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Newsletter vom 02.11.2022 |
Betreff: Rechts-Newsletter 44. KW / 2022: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. EuGH: Datenverarbeitender muss angemessene Maßnahmen treffen, um Dritte über Löschungsbegehren zu informieren _____________________________________________________________ Der für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortliche muss geeignete technische und organisatorische Maßnahmen treffen, um die anderen Verantwortlichen, die ihm diese Daten übermittelt haben bzw. denen er die Daten weitergeleitet hat, über den Widerruf der Einwilligung der betroffenen Person zu informieren. Stützen sich verschiedene Verantwortliche auf ein und dieselbe Einwilligung der betroffenen Person, genügt es, wenn sich diese Person an irgendeinen der Verantwortlichen wendet, um ihre Einwilligung zu widerrufen Proximus, ein Anbieter von Telekommunikationsdiensten in Belgien, bietet auch Teilnehmerverzeichnisse und Telefonauskunftsdienste an. Die Verzeichnisse enthalten den Namen, die Adresse und die Telefonnummer der Teilnehmer der verschiedenen Anbieter öffentlich zugänglicher Telefondienste. Diese Kontaktdaten werden von den Telefondienstanbietern an Proximus übermittelt, es sei denn, der Teilnehmer hat den Wunsch geäußert, nicht in die Verzeichnisse aufgenommen zu werden. Proximus leitet außerdem die Kontaktdaten, die sie erhält, an einen anderen Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen weiter. Telenet, ein belgischer Telefondienstanbieter, leitet die Kontaktdaten seiner Teilnehmer an Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen, darunter Proximus, weiter. Einer dieser Teilnehmer forderte Proximus auf, seine Kontaktdaten in den von ihr und von Dritten herausgegebenen Teilnehmerverzeichnissen nicht aufzuführen. Daraufhin änderte Proximus den Status dieses Teilnehmers dahin gehend, dass seine Kontaktdaten nicht mehr zu veröffentlichen waren. In der Folge erhielt Proximus jedoch von Telenet eine Aktualisierung der Daten des fraglichen Teilnehmers. Diese Daten waren nicht als vertraulich ausgewiesen. Sie wurden von Proximus nach einem automatisierten Verfahren verarbeitet und dergestalt registriert, dass sie erneut in ihren Teilnehmerverzeichnissen erschienen. Auf die erneute Aufforderung des Teilnehmers hin, seine Daten nicht zu veröffentlichen, antwortete Proximus, dass sie die betreffenden Daten aus den Teilnehmerverzeichnissen gelöscht und Google kontaktiert habe, damit die maßgeblichen Links zur Website von Proximus entfernt würden. Proximus teilte dem fraglichen Teilnehmer außerdem mit, dass sie seine Kontaktdaten an andere Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen weitergeleitet habe, die dank der monatlichen Aktualisierungen über sein Begehren informiert worden seien. Gleichzeitig legte der fragliche Teilnehmer bei der belgischen Datenschutzbehörde eine Beschwerde ein. Die Streitsachenkammer dieser Behörde verpflichtete Proximus zum Ergreifen von Abhilfemaßnahmen und verhängte wegen Verstoßes gegen mehrere Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)1 eine Geldbuße in Höhe von 20 000 Euro gegen sie. Gegen diese Entscheidung legte Proximus beim Appellationshof Brüssel ein Rechtsmittel ein. Sie machte geltend, die Einwilligung des Teilnehmers sei für die Veröffentlichung seiner personenbezogenen Daten in Telefonverzeichnissen nicht erforderlich. Vielmehr müssten die Teilnehmer nach einem sogenannten „Opt-out“- System selbst beantragen, in den Teilnehmerverzeichnissen nicht aufgeführt zu werden. Solange kein solcher Antrag vorliege, dürfe der betreffende Teilnehmer in den Verzeichnissen aufgeführt werden. Die Datenschutzbehörde vertrat