Zurück |
Newsletter vom 02.12.2020 |
Betreff: Rechts-Newsletter 49. KW / 2020: Kanzlei Dr. Bahr |
|
Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BGH: Haftung des Domain-Registrars für Urheberrechtsverletzungen des Domain-Inhabers _____________________________________________________________ In einer weiteren Grundsatz-Entscheidung hat der BGH (Urt. v. 15.10.2020 - Az.: I ZR 13/19) klargestellt, wann ein Domain-Registrars für die Urheberrechtsverletzungen des Domain-Inhabers haftet.
Die amtlichen Leitsätze lauten:
"1. Der Registrar einer Internetdomain, der im Auftrag des zukünftigen Domaininhabers der Registrierungsstelle die für die Registrierung der Domain erforderlichen Daten mitteilt und auf diese Weise an der Konnektierung der Domain mitwirkt, haftet als Störer für die Bereitstellung urheberrechtsverletzender Inhalte unter der registrierten Domain nach den für Internetzugangsvermittler geltenden Grundsätzen auf Dekonnektierung der Domain (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2015 - I ZR 174/14, BGHZ 208, 82 - Störerhaftung des Accessproviders). zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 2. BVerwG: Anspruch auf IFG-Informationszugang trotz rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Bevollmächtigten _____________________________________________________________ Ein Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz ist nicht schon deswegen rechtsmissbräuchlich, weil der Bevollmächtigte rechtsmissbräuchlich vorgeht. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Prozessbevollmächtigten der Kläger stellten im Jahr 2015 beim Bundesministerium der Finanzen und bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht für mehr als 500 geschädigte Anleger der Wohnungsbaugesellschaft Leipzig West AG gleichlautende Anträge auf Informationen über die Wohnungsbaugesellschaft. Das Bundesministerium lehnte diese Anträge zum überwiegenden Teil ab. Die schon zuvor in sämtlichen Fällen erhobenen Klagen blieben vor dem Verwaltungsgericht, soweit sie nicht zurückgenommen wurden, wegen rechtsmissbräuchlicher Klageerhebung ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die von einigen Klägern eingelegten Berufungen zurückgewiesen. Dem Informationszugangsanspruch stehe angesichts der massenweisen Einzelantragstellung und anschließenden Klageerhebung unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Dem Prozessbevollmächtigten der Kläger sei es allein darum gegangen, für sich möglichst weitgehende Gebührenansprüche zu generieren. Die Revisionen der Kläger hatten Erfolg. Das Informationsbegehren der Kläger ist nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der Prozessbevollmächtigte sich möglicherweise rechtsmissbräuchlich verhält. Das ist erst dann anzunehmen, wenn positiv festgestellt wird, dass es einem Antragsteller selbst nicht um die begehrte Information geht, sondern nur um die Gebührenansprüche seines Bevollmächtigten. Da derartige Feststellungen fehlen, ist davon auszugehen, dass das Informationsinteresse des vertretenen Antragstellers bestand und auch während des Rechtsstreits fortbesteht. Das Verhalten des Bevollmächtigten außerhalb des eigenen Mandats ist einem Antragsteller nicht zuzurechnen. Eine eigene Sachentscheidung zu den Informationsbegehren war dem Senat wegen fehlender Tatsachenfeststellungen verwehrt. Er hat die Sache daher an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
BVerwG 10 C 12.19 - Urteil vom 24. November 2020
BVerwG 10 C 13.19 - Urteil vom 24. November 2020
BVerwG 10 C 14.19 - Urteil vom 24. November 2020
BVerwG 10 C 15.19 - Urteil vom 24. November 2020
Quelle: Pressemitteilung des BVerwG v. 24.11.2020
Der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen hatte auf seinem Twitter-Account @MpStephanWeil am 20. und am 23. November 2019 aus Anlass einer Versammlung am 23. November 2019 zu dem Thema „Schluss mit steuerfinanzierter Hetze – Feldmann in die Schranken weisen!“ insgesamt 9 Tweets gepostet. Der NPD-Landesverband sah sich durch 6 dieser Tweets in seinem Recht auf chancengleiche Teilnahme am politischen Wettbewerb aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt. Dem ist der Niedersächsische Staatsgerichtshof nicht gefolgt. Die Äußerungen des Ministerpräsidenten waren gerechtfertigt.
Wesentliche Erwägungen: Dass das Bundesverfassungsgericht als Ergebnis des zweiten NPD-Verbotsverfahrens die NPD zwar nicht verboten, aber festgestellt hat, dass sie mit ihren Zielen die Grundprinzipien missachtet, die für den freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaat unverzichtbar sind, hindert sie nicht daran, sich auf den Gewährleistungsbereich des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG berufen zu können. Der verfassungsändernde Gesetzgeber von 2017 hat sich darauf beschränkt, die Finanzierung verfassungsfeindlicher Parteien zu begrenzen. Im Übrigen gilt daher der Grundsatz fort, dass die verfassungsfeindliche Partei zwar politisch bekämpft werden darf, aber auch sie in ihrer politischen Aktivität von jeder Behinderung frei sein soll. Die Äußerungen des Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsens in den streitgegenständlichen Tweets über seine Nutzeradresse @MpStephanWeil erfolgten in Ausübung seines Amtes. Amtsautorität wird auch bei Aktivitäten von Regierungsmitgliedern in sozialen Netzwerken oder beim Einsatz von Mikrobloggingdiensten in Anspruch genommen, wenn diese Aktivitäten unter Nutzeradressen stattfinden, die auf das Amt hinweisen. Außerdem stellen die Tweets einen Eingriff in das Recht auf chancengleiche Teilnahme am politischen Wettbewerb dar. Sie bezweckten nämlich, dass Leserinnen und Leser entweder der Demonstration der NPD fernblieben oder sich der Gegendemonstration anschlossen. Der Antragsgegner kann seinen Eingriff aber damit rechtfertigen, dass er von einer ihm als Teil des Verfassungsorgans „Landesregierung“ zustehenden Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit Gebrauch gemacht hat. Er setzte sich im Zusammenhang mit einem konkreten Angriff einer als verfassungsfeindlich festgestellten Partei für einen unverzichtbaren Grundpfeiler der Demokratie, nämlich der Institution „Freie Presse“, der Pressefreiheit und dem Schutz von Journalistinnen und Journalisten, ