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Die Klägerin im Verfahren I ZR 3/14 ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie nimmt für Komponisten, Textdichter und Musikverleger urheberrechtliche Nutzungsrechte an Musikwerken wahr. Die Beklagte ist Deutschlands größtes Telekommunikationsunternehmen. Sie war Betreiberin eines zwischenzeitlich von einer konzernverbundenen Gesellschaft unterhaltenen Telefonnetzes, über das ihre Kunden Zugang zum Internet erhielten. Als sogenannter Access-Provider vermittelte die Beklagte ihren Kunden auch den Zugang zu der Webseite "3dl.am". Nach Darstellung der Klägerin konnte über diese Webseite auf eine Sammlung von Links und URLs zugegriffen werden, die das Herunterladen urheberrechtlich geschützter Musikwerke ermöglichten, die bei Sharehostern wie "RapidShare", "Netload" oder "Uploaded" widerrechtlich hochgeladen worden waren. Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung der von ihr wahrgenommenen Urheberrechte. Sie macht geltend, die Beklagte habe derartige Rechtsverletzungen zu unterbinden. Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, über von ihr bereitgestellte Internetzugänge Dritten den Zugriff auf Links zu den streitbefangenen Werken über die Webseite "3dl.am" zu ermöglichen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Klägerinnen im Verfahren I ZR 174/14 sind Tonträgerhersteller. Die Beklagte ist Betreiberin eines Telekommunikationsnetzes, über das ihre Kunden Zugang zum Internet erhalten. Als Access-Provider vermittelte die Beklagte ihren Kunden auch den Zugang zu der Webseite "goldesel.to". Nach Darstellung der Klägerinnen konnte über diese Webseite auf eine Sammlung von zu urheberrechtlich geschützten Musikwerken hinführenden Links und URLs zugegriffen werden, die bei dem Filesharing-Netzwerk "eDonkey" widerrechtlich hochgeladen worden waren. Die Klägerinnen sehen hierin eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte gemäß § 85 UrhG*. Die Klägerinnen haben die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, über von ihr bereitgestellte Internetzugänge Dritten den Zugriff auf Links zu den streitbefangenen Werken über die Webseite "goldesel.to" zu ermöglichen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Klageanträge weiter. Der Bundesgerichtshof hat die Revisionen in beiden Verfahren zurückgewiesen. Ein Telekommunikationsunternehmen, das Dritten den Zugang zum Internet bereitstellt, kann von einem Rechteinhaber grundsätzlich als Störer darauf in Anspruch genommen werden, den Zugang zu Internetseiten zu unterbinden, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden. Als Störer haftet bei der Verletzung absoluter Rechte (etwa des Urheberrechts oder eines Leistungsschutzrechts) auf Unterlassung, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt, sofern er zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat. Das deutsche Recht ist vor dem Hintergrund des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG über das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft** richtlinienkonform auszulegen und muss deshalb eine Möglichkeit vorsehen, gegen Vermittler von Internetzugängen Sperranordnungen zu verhängen. In der Vermittlung des Zugangs zu Internetseiten mit urheberrechtswidrigen Inhalten liegt ein adäquat-kausaler Tatbeitrag der Telekommunikationsunternehmen zu den Rechtsverletzungen der Betreiber der Internetseiten "3dl.am" und "goldesel.to". In die im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung vorzunehmende Abwägung sind die betroffenen unionsrechtlichen und nationalen Grundrechte des Eigentumsschutzes der Urheberrechtsinhaber, der Berufsfreiheit der Telekommunikationsunternehmen sowie der Informationsfreiheit und der informationellen Selbstbestimmung der Internetnutzer einzubeziehen. Eine Sperrung ist nicht nur dann zumutbar, wenn ausschließlich