öffnungsklauseln in Art. 23 DS-GVO wollen den Schutz wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses, etwa im Steuerbereich und die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche sicherstellen. BVerwG 10 C 4.20 - Urteil vom 25. Februar 2022
Vorinstanzen:
BVerwG 10 C 7.21 - Urteil vom 25. Februar 2022
Quelle: Pressemitteilung des BVerwG v. 25.02.2022
Datenschutz-Grundverordnung
§ 32e Verhältnis zu anderen Auskunfts- und Informationszugangsansprüchen Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Am 22. November 2019 führten der Geschäftsführer und der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten, der sich als Rechtsanwalt für Arbeitsrecht vorstellte, im Büro des Geschäftsführers ein Gespräch mit der als Teamkoordinatorin Verkauf im Bereich Haustechnik beschäftigten Klägerin. Sie erhoben gegenüber der Klägerin den Vorwurf, diese habe unberechtigt Einkaufspreise in der EDV der Beklagten abgeändert bzw. reduziert, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln. Die Klägerin unterzeichnete nach einer etwa zehnminütigen Pause, in der die drei anwesenden Personen schweigend am Tisch saßen, den von der Beklagten vorbereiteten Aufhebungsvertrag. Dieser sah ua. eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2019 vor. Die weiteren Einzelheiten des Gesprächsverlaufs sind streitig geblieben. Die Klägerin focht den Aufhebungsvertrag mit Erklärung vom 29. November 2019 wegen widerrechtlicher Drohung an. Mit ihrer Klage hat die Klägerin ua. den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. November 2019 hinaus geltend gemacht. Sie hat behauptet, ihr sei für den Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrags die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung sowie die Erstattung einer Strafanzeige in Aussicht gestellt worden. Ihrer Bitte, eine längere Bedenkzeit zu erhalten und Rechtsrat einholen zu können, sei nicht entsprochen worden. Damit habe die Beklagte gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Auch wenn der von der Klägerin geschilderte Gesprächsverlauf zu ihren Gunsten unterstellt wird, fehlt es an der Widerrechtlichkeit der behaupteten Drohung. Ein verständiger Arbeitgeber durfte im vorliegenden Fall sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen. Ebenso ist das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage der vom Senat in der Entscheidung vom 7. Februar 2019 - 6 AZR 75/18-) entwickelten Maßstäbe unter Berücksichtigung des in der Revisionsinstanz nur eingeschränkten Prüfungsumfangs zutreffend zu dem Schluss gekommen, dass die Beklagte nicht unfair verhandelt und dadurch gegen ihre Pflichten aus § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. Die Entscheidungsfreiheit der Klägerin wurde nicht dadurch verletzt, dass die Beklagte den Aufhebungsvertrag entsprechend § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet hat und die Klägerin über die Annahme des¬wegen sofort entscheiden musste.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2022 - 6 AZR 333/21 -
Quelle: Pressemitteilung des BAG v. 24.02.2022
Die Parteien stritten um die Frage, ob eine städtische Einrichtung die Tabellenkalkulation zur Überwachung von Verhalten oder Leistung ihrer Beschäftigten einsetzen darf, ohne dass der zuständige Personalrat beteiligt gewesen ist.
Die gesetzliche Regelung lautete:
"Die Personalvertretung hat (...) mitzubestimmen über (...) Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu objektiv geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen (...)" Es stellte sich also die Frage, ob es sich bei dem Excel-Einsatz um eine technische Einrichtung handelte. Diese Frage haben die Richter im Ergebnis verneint.