eine gegenteilige Auffassung und machte geltend, dass nach der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation2 die „Einwilligung der Teilnehmer“ im Sinne der DSGVO vorliegen müsse, damit die Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen ihre personenbezogenen Daten verarbeiten und übermitteln dürften. Vor dem Hintergrund, dass der Widerruf dieser Willensäußerung bzw. „Einwilligung“ durch einen Teilnehmer nicht spezifisch geregelt ist, hat der Appellationshof Brüssel dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. In seinem heute verkündeten Urteil bestätigt der Gerichtshof, dass die Einwilligung eines ordnungsgemäß unterrichteten Teilnehmers für die Veröffentlichung seiner personenbezogenen Daten in einem öffentlichen Teilnehmerverzeichnis erforderlich ist. Diese Einwilligung erstreckt sich auf jede weitere Verarbeitung der Daten durch dritte Unternehmen, die auf dem Markt für öffentlich zugängliche Telefonauskunftsdienste und Teilnehmerverzeichnisse tätig sind, sofern diese Verarbeitung denselben Zweck verfolgt. Die Einwilligung erfordert eine „in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene“ Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen „eindeutigen bestätigenden Handlung“, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist. Jedoch setzt eine solche Einwilligung nicht unbedingt voraus, dass die betroffene Person zum Zeitpunkt ihrer Erteilung die Identität aller Anbieter von Verzeichnissen kennt, die ihre personenbezogenen Daten verarbeiten werden. Der Gerichtshof weist außerdem darauf hin, dass die Teilnehmer die Möglichkeit haben müssen, die Löschung ihrer personenbezogenen Daten aus Teilnehmerverzeichnissen zu erwirken. Er befindet, dass der Antrag eines Teilnehmers auf Entfernung seiner Daten als Ausübung des „Rechts auf Löschung“ im Sinne der DSGVO3 angesehen werden kann. Sodann bestätigt der Gerichtshof, dass sich aus den in der DSGVO geregelten allgemeinen Verpflichtungen ergibt, dass ein für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortlicher wie Proximus geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen muss, um die anderen Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen, denen er solche Daten geliefert hat, über den Widerruf der Einwilligung der betroffenen Person zu informieren. Ein solcher Verantwortlicher muss außerdem den Telefondienstanbieter, der ihm die personenbezogenen Daten übermittelt hat, informieren, damit dieser die Liste der personenbezogenen Daten, die er dem Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen nach einem automatisierten Verfahren übermittelt, anpasst. Wenn sich nämlich, wie im vorliegenden Fall, verschiedene Verantwortliche auf eine einheitliche Einwilligung der betroffenen Person stützen genügt es, dass sich die betroffene Person, um ihre Einwilligung zu widerrufen, an irgendeinen der Verantwortlichen wendet. Abschließend befindet der Gerichtshof, dass ein Verantwortlicher wie Proximus nach der DSGVO angemessene Maßnahmen zu treffen hat, um Suchmaschinenanbieter über den bei ihm eingegangenen Antrag des Teilnehmers eines Telefondienstanbieters auf Löschung seiner personenbezogenen Daten zu informieren. Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-129/21 | Proximus (Öffentliche elektronische Teilnehmerverzeichnisse)
Quelle. Pressemitteilung des EuGH v. 27.10.2022
Sachverhalt:
Bisheriger Prozessverlauf:
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Dabei bedurfte die Annahme des Berufungsgerichts, die Sperrung der Auflademöglichkeit löse Ansprüche der Mieter aus Besitzschutz aus, keiner abschließenden Beurteilung. Zwar stellt ein Fernzugriff auf die vermietete Batterie eine Besitzstörung im Sinne des § 858 BGB dar. Ein Besitzschutz gegen die bloße Besitzstörung wäre aber ausgeschlossen, wenn der Vermieter aufgrund seiner Zugriffsmöglichkeit auf die Batterie deren Mitbesitzer geblieben wäre. Unter Mitbesitzern bestünde nach § 866 BGB ein Besitzschutz nur gegen eine - hier nicht vorliegende - vollständige Entziehung des Besitzes. Die in der Literatur umstrittene Frage, ob in solchen Fällen ein Mitbesitz vorliegt, bedurfte hier aber keiner Entscheidung. Denn die streitgegenständliche Klausel stellt jedenfalls eine einseitige Vertragsgestaltung dar, mit der die Beklagte missbräuchlich die eigenen Interessen auf Kosten der Mieter durchzusetzen versucht, ohne deren Interessen angemessen zu berücksichtigen. Durch die allein in der Macht des Vermieters liegende Sperrmöglichkeit wird die Last, sich die weitere Nutzung zu sichern, auf den Mieter abgewälzt. Darin liegt jedenfalls dann eine unangemessene Benachteiligung des Mieters als Verbraucher, wenn dieser die Weiterbenutzung seines - gesondert erworbenen, geleasten oder gemieteten - E-Fahrzeugs im Streitfall nur durch gerichtliche Geltendmachung einer weiteren Gebrauchsüberlassung der Batterie erreichen kann. Zwar liegt es grundsätzlich im berechtigten Interesse des Vermieters, dass er nach wirksamer Beendigung des Mietvertrags die weitere Nutzung des Mietobjekts unterbinden kann. Auf der anderen Seite steht aber das Interesse des Mieters, sich die weitere Vertragserfüllung zu sichern. Dieses ist jedenfalls dann als berechtigt anzuerkennen, wenn die Wirksamkeit der Kündigung zwischen den Vertragsparteien streitig ist. Beruft sich etwa der Mieter auf eine Mietminderung oder ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln, so läuft er Gefahr, dass der Vermieter ungeachtet dessen die Kündigung erklärt und das Mietobjekt per Fernzugriff sperrt. Das gewinnt insbesondere dann an Bedeutung, wenn das Mietobjekt und dessen fortgesetzte Nutzung für den Mieter von erheblichem Interesse sind. Dementsprechend ist die gesetzliche Risikoverteilung beim Mietverhältnis dadurch geprägt, dass der Vermieter aufgrund der Überlassung des Mietobjekts grundsätzlich das Risiko der nach Mietvertragsbeendigung fortgesetzten (Ab-)Nutzung trägt. Dagegen kann er sich durch Vereinbarung einer Mietkaution absichern. Außerdem steht ihm ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546 a BGB zu. Die streitgegenständliche Klausel erlaubt dagegen einen Zugriff auf die Batterie und mittelbar auch auf das E-Fahrzeug, das für den Mieter infolge der Batteriesperrung nutzlos wird. Dadurch, dass die Batterie herstellergebunden und mit dem E-Fahrzeug verknüpft ist, hat der Mieter keine zumutbare Möglichkeit, die gesperrte Batterie durch ein anderes Fabrikat zu ersetzen, um das E-Fahrzeug weiter betreiben zu können. Mit dem E-Fahrzeug wird somit neben der Batterie ein wesentlich höherwertiger Vermögensbestandteil für ihn unbrauchbar bzw. ein Nutzungsrecht daran entwertet. Hinzu kommt, dass das längerfristig angeschaffte bzw. gesondert gemietete oder geleaste E-Fahrzeug vom Mieter nicht selten beruflich genutzt wird und regelmäßig auch für die private Lebensgestaltung von wesentlicher Bedeutung ist. Wenn unter diesen Umständen bei einem Streit über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung abweichend von der gesetzlichen Risikoverteilung die Klagelast durch allgemeine Geschäftsbedingungen auf den Mieter abgewälzt werden soll, verstößt die entsprechende Klausel gegen § 307 Abs. 1, 2 BGB. Denn der mit der Sperrung einhergehende Ausschluss von der Nutzung der Batterie und folglich auch des E-Fahrzeugs geht mit seinen Wirkungen über die Batterie als Mietobjekt wesentlich hinaus. Eine solche Gestaltung lässt sich auch nicht durch das Interesse der Beklagten an der Sicherung gegen den mit der Abnutzung der Batterie nach Vertragsbeendigung verbundenen Vermögensschaden rechtfertigen. Urteil vom 26. Oktober 2022 – XII ZR 89/21
Vorinstanzen:
Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 26.10.2022
Der Berliner Landesgesetzgeber hatte das Berliner Straßengesetz mit Wirkung zum 1. September 2022 dahingehend geändert, dass u.a. auf das gewerbliche Anbieten von Carsharingfahrzeugen, die selbstständig reserviert und genutzt werden können, die Vorschriften über die Sondernutzung öffentlicher Straßen anwendbar sein sollen. Dem Eilantrag zweier Carsharing-Unternehmen, die vorläufig feststellen lassen wollten, dass ihr Angebot nicht von dieser Regelung erfasst sei, hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Carsharing ohne feste Abhol- oder Rückgabestationen unterfalle dem erlaubnisfreien straßenrechtlichen Gemeingebrauch. Das Parken der von den Antragstellerinnen vermieteten Pkw sei eine nach der Straßenverkehrsordnung zulässige Teilnahme am Straßenverkehr. Die Pkw würden auch nicht zu einem anderen Zweck auf öffentlichem Straßenland abgestellt. Dass dies im Zusammenhang mit einer gewerblichen Kraftfahrzeugvermietung geschehe, verdränge den Verkehrszweck nicht. Zur Begründung seiner Entscheidung hat der 1. Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass Carsharing-Unternehmen ihre Fahrzeuge gerade für die Nutzung zu Verkehrszwecken bereitstellten. Das unterscheide sie von anderen „Straßenhändlern“, die den öffentlichen Straßenraum zum Anbieten verkehrsfremder Waren oder Leistungen benutzten. Für die Beurteilung der Frage, ob sich ein Fahrzeug vorrangig zu Verkehrszwecken oder verkehrsfremd im öffentlichen Straßenraum befinde, sei ausschließlich auf für Außenstehende objektiv erkennbare Merkmale abzustellen. Subjektive Motive der Beteiligten und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen Anbieter und Kunden seien insoweit nicht von Belang. Der Beschluss ist unanfechtbar. Beschluss des 1. Senats vom 26. Oktober 2022 – OVG 1 S 56/22 -
Quelle: Pressemitteilung des OVG Berlin v. 27.10.2022
Der Kläger verlangte von der Beklagten, einer Auskunftei, die Löschung seiner Restschuldbefreiung und berief sich dabei auf § 3 InsoBekV. Da die Informationen bereits vom amtlichen Insolvenzbekanntmachungsportal gelöscht worden seien, müsse auch die Beklagte diese Informationen löschen. In der 1., Instanz war er bereits vor dem LG Gießen gescheitert, vgl. unsere Kanzlei-News v. 13.10.2021.
Das OLG Frankfurt a.M. hat nun in der Berufungsinstanz diese Entscheidung bestätigt und klargestellt, dass Insolvenzdaten länger aufbewahrt werden dürfen als das amtliche Insolvenzbekanntmachungsportal.
"Die Beklagte ist nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 d) DS-GVO zur Löschung der Information über die Erteilung der Restschuldbefreiung verpflichtet. Die Datenverarbeitung war rechtmäßig, weil sie gemäß Art. 6 Abs. 1 f) DS-GVO zulässig war. Es besteht ein berechtigtes Interesse der Beklagten und ihrer Vertragspartner an der Datenverarbeitung, welches die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten des Klägers überwiegt. Und weiter: "Ein solches Interesse ist bei der Beklagten anzunehmen. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 5. OLG Hamburg: Irreführende gesundheitsbezogene Werbung bereits dann, wenn Möglichkeitsform ("kann") benutzt wird _____________________________________________________________ Für eine irreführende gesundheitsbezogene Werbung reicht es aus, wenn kein verbindliches Leistungsversprechen abgegeben wird, sondern lediglich die Möglichkeitsform ("kann") verwendet wird (OLG Hamburg, Urt. v. 23.06.2022 - Az.: 5 U 173/19).
Die Beklagte warb u.a. mit der Aussage:
"Vor Wettkämpfen oder Trainings kann die Eisbox die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit verbessern" und "Kann die Nährstoffversorgung der Muskeln und Sättigung des Gewerbes mit Sauerstoff verbessern" Die Klägerin sah darin eine unzulässige gesundheitsbezogene Werbung. Die Beklagte erwiderte, dass kein konkreter Leistungserfolg versprochen werde, sondern nur die Möglichkeit ("kann") erwähnt werde.
Das Gericht gab der Klägerin Recht:
"Denn es handelt sich jeweils um Wirkungsangaben. Angaben über von der Verwendung zu erwartenden Ergebnissen sind Wirkungsangaben (...). zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. OLG Koblenz: Längerfristige Speicherung von Restschuldbefreiung auch nach DSGVO rechtmäßig _____________________________________________________________ Auch nach dem Inkrafttreten der DSGVO darf eine Restschuldbefreiung drei Jahre oder länger gespeichert werden. Eine Verkürzung der Frist auf nur 6 Monate kommt nicht in Betracht (OLG Koblenz, Urt. v. 29.09.2022 – 12 U 450/22). Der Kläger wehrte sich gegen eine längerfristige Speicherung seiner Restschuldbefreiung. Unter Hinweis auf § 3 InsBekV sei vielmehr eine maximale Frist von 6 Monaten zulässig. Er verwies dabei auch auf die einschlägige Rechtsprechung des OLG Schleswig, vgl. unsere Kanzlei-News v. 06.07.2021 und v. 08.06.2022. Das OLG Koblenz folgte dieser Ansicht nicht und wies die Klage ab.
Ausdrücklich erteilten die Richter dem Standpunkt des OLG Schleswig eine klare Absage:
"Nach Auffassung des Senats steht der derart dokumentierte „Nicht-Regelungs-Willen“ des Gesetzgebers einer Heranziehung des § 3 InsBekV entscheidend entgegen (...). Vor diesem Hintergrund vermag der Senat nicht der Argumentation des OLG Schleswig-Holstein (...) zu folgen, wonach es bei der gesetzlichen Wertung in § 3 Abs. 2 InsBekV zu verbleiben habe, so lange der Gesetzgeber nicht von einer abweichenden gesetzlichen Regelung Gebrauch mache. Im Gegenteil spricht angesichts der Gesetzgebungsgeschichte die gesetzgeberische Entscheidung, auf die Einführung einer Frist (...). Vielmehr, so die Robenträger, sei grundsätzlich von einer mehrjährigen Speicherdauerdauer auszugehen: "Vielmehr kann die in den gemäß Art. 40 DSGVO vom Verband der Wirtschaftsauskunfteien erstellten „Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien“ (...) vorgesehene Regelfrist von drei Jahren (...) als grundsätzlich sachlich angemessen angesehen werden, um einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Beteiligten herzustellen, wenn (...) keine erheblichen konkreten Anhaltspunkte für eine abweichende Bewertung vorgetragen (...) oder sonst ersichtlich sind (...). zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. OLG Köln: Bild TV dürfte ZDF-Berichterstattung über die Bundestagswahl ("Berliner Runde") nicht online übernehmen _____________________________________________________________ Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahren die 13-minütige Live - Weitersendung der Funksendung "Berliner Runde" bzw. deren öffentliche Zugänglichmachung durch die Antragsgegnerinnen als urheberrechtswidrig beurteilt und insoweit die vorangegangenen Entscheidungen des Landgerichts Köln bestätigt. Die Sendung betrifft die Berichterstattung über die Bundestagswahl am 26. September 2021. Die Antragstellerin ist eine gebührenfinanzierte, öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt in der Bundesrepublik Deutschland, die unterschiedliche mediale Angebote betreibt, darunter das bundesweit ausgestrahlte Fernsehprogramm ZDF. Die Antragsgegnerin zu 1 ist ein bundesdeutsches Medienunternehmen und als solches hundertprozentiges Tochterunternehmen der Antragsgegnerin zu 3, die ihrerseits ein großes europäisches Verlagshaus und Alleingesellschafterin der Antragsgegnerin zu 2 ist. Gegenstand der