rechtsverletzende Inhalte auf der Internetseite bereitgehalten werden, sondern bereits dann, wenn nach dem Gesamtverhältnis rechtmäßige gegenüber rechtswidrigen Inhalten nicht ins Gewicht fallen. Die aufgrund der technischen Struktur des Internet bestehenden Umgehungsmöglichkeiten stehen der Zumutbarkeit einer Sperranordnung nicht entgegen, sofern die Sperren den Zugriff auf rechtsverletzende Inhalte verhindern oder zumindest erschweren. Eine Störerhaftung des Unternehmens, das den Zugang zum Internet vermittelt, kommt unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit allerdings nur in Betracht, wenn der Rechteinhaber zunächst zumutbare Anstrengungen unternommen hat, gegen diejenigen Beteiligten vorzugehen, die - wie der Betreiber der Internetseite - die Rechtsverletzung selbst begangen haben oder - wie der Host-Provider - zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben. Nur wenn die Inanspruchnahme dieser Beteiligten scheitert oder ihr jede Erfolgsaussicht fehlt und deshalb andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde, ist die Inanspruchnahme des Access-Providers als Störer zumutbar. Betreiber und Host-Provider sind wesentlich näher an der Rechtsverletzung als derjenige, der nur allgemein den Zugang zum Internet vermittelt. Bei der Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten hat der Rechtsinhaber in zumutbarem Umfang - etwa durch Beauftragung einer Detektei, eines Unternehmens, das Ermittlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Angeboten im Internet durchführt, oder Einschaltung der staatlichen Ermittlungsbehörden - Nachforschungen vorzunehmen. An dieser Voraussetzung fehlt es in beiden heute entschiedenen Fällen. Im Verfahren I ZR 3/14 hat die Klägerin gegen den Betreiber der Webseite "3dl.am" eine einstweilige Verfügung erwirkt, die unter der bei der Domain-Registrierung angegebenen Adresse nicht zugestellt werden konnte. Den gegen den Host-Provider gerichteten Verfügungsantrag hat die Klägerin zurückgenommen, da sich auch seine Adresse als falsch erwies. Mit der Feststellung, dass die Adressen des Betreibers der Internetseite und des Host-Providers falsch waren, durfte sich die Klägerin nicht zufriedengeben, sondern hätte weitere zumutbare Nachforschungen unternehmen müssen. Im Verfahren I ZR 174/14 ist die Klage abgewiesen worden, weil die Klägerinnen nicht gegen den Betreiber der Webseiten mit der Bezeichnung "goldesel" vorgegangen sind. Dessen Inanspruchnahme ist unterblieben, weil dem Vortrag der Klägerinnen zufolge dem Webauftritt die Identität des Betreibers nicht entnommen werden konnte. Die Klägerinnen haben nicht vorgetragen, weitere zumutbare Maßnahmen zur Aufdeckung der Identität des Betreibers der Internetseiten unternommen zu haben. Vorinstanzen:
LG Hamburg - Urteil vom 12. März 2010 - 308 O 640/08
und
I ZR 174/14 - Haftung des Accessproviders
LG Köln - Urteil vom 31. August 2011 - 28 O 362/10 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 26.11.2015
**Artikel 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG:
Die Beklagte warb für ihr Produkt, ein Nahrungsergänzungsmittel, mittels Post-Werbung.
Verbraucher erhielten einen Briefumschlag, der auf der Vorderseite u. a. die teilweise farblich gestalteten Hinweise "Zustellungs-Hinweis (...) Zustell-Nr. (...) Vertraulicher Inhalt Schnelle Antwort erbeten Bitte sofort prüfen", "Express-Sendung Nur vom Empfänger persönlich zu öffnen!" sowie "TNT Post INFO" enthielt. Auf der Rückseite des Umschlags befanden sich der Hinweise "Express Eilige Terminsache! Höchst wichtiger Inhalt!".
Die Richter werteten dies als einen Fall der unzumubaren Belästigung nach § 7 UWG.
Grundsätzlich sei postalische Werbung ohne Einverständnis des Verbrauchers in Deutschland erlaubt. Im vorliegenden Fall liege der Sachverhalt jedoch ausnahmsweise anders. Hier sei das Handeln wettbewerbswidrig.
Durch die äußere Aufmachung werde der Empfänger bewusst getäuscht. Durch die Angaben "Zustellungs-Hinweis (...) Vertraulicher Inhalt", "Nur vom Empfänger persönlich zu öffnen!" sowie "Eilige Terminsache!" erwecke das Schreiben den Eindruck, es handle sich um eine wichtige, vertrauliche Nachricht, dem der Verbraucher besondere Aufmerksamkeit schenken müsste.
Auch nach Öffnen des Briefes werde der Werbecharakter des Schreibens nicht erkennbar, denn die Werbung sei äußerlich als neutrales Informationsschreiben getarnt. Erst bei näherem Lesen werde dem Betrachter klar, dass es sich hier um Werbung handle.
Der Lehrer eines Gymnasiums hatte auf der Webseite der Einrichtung unerlaubt ein Foto verwendet. Der Rechteinhaber klagte daraufhin auf Schadensersatz gegen das Bundesland.
Zu Recht wie das OLG Celle nun entschied.
Die Handlung des betreffenden Lehrers sei im Rahmen der Ausübung seiner schulischen Tätigkeit erfolgt, so dass ein Fall der Amtshaftung zu bejahen sei.
Das Land habe daher Schadensersatz zu leisten. Es sei auch sachgerecht die Tabelle der Mittelstandsvereinigung Foto-Marketing (MFM-Tabelle) heranzuziehen.
Die Klägerin beanstandete, dass bei Eingabe eines für sie markenrechtlich geschützten Begriffes auf der Online-Plattform Amazon nur Produkte von Mitbewerbern angeboten wurden. Sie selbst veräußert nicht über Amazon.
Die Kölner Richter stuften dies als Verstoß gegen geltendes Markenrecht ein.
Denn es werde durch Anzeige der Suchergebnisse der Eindruck erweckt, es handle sich um Produkte der Klägerin. Amazon vernüpfe durch die Ausgestaltung seiner Suchergebnisse den kennzeichenrechtlich geschützten Begriff mit dem Angebot eines Konkurrenzproduktses. Durch den Einsatz des Algorithmus, um interessierte Kunden auf bestimmte Angebote zu lenken, verlasse die Rolle einer reinen Plattformbetreiberin und könne sich daher nicht darauf zurückziehen, die betreffenden Angebote seien nicht von ihr, sondern Dritten auf ihrer Plattform eingestellt worden.
Die Entscheidung des LG Berlin (Urt. v. 02.06.2015 - Az.: 91 O 47/15) überzeuge nicht, da es diese Zusammenhänge nicht genügend berücksichtige.
Die Beklagte warb für ihre Kondom-Produkte auf der Rückseite der Packung mit der Aussage Die Düsseldorfer Richter stuften diese Aussage als klaren Fall der Irreführung ein. Denn es werde der Eindruck erweckt, dass ein Kondom mehrfach (hier: bis zu dreimal) verwendet werden könne.
Nach den gesetzlichen Regelungen müsse der Verbraucher nicht tatsächlich in die Irre geführt werden. Vielmehr reiche es für einen Wettbewerbsverstoß schon aus, wenn diese Gefahr bestünde.
Durch mehrere Nachweise sei belegt, dass der Aufklärungsbedarf zur richtigen Anwendung von Kondomen anhaltend hoch sei und die mehrfache Verwendung eines Kondoms nach wie vor einer der häufigsten Fehler bei der Benutzung sei. Unter Jugendlichen würden die Infektionsraten (sexuell übertragbare Krankheiten wie beispielsweise Tripper, Syphilis und HIV) wieder stark ansteigen, so dass eine Aufklärung nach wie vor erforderlich sei.
Dies zeige, wie wichtig die Eindeutigkeit die Angaben zur Benutzung seien, da nur so ein wirksamer Schutz vor ungewollten Schwangerschaften oder ansteckenden Geschlechtskrankheiten zu erzielen sei.
Die vorliegende Werbung erfülle diese Kriterien nicht, sondern sei unklar und in unterschiedliche Wege interpretierbar. Es sei unklar, wessen Orgasmen gemeint seien, ob ausschließlich die des Verwenders, also des Mannes, ausschließlich die des Sexualpartners oder sowohl die des Verwenders als auch die des oder der Sexualpartner.
Diese verschiedenen Deutungsmöglichkeiten könnten dazu führen, dass ein Anwender davon ausgehe, dass er ein Kondom mehrfach ( bis zu dreimal) verwenden dürfe.
Die Beklagte verkaufte Brillen und sonstiges Optikerzubehör. Sie warn mit dem Slogan "Goldwochen bei..." für eine zeitlich befristete Verkaufsaktion, die "nur vom 14.11. bis zum 23.11.2013" gelten sollte".
Nach Ablauf dieses Zeitraumes war die Aktion verlängert worden.
Dies stufte das LG Hamburg als irreführend und somit wettbewerbswidrig ein.
Der Kunde werde durch den künstlich hervorgerufenen Zeitdruck unter Druck gesetzt, in Eile eine Entscheidung zu treffen, ob er von dem Angebot Gebrauch
Ein besonderer Grund, der eine Verlängerung der zeitlich befristeten Werbeveranstaltung rechtfertigen würde, sei nicht ersichtlich.
Klägerin war die österreichische goFit Gesundheit GmbH, die im Geschäftsverkehr als "goFit" auftrat. Bei Eingabe bestimmter Begriffe in die Amazon-Suche (u.a. "gofit", "gof" oder "gofi") vervollständigte die Autocomplete-Funktion von Amazon die Suchworte und zeigte Begriffe wie "goFit Gesundheitsmatte" oder "goFit Fußreflexzonenmassagematte" an.
Sämtliche Treffer führten auf Produkte von Mitbewerbern der Klägerin. Die Klägerin bot selbst keine Produkte über Amazon an.
Die Klägerin sah hierin eine Markenverletzung. Amazon verteidigte sich damit, dass die Autocomplete lediglich eine technische Vorrichtung sei. Es handle sich um die Zusammenfassung der meisten Begriffskombinationen, die Kunden auf dem Online-Portal gesucht hätten. Eine weitergehende Bedeutung käme dieser Funktion nicht zu.
Die Kölner Richter verurteilten Amazon zur Unterlassung. Es würde unzweifelhaft das Markenrecht der Klägerin verletzt. Denn durch die Verwendung des markenrechtlich geschützten Begriffs im Rahmen der Autocomplete-Funktion werde in die rechtlich geschützten Interessen eingegriffen.
Der Verbraucher werde annehmen, so die Richter, dass sich hinter dem einzelnen Suchwortvorschlägen von Amazon ein bestimmtes Produkt eines bestimmten Herstellers verberge. Im vorliegenden Fall werde der Nutzer daher davon ausgehen, dass die Gesundheitsmatte der Klägerin gemeint seien, Gerade dies aber sei nicht der Fall.
Vorausgegangen waren Bescheide vom 02. Juli 2012 und vom 22. Dezember 2014, mit denen die Bundesnetzagentur Google unter Androhung eines Zwangsgeldes zur Anmeldung aufgefordert hatte. Hiergegen hatte Google Inc. geklagt, hauptsächlich mit der Begründung, sie kontrolliere bei Emails die technische Signalübertragung über das offene Internet nicht und übernehme dafür auch keine Verantwortung. Dies sei aber Voraussetzung für den Betrieb eines Telekommunikationsdienstes.
Dieser Auffassung ist das Gericht nicht gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Auch wenn Google für die Signalübertragung keine eigenen Telekommunikationsnetze, sondern das offene Internet nutze, sei bei einer wertend-funktionalen Betrachtung die Signalübertragung gleichwohl überwiegend ihrem Email- Dienst zuzurechnen.
Aus der Einordnung von „Gmail“ als Telekommunikationsdienst könnten ggf. weitere Rechte und Pflichten nach dem Telekommunikationsgesetz entstehen, z.B. im Hinblick auf Anforderungen des Datenschutzes oder der öffentlichen Sicherheit.
Gegen das Urteil kann Berufung beim Oberverwaltungsgericht in Münster eingelegt werden.
21 K 450/15
Quelle: Pressemitteilung des VG Köln v. 25.11.2015
Der Kläger machte geltend, dass er trotz seines ausdrücklichen Hinweises, keine kostenlose Zeitung der Beklagten mehr erhalten zu wollen, unregelmäßig ein Exemplar in seinem Briefkasten finde. Daher verlangte er von dem verklagten Verlag Unterlassung.
Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht, sondern lehnte den Anspruch ab.
Der Verlag habe im vorliegenden Fall alle notwendigen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen, damit seine kostenlose Zeitschrift nur an die Empfänger verteilt werde, die eine Zustellung wünschten. Das Unternehmen hatte mit den jeweiligen Zustellagenturen schriftliche Verträge, in denen ausdrücklich die Einhaltung von Zustellverboten geregelt war. Im Falle der Zuwiderhandlung wurde eine Vertragsstrafe von 5.100,- EUR fällig. Zudem waren entsprechende regelmäßige Kontrollen und Schulungen der Zusteller geregelt worden.
In einer solchen besonderen Konstellation hafte der Verlag grundsätzlich nicht für Zustellungen von einzelnen "Ausreißern". Der Einwurf von drei ungewollten Gratis-Zeitungen in einen Briefkasten über einem Zeitraum von fast zwei Jahren unterliege dem Lebensrisiko des Einzelnen und sei daher hinzunehmen.
Die Klägerin aus München ist Eigentümerin eines Hauses in München-Pasing. Ihr Nachbar brachte im Februar 2013 am Dachgauben-Fenster seines Hauses eine Videokamera an. Grund dafür war, dass an seinem Haus mutwillig eine Fensterscheibe beschädigt worden war und die Täter nicht ermittelt werden konnten. Außerdem befindet sich im Garten eine hochwertige Garten-Modelleisenbahn im Wert von circa 8000 Euro. Von der Kamera werden der Eingangsbereich des Grundstücks des Nachbarn und ein schmaler Streifen des Gehwegs vor dem Grundstück erfasst. Das Anbringen der Kamera hat der Nachbar abgesprochen mit dem Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht und der zuständigen Polizeiinspektion.
Die Kamera ist mit einem Kugelgelenk befestigt, so dass das Aufzeichnungsfeld verändert werden kann.
Zwischen der Klägerin und dem Nachbarn gab es bereits in der Vergangenheit Streit wegen der Verwendung von Streusalz, der Anbringung eines Sichtschutzgitters, wegen des Pflanzenzuschnitts und wegen eines Grenzüberbaus durch den Nachbarn.
Die Klägerin befürchtet eine Überwachung durch die Kamera. Sie möchte, dass der Nachbar die Kamera entfernt und mahnte ihn deshalb seit November 2013 mehrfach ab. Der Nachbar weigerte sich, die Kamera zu entfernen.
Daraufhin erhob die Klägerin Klage zum Amtsgericht München. Die zuständige Richterin gab dem Nachbarn Recht. Die Kamera muss nicht entfernt werden.
Grundsätzlich könne durch die Aufzeichnung einer Person mit einem Videogerät in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Person eingegriffen werden. Bei der Installation von Videoüberwachungsanlagen auf einem privaten Grundstück müsse deshalb sichergestellt sein, dass weder der öffentliche Bereich noch das private Nachbargrundstück oder der gemeinsame Zugang hierzu erfasst werden. Dies gelte -so auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs- nur dann nicht, wenn der Aufsteller der Videokamera ein höherrangiges Interesse an der Überwachung geltend machen kann.
Das Gericht geht davon aus, dass das Interesse des Nachbarn am Schutz seines Eigentums das Persönlichkeitsrecht der Klägerin überwiegt. Der Erfassungsbereich sei vom Landesamt für Datenschutzaufsicht geprüft und als vertretbar erachtet worden. Der miterfasste schmale Streifen des Gehwegs beschränke sich auf den Bereich direkt vor dem Eingangstor des Nachbarn. Es ?ist zu berücksichtigen, dass unstreitig Sachbeschädigungen an dem Eigentum des Beklagten stattgefunden haben. Insoweit überwiegen die Interessen des Beklagten am Schutz seines Eigentums das allgemeine Persönlichkeitsrecht der zufällig miterfassten Passanten, so auch der Klägerin?, so das Gericht.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann ein Anspruch auf Entfernung der Kamera aber auch bestehen, wenn eine Person ernsthaft befürchten muss, damit überwacht zu werden. Allein die Tatsache, dass Nachbarn Rechtsstreitigkeiten austragen, rechtfertigt für sich genommen nicht die Angst einer Partei, in den Überwachungsbereich mit aufgenommen zu werden. Die Streitigkeiten, die zwischen der Klägerin und ihrem Nachbarn stattgefunden haben, sind dafür nach Meinung des Gerichts ?nicht ansatzweise? ausreichend.
Es handle sich dabei um eher gewöhnliche Streitigkeiten zwischen Nachbarn. Die Klägerin trug dem Gericht nur ein Gefühl und eine Vermutung der Beobachtung und Überwachung durch den Nachbarn vor, was sie nicht mit Tatsachen belegen konnte. Allein die hypothetische Möglichkeit, dass der Nachbar sie überwachen könnte, reicht nicht aus, eine Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzunehmen.
Das Gericht wörtlich: ?Die Klägerin trägt hier allein die bloße Möglichkeit eines Missbrauchs der Überwachungskamera durch den Beklagten vor. Es liegt damit bloß ein (vermeintliches) subjektives Befürchten von Aufnahmen vor. Objektiv ist klargestellt, dass derzeit fremde private Flächen nicht gefilmt werden. Auf Seiten des Beklagten ist demgegenüber zu berücksichtigen, dass es unstreitig zu einer Sachbeschädigung auf seinem Grundstück gekommen ist.?
Urteil des Amtsgerichts München vom 20.03.2015, Aktenzeichen 191 C 23903/14
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des AG München v. 27.11.2015
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vom 02.12.2015
Betreff:
Rechts-Newsletter 48. KW / 2015: Kanzlei Dr. Bahr
anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 48. KW im Jahre 2015. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Schwerpunkten Recht der Neuen Medien, Glücksspiel- / Gewinnspielrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Datenschutzrecht, Presserecht und Wirtschaftsrecht.
Die Kanzlei Dr. Bahr wünscht Ihnen wie immer angenehmes Lesen. Kontaktieren Sie uns einfach, falls Sie Fragen oder Anregungen haben: http://www.Dr-Bahr.com/kontakt.html
1. BGH: Zur Haftung von Access-Providern für Urheberrechtsverletzungen Dritter
2. KG Berlin: Bewusst irreführende Post-Werbung ist unzumutbare Belästigung
3. OLG Celle: Land Niedersachsen haftet für Online-Foto-Klau eines Lehrers
4. OLG Köln: Amazon-Suchergebnisse können Markenverletzung darstellen
5. LG Düsseldorf: Kondom-Werbung "1 Tüte a 7 Stück entspricht bis zu 21 Orgasmen" ist irreführendn
6. LG Hamburg: Verlängerung einer zeitlich befristeten Verkaufsaktion wettbewerbswidrig
7. LG Köln: Autocomplete-Funktion bei Amazon-Suche verletzt Markenrechte
8. VG Köln: E-Mail-Dienst "Gmail" von Google ist Telekommunikationsdienst
9. AG Charlottenburg: Verlag haftet nicht für "Ausreißer" bei ungewolltem Zeitungs-Einwurf
10. AG München: Zulässige Videoüberwachung eines privaten Grundstückeingangs
Die einzelnen News:
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1. BGH: Zur Haftung von Access-Providern für Urheberrechtsverletzungen Dritter
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Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in zwei Verfahren über die Haftung von Unternehmen, die den Zugang zum Internet vermitteln (Access-Provider), für Urheberrechtsverletzungen Dritter entschieden.