Zwar könne eine solche Vorgehensweise durchaus eine technische Einrichtung darstellen. Im vorliegenden Falle fehle es jedoch aufgrund der Speicherung an der Möglichkeit einer ausreichenden Überwachung:
"Zwar ist dem Verwaltungsgericht zuzugeben, dass die Daten in der Excel-Tabelle die Dauer der aufgeführten Verfahren erkennen lassen. Soweit das Verwaltungsgericht hieraus jedoch ableitet, dass anhand der Tabelle das Leistungsprofil einzelner Mitarbeiter oder eines Teams erkennbar ist und sich daraus ein Leistungsvergleich ergibt, kann ihm der beschließende Senat nicht folgen. Und weiter: "Selbst wenn die in der Tabelle aufgeführten Ansprechpartner auch die Federführung innehaben, lassen sich deren Leistungsprofile aus den in der Tabelle eingetragenen Daten nicht eindeutig ermitteln. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. OLG Düsseldorf: Kein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen Webseite mit Radschläger-Motiv _____________________________________________________________ Die Beklagte darf auf ihrer Internetseite weiterhin ein als "Düsseldorf Siegel" bezeichnetes Radschläger-Motiv veröffentlichen und ihre Produkte mit diesem Motiv kennzeichnen. Dies hat der unter anderem für Urheberrecht zuständige 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Düsseldorf Erfried Schüttpelz entschieden. Das Urteil vom 24. Februar 2022 (Aktenzeichen I-20 U 254/20) ist demnächst in der Rechtsprechungsdatenbank www.nrwe.de abrufbar. Die Klägerin machte als Alleinerbin einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte geltend, gestützt auf Urheberrechte an der im Jahr 1961 entworfenen Figur des "Düsseldorfer Radschlägers". Das Landgericht Düsseldorf hatte die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. Juni 2020, Az. 12 O 288/19). Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Der Senat konnte eine widerrechtliche Urheberverletzung nicht feststellen, weil erhebliche Unterschiede zwischen dem Original "Düsseldorfer Radschläger" und dem Radschläger-Motiv der Beklagten bestehen. So weist die Gestaltung der Beklagten im Vergleich zum Original einen noch höheren Grad der Abstrahierung auf und erinnert aufgrund der weichen Formgebung nur noch entfernt an die eckig wirkende X-Form des älteren Werks. Mit der Einbettung der Figur in einen Kreis und damit in eine Art "Rad" nimmt das Werk der Beklagten zudem die Mehrdeutigkeit des Begriffs "Radschläger" auf und schafft so einen weiteren Abstand zu dem Radschläger der Klägerin. Die Revision zum Bundesgerichtshof hat der Senat nicht zugelassen.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Düsseldorf v. 24.02.2022
Im vergangenen Jahr war eine schwangere Kundin des Lebensmittelmarkts schwer erkrankt und hatte in der Folge ihre Zwillinge verloren, nachdem sie Hähnchenfleisch aus dem Supermarkt gegessen hatte. Wie sich herausstellte, war das Hähnchenfleisch mit Bakterien verunreinigt. Bei einer amtlichen Kontrolle durch den Kreis im August 2021 wurden daraufhin massive Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften festgestellt. Der Kreis beabsichtigt nunmehr, die bei der Kontrolle festgestellten hygienischen Mängel im Betrieb des Antragstellers auf der für diese Zwecke geschaffenen Internetplattform für einen Zeitraum von 6 Monaten zu veröffentlichen. Er stützt sich insoweit auf eine lebensmittelrechtliche Vorschrift, nach der die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels und des Unternehmens informiert, wenn der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist. Gegen die ihm gegenüber angekündigte Veröffentlichung wendet sich der Antragsteller mit seinem Eilantrag. Er trägt u. a. vor, die festgestellten Mängel seien zwischenzeitlich beseitigt worden. Zur Begründung seines ablehnenden Beschlusses führt das Gericht im Wesentlichen aus: Nach dem Ergebnis der amtlichen Kontrolle liege der hinreichend begründete Verdacht eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften unzweifelhaft vor. Im Betrieb des Antragstellers seien massive Hygienemängel festgestellt worden. Außerdem sei ein Lebensmittel in Verkehr gebracht worden, das für den Verzehr durch Menschen ungeeignet gewesen sei. Dies habe der Antragsteller nicht entkräften können. Bei dieser Sachlage sei der Kreis zur Veröffentlichung verpflichtet. Dem stehe der Umstand, dass die Mängel zwischenzeitlich beseitigt worden seien, nicht entgegen. Hierauf werde in der Veröffentlichung ausdrücklich hingewiesen. Dass die Veröffentlichung jetzt erst erfolge, sei schließlich unschädlich. Insbesondere könne eine schuldhafte Verzögerung durch den Kreis nicht festgestellt werden. Er habe den Betrieb vielmehr in der Folgezeit wiederholt kontrolliert und weitere Proben analysieren lassen. Diese Überprüfungen hätten in eine Strafanzeige gegen den Antragsteller gemündet sowie in den Erlass einer lebensmittelrechtlichen Ordnungsverfügung. Mit dieser sei dem Antragsteller aufgegeben worden, Frischfleisch in seinem Betrieb nur unter bestimmten, im Einzelnen konkret aufgeführten Bedingungen herzustellen, zu behandeln und in Verkehr zu bringen. Außerdem habe er zu der beabsichtigten Veröffentlichung zunächst angehört werden müssen. Gegen den Beschluss kann der Antragsteller binnen zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entscheidet. Aktenzeichen: 7 L 21/22
Quelle: Pressemitteilung des VG Aachen v. 25.02.2022
In dem Rechtsstreit ging es um nachfolgende Regelung bei Netflix:
"3.5 Änderungen am Preis und Abo-Angebot. Wir sind berechtigt, den Preis unserer Abo-Angebote von Zeit zu Zeit in unserem billigen Ermessen zu ändern, um die Auswirkungen von Änderungen der mit unserem Dienst verbundenen Gesamtkosten widerzuspiegeln. Beispiele für Kostenelemente, die den Preis unserer Abo-Angebote beeinflussen, sind Produktions- und Lizenzkosten, Kosten für die technische Bereitstellung und die Verbreitung unseres Dienstes, Kundendienst und andere Kosten des Verkaufs (z. B. Rechnungstellung und Bezahlung, Marketing), allgemeine Verwaltungs- und andere Gemeinkosten (z.B. Miete, Zinsen und andere Finanzierungskosten, Kosten für Personal, Dienstleister und Dienstleistungen, IT-Systeme, Energie) sowie staatlich auferlegte Gebühren, Beiträge, Steuern und Abgaben. Alle Preisänderungen gelten frühestens 30 Tage nach Bekanntgabe an sie. Sie können ihre Mitgliedschaft jederzeit während der Kündigungsfrist kündigen, um zukünftige Belastungen zu vermeiden." Dies stufte als unwirksam ein.
Die Klausel sei unklar und missverständlich und benachteilige daher den Kunden unangemessen, so das Gericht:
"Bei kundenfeindlichster Auslegung der Bestimmung kommt ein Verständnis in Betracht, nach dem der Beklagten nicht nur ein der Überprüfung zugänglicher Ermessensspielraum zusteht und deshalb für ihre Vertragspartner keine Kontrolle des geänderten Preises auf Billigkeit stattfindet. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, da Netflix vor dem KG Berlin (23 U 15/22) Berufung eingelegt hat. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 9. VG Düsseldorf: Eheschließung per Online-Videokonferenz unwirksam _____________________________________________________________ Wer als Nicht-EU-Bürger mit einer Unionsbürgerin online über die Website der Behörden des Bundesstaates Utah der USA die Ehe schließt, hat keinen Anspruch auf Erhalt einer Bescheinigung nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern. Das hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit Beschluss vom gestrigen Tage, der den Beteiligten heute zugestellt wurde, im Eilverfahren entschieden. Ein türkischer Staatsangehöriger und eine bulgarische Staatsangehörige hatten sich im Juni 2021 in Duisburg per Videokonferenz das Ja-Wort gegeben, das ein Behördenmitarbeiter des US-Bundesstaates Utah protokolliert hatte. Hierüber haben sie eine diesen Akt bestätigende "Marriage License & Certificate of Marriage" des Staates Utah vorgelegt. Der türkische Staatsangehörige hat bei der Ausländerbehörde der Stadt Duisburg beantragt, ihm eine Bescheinigung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) auszustellen, dass er die für den Erhalt einer sog. Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern erforderlichen Angaben gemacht hat. Mit einer solchen Aufenthaltskarte wird ein ordnungsgemäßer Aufenthalt im Bundesgebiet nachgewiesen. Nachdem die Ausländerbehörde diesen Antrag abgelehnt hat, ist nunmehr auch der Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht erfolglos geblieben. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, Familienangehöriger einer Unionsbürgerin zu sein. Die Eheschließung sei in Deutschland nicht gültig. Bei Anwendung des nationalen Rechts ergebe sich dies aus §§ 1310 Abs. 1, 1311 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), wonach die Ehe persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit vor einem Standesbeamten geschlossen werden müsse. Auch in Anwendung des Internationalen Privatrechts fehle es an einer wirksamen Eheschließung, weil die beiden Personen bei der Abgabe des Eheversprechens nicht in Utah, sondern in Duisburg anwesend gewesen seien. Schließlich könne sich der Antragsteller nicht auf eine Vergleichbarkeit zur sog. "Dänemark-Ehe" berufen, die nach aufenthaltsrechtlicher Rechtsprechung wirksam sei, wenn die Eheleute vor einem dänischen Standesamt persönlich anwesend gewesen seien. An einer solchen Anwesenheit vor einem ausländischen Standesbeamten habe es hier gefehlt. Gegen den Beschluss kann Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet. Aktenzeichen: 7 L 122/22
Quelle: Pressemitteilung des VG Düsseldorf v. 16.02.2022
Der Kläger verfügte zu Beginn des Jahres 2017 über zuvor erworbene Bitcoins. Diese tauschte er im Januar 2017 zunächst in Ethereum-Einheiten und die Ethereum-Einheiten im Juni 2017 in Monero-Einheiten. Ende des Jahres 2017 tauschte er seine Monero-Einheiten teilweise wieder in Bitcoins und veräußerte diese noch im gleichen Jahr. Für die Abwicklung der Geschäfte hatte der Kläger über digitale Handelsplattformen entweder Kaufverträge mit Anbietern bestimmter Kryptowerte zu aktuellen Kursen oder Tauschverträge, bei denen er eigene Kryptowerte als Gegenleistung eingesetzt hat, geschlossen. Der Kläger erklärte den aus der Veräußerung erzielten Gewinn von rund 3,4 Millionen Euro in seiner Einkommensteuererklärung 2017 als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nr. 2, § 23 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer erklärungsgemäß fest. Der Kläger legte daraufhin Einspruch ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Kryptowährungen ein strukturelles Vollzugsdefizit bestehe und ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz vorliege. Daher dürften diese Gewinne nicht besteuert werden. Im Übrigen fehle es bei Kryptowährungen an der erforderlichen Veräußerung eines "Wirtschaftsguts". Dem folgte das Finanzgericht Köln nicht und wies die Klage ab. Ein strukturelles Vollzugsdefizit liege nicht vor. Dieses werde insbesondere nicht durch die anonyme Veräußerung begründet. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts vor. Bei den Kryptowährungen handele es sich um "andere Wirtschaftsgüter" im Sinne des § 23 Absatz 1 Nr. 2 EStG. Die Qualifikation als Wirtschaftsgut verstoße nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, da über den Gegenstand des Wirtschaftsguts keine Unklarheiten bestünden. Die vom Kläger gehandelten Kryptowerte (Bitcoin, Ethereum und Monero) seien verkehrsfähig und selbständig bewertbar. Zudem bestehe eine strukturelle Vergleichbarkeit mit Fremdwährungen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das Revisionsverfahren ist beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IX R 3/22 anhängig. Vollständige Entscheidung: 14 K 1178/20
Quelle: Pressemitteilung des FG Köln v. 25.02.2022
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