Antragsgegnerin zu 2 ist die Entwicklung, Erstellung, Verbreitung und Vermarktung von Multimedia-Inhalten auf unterschiedlichen Medienplattformen. Am Tag der Bundestagswahl strahlte die Antragstellerin im Rahmen ihres Fernsehprogramms u.a. die Wahlberichterstattung "Berliner Runde" aus, welche zwischen 20:15 und 21:15 Uhr gesendet wurde. Die ersten 13 Minuten der Sendung wurden auf dem von der Antragsgegnerin zu 1 betriebenen Fernsehsender zeitgleich zwischen 20:15 und 20:28 Uhr gezeigt und im Internet unter der URL (...) sowie über YouTube (...) bereitgehalten. Mit einstweiliger Verfügung vom 22. Oktober 2021 hatte das erstinstanzlich zuständige Landgericht Köln der Antragsgegnerin zu 1 verboten, Ausschnitte der Funksendung "Berliner Runde" der Antragstellerin ohne Zustimmung der Berechtigten zu senden und/oder senden zu lassen. Den Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 hatte das Landgericht verboten, Ausschnitte der bezeichneten Funksendung ohne Zustimmung der Berechtigten öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen (Az. 14 O 354/21, abrufbar über die Datenbank www.nrwe.de). Auf den gegen den Beschluss gerichteten Widerspruch der Antragsgegnerinnen hin hatte das Landgericht die einstweilige Verfügung mit am 3. März 2022 verkündeten Urteil (Az. 14 O 354/21, abrufbar über die Datenbank www.nrwe.de) bestätigt. Die dagegen gerichtete Berufung der Antragsgegnerinnen hat der Senat nun mit am 21. Oktober 2022 verkündeten Urteil zurückgewiesen. Mit dem Landgericht hat er namentlich einen Unterlassungsanspruch der Antragstellerin aus §§ 97, 87 Abs. 1 UrhG bejaht. Die Antragsgegnerinnen haben - so der Senat - in die Rechte der Antragstellerin eingegriffen. Dies betreffe zunächst das Recht der Weitersendung; auch im Lichte an dem Sendesignal vorgenommener optischer Änderungen und eingeblendeter inhaltlicher Ergänzungen liege eine Weitersendung durch die Antragsgegnerin zu 1 vor. Seitens der Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 sei ein Eingriff in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung hinsichtlich des Senderechts der Antragstellerin erfolgt. Die Eingriffe seien auch rechtswidrig, namentlich führten die Schrankenregelung der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) und das Zitatrecht (§ 51 UrhG) zu keinem anderen Ergebnis. Die Berichterstattung der Antragsgegnerinnen betreffe schon nicht ein im Laufe eines Tagesereignisses wahrnehmbar gewordenes Werk, zudem habe sich der von der Antragstellerin beanstandete Eingriff in das Recht des Sendeunternehmens nicht in einem durch ihren Zweck gebotenen Umfang gehalten. Die Berichterstattung sei gemäß § 50 UrhG nur dann privilegiert, wenn sie verhältnismäßig sei; hieran fehle es, da die 13-minütige Weitersendung auch unter Berücksichtigung des hohen Informationsinteresses der Öffentlichkeit nicht erforderlich gewesen sei. Vielmehr hätten ohne Verfehlung des Informationszwecks auch einzelne pointierte Aussagen der Politiker dargestellt werden können, auch wenn hierfür ein gewisser zeitlicher Versatz notwendig gewesen wäre. Das Zitatrecht nach § 51 UrhG streite nicht für die Antragstellerin, da der Umfang der Darstellung vom Zitatzweck nicht umfasst sei. Das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 21. Oktober 2022 - Az.: 6 U 61/22 - ist rechtskräftig
Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln v. 24.10.2022
Inhaltlich ging es um die Kennzeichnung von Werbung im Newsletter des bekannten Magazin Computerbild. In dem Newsletter waren jeweils kurze Teaser mit einem Bild und dem Link "Weiterlesen" zu unterschiedlichen Themen enthalten. Der Großteil der Links führte zu redaktionellen Inhalten. Hinter einigen, wenigen Verlinkungen befand sich jedoch eine Landing-Page mit Werbung. Diese Verlinkungen waren mit einem optisch kleinen Hinweis auf den kommerziellen Charakter verwesen.