I ZR 3/14
OLG Hamburg - Urteil vom 21. November 2013 - 5 U 68/10
OLG Köln - Urteil vom 18. Juli 2014 - 6 U 192/11
*§ 85 Urheberrechtsgesetz:
Verwertungsrechte
(1) Der Hersteller eines Tonträgers hat das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen. (…)
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden.
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2. KG Berlin: Bewusst irreführende Post-Werbung ist unzumutbare Belästigung
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Ein postalisches Werbeschreiben, das bewusst irreführende Angaben enthält und das nicht sofort und unmissverständlich als Werbung erkennbar ist, ist eine unzumutbare Belästigung iSd. § 7 UWG (KG Berlin, Urt. v. 19.06.2015 - Az.: 5 U 7/14).
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3. OLG Celle: Land Niedersachsen haftet für Online-Foto-Klau eines Lehrers
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Das Land Niedersachsen haftet für die Online-Urheberrechtsverletzungen eines Lehrers (OLG Celle, Beschl. v. 09.11.2015 - Az.: 13 U 95/15).
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4. OLG Köln: Amazon-Suchergebnisse können Markenverletzung darstellen
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Zeigt bei Eingabe eines markenrechtlich geschützten Begriffs die interne Amazon-Suche nur Produkte von Mitbewerbern an, handelt es sich hierbei um eine Markenverletzung. Ein Rechtsverstoß liegt nur dann nicht vor, wenn ein ausdrücklicher Hinweis darauf erfolgt, dass keines der angezeigten Ergebnisse der Eingabe entspricht (OLG Köln, Urt. v. 20.11.2015 - Az.: 6 U 40/15).
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5. LG Düsseldorf: Kondom-Werbung "1 Tüte a 7 Stück entspricht bis zu 21 Orgasmen" ist irreführendn
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Die Werbeaussage für Kondome "1 Tüte a 7 Stück entspricht bis zu 21 Orgasmen" ist irreführend und somit wettbewerbswidrig (LG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2015 - Az.: 14c 124/15).
"Abtropfgewicht 14g, 1 Tüte a 7 Stück entspricht bis zu 21 Orgasmen.".
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6. LG Hamburg: Verlängerung einer zeitlich befristeten Verkaufsaktion wettbewerbswidrig
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Die Verlängerung einer zeitlich befristeten Verkaufsaktion ohne besonderen Anlass ist wettbewerbswidrig (LG Hamburg, Urt. v. 17.06.2015 - Az.: 408 HKO 17/14).
machen möchte. Tatsächlich bestand hierfür jedoch keinerlei Notwendigkeit, da die Konditionen auch zu einem späteren Zeitpunkt verfügbar waren.
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7. LG Köln: Autocomplete-Funktion bei Amazon-Suche verletzt Markenrechte
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Die Autocomplete-Funktion der Amazon-Suche verletzt fremde Markenrechte (LG Köln, Urt. v. 24.06.2015 - Az.: 84 O 13/15).
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8. VG Köln: E-Mail-Dienst "Gmail" von Google ist Telekommunikationsdienst
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Mit einem heute den Beteiligten in vollständiger Form bekannt gegebenem Urteil vom 11. November 2015 hat das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass der von Google betriebene Email- Dienst „Gmail“ ein Telekommunikationsdienst im Sinne des deutschen Telekommunikationsgesetzes ist und deswegen von Google bei der Bundesnetzagentur angemeldet werden muss.
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9. AG Charlottenburg: Verlag haftet nicht für "Ausreißer" bei ungewolltem Zeitungs-Einwurf
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Hat ein Verlag alle notwendigen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen, damit seine kostenlose Zeitschrift nur an die Empfänger verteilt wird, die eine Zustellung wünschen, haftet er grundsätzlich nicht für Zustellungen von einzelnen "Ausreißern" (AG Charlottenburg, Urt. v. 07.08.2015 - Az.: 216 C 13/15).
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10. AG München: Zulässige Videoüberwachung eines privaten Grundstückeingangs
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Die Videoüberwachung des privaten Grundstückseingangs und eines schmalen Gehwegstreifens unmittelbar davor verletzt in der Regel nicht das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Passanten.
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