Das LG Berlin stufte dies als Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht von Werbung ein.
"Zwar hat die Antragsgegnerin die unstreitig an drei Stellen im Newsletter verlinkte Werbung jeweils mit dem Wort „Anzeige“ gekennzeichnet. Diese Kennzeichnung fällt jedoch sowohl von der geringen Schriftgröße, der gewählten hellgrauen Farbe auf weißem Grund als auch von ihrer Platzierung am rechten oberen Rand der Werbeanzeigen her beim ersten Betrachten des Newsletter kaum ins Auge. Entscheidend war aber der Gesamteindruck im Zusammenhang mit dessen weiteren gestalterischen Komponenten. Und weiter: "Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, in den Überschriften der Werbehinweise eine abweichende Schriftart verwendet zu haben, mag dies zutreffen. Dem Leser fällt der geringfügige Unterschied zwischen einer Schriftart ohne Serifen für die Verweise auf redaktionelle Artikel und einer solche mit Serifen für die Werbehinweise aber nur bei einer analysierenden Betrachtung auf. Daher drängt sich gerade nicht der Eindruck auf, dass hier unterschiedliche Inhalte zu erwarten sind. Ferner äußert sich das Gericht: "Vor diesem Hintergrund war die Kammer der Auffassung, dass es jeweils eines deutlichen und ins Auge fallenden Hinweises auf den Werbecharakter der drei Anzeigen bedurft hätte. Wie oben bereits erwähnt, ist die Kennzeichnung durch das Wort „Anzeige“ grundsätzlich ausreichend und auch verkehrsüblich. Allerdings wurde die Art und Weise der von der Antragsgegnerin gewählten Darstellung dem nach den Umständen erforderlichen deutlichen Hinweis nicht gerecht. Sowohl die sehr kleine Schriftart als auch die hellgraue Farbe waren nicht ausreichend, um den durchschnittlichen Empfänger des Newsletters von der ungewollten Kenntnisnahme der mit den Anzeigen verlinkten Werbebotschaften abzuhalten. Und weiter: "Dies war jedoch nicht ausreichend, um die vom Antragsteller geführte Glaubhaftmachung zu erschüttern. Die Antragsgegnerin konnte sich nicht auf ein pauschales Bestreiten beschränken, sondern hätte in Ansehung der Anlage Ast 1 konkret ausführen müssen, ob dort etwa Farbton oder Kontrast nicht zutreffend wiedergegeben sind. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 9. LG Frankenthal: SCHUFA-Eintrag bei bestrittener Forderung rechtswidrig _____________________________________________________________ Haben Inkassounternehmen bei der Einziehung von Forderungen keinen Erfolg, so melden sie dies regelmäßig als „Zahlungsstörung“ an die Wirtschaftsauskunftei Schufa. Die Folge: Ein negativer Eintrag des Schuldners, der dann Probleme bei der Kreditkartenzahlung oder der Eröffnung eines Girokontos bekommen kann. Die 8. Zivilkammer des Landgerichts hat nun in einem Eilverfahren aufgezeigt, dass eine Weitergabe solcher Daten an die Schufa nur in Grenzen zulässig ist. Der Schuldner muss über die Informationsweitergabe unterrichtet werden; wenn er bestreitet, dass die Forderung besteht, darf kein Eintrag erfolgen. Werden die Daten trotzdem übermittelt, kann der Schuldner verlangen, dass die Meldung widerrufen und künftig unterlassen wird. Im konkreten Fall erhielt eine Frau aus dem Rhein-Pfalz-Kreis ein Schreiben eines Inkassounternehmens wegen einer Forderung in Höhe von rund 900 Euro. Der Rückstand sollte aus einem lange zurückliegenden Mietstreit herstammen. Die Frau wies die Forderung als nicht begründet zurück und hörte dann erst einmal nichts mehr von der Sache. Monate später erfuhr sie von einem negativen Schufa-Eintrag zu ihrer Person. Aufgrund dieses Eintrags wurde ihre Kreditkarte gesperrt, Kreditkartenzahlungen nicht mehr angewiesen und die Eröffnung eines Girokontos abgelehnt. Sie wandte sich deshalb mit einem Eilantrag an das Landgericht. Das Landgericht hat nun das Inkassounternehmen dazu verpflichtet, die Meldung der Zahlungsstörung an die Schufa zu widerrufen. Wegen dieser Forderung darf künftig keine Meldung erfolgen. Nach der Datenschutzgrundverordnung sei die Verarbeitung personenbezogener Daten nämlich nur gestattet, wenn dies zur Wahrung von berechtigten Interessen erforderlich sei und nicht die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person verletze. Wer von solchen Einträgen betroffen sei und die Forderung bestreite, müsse deshalb das Recht haben, sich rechtzeitig dagegen zur Wehr zu setzen. Hiergegen sei vorliegend verstoßen worden, so die Kammer. Gegen diese Entscheidung im Eilverfahren hat das Inkassounternehmen keinen Widerspruch eingelegt. Landgericht Frankenthal, Beschluss vom 28.06.2022, Az. 8 O 163/22
Quelle: Pressemitteilung des LG Frankenthal v. 26.10.2022
Bis zum Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags 2021 war es nicht möglich, für den Betrieb eines Wettbüros eine Erlaubnis zu erlangen, weil das deutsche Verfahren zur Erteilung entsprechender Konzessionen gegen Unionsrecht verstieß. Vorhandene Wettbüros wurden gelduldet. Nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 ist nunmehr eine Erlaubnis für den Betrieb eines Wettbüros erforderlich. Das nordrhein-westfälische Gesetz zur Umsetzung der Vorgaben des Staatsvertrags sieht vor, dass ein Wettbüro nicht in räumlicher Nähe zu öffentlichen Schulen betrieben werden darf, wobei regelmäßig ein Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie zugrunde gelegt werden soll. Unter Berufung auf diese Vorschrift lehnte die Bezirksregierung Köln Anträge auf Erteilung von Betriebserlaubnissen ab. Dagegen zogen die Kläger vor das Verwaltungsgericht Köln. Sie machten geltend, eine Erlaubnis dürfe schon nicht gefordert werden. Denn auch das aktuelle Glückspielrecht verstoße gegen Unionsrecht. Jedenfalls aber sei das Erfordernis eines Mindestabstands zu Schulen rechtswidrig. Ein Mindestabstand sei für die Suchtprävention sowie den Kinder- und Jugendschutz weder geeignet noch erforderlich. Dem ist das Gericht im Ergebnis nicht gefolgt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Weder Verfassungsrecht noch die unionsrechtliche Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit schließen es aus, eine Erlaubnis für den Betrieb eines Wettbüros zu verlangen und Mindestabstände zu Schulen festzulegen. Auch sind die neuen glücksspielrechtlichen Regelungen nicht in sich widersprüchlich: Dass etwa für Geldspielgeräte und Lottoannahmestellen, zu denen Kinder freien Zugang haben, die gleichen oder günstigere Abstandsregelungen gelten, ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich um jeweils unterschiedliche Glücksspielarten. Deren Gefährdungspotenzial darf der Gesetzgeber im Rahmen seines Einschätzungsspielraums unterschiedlich bewerten. Die Annahme des Gesetzgebers, durch den grundsätzlich erforderlichen Abstand von Wettbüros zu Schulen könnten Anreize zum Glücksspiel gegenüber Kindern und Jugendlichen verringert werden, ist plausibel. Gegen die Urteile können die Kläger jeweils Berufung einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden würde. Urteile vom 5. Oktober 2022, Az.: 24 K 1472/21, 24 K 1475/21, 24 K 4215/21
Quelle: Pressemitteilung des VG Köln v. 19.10.2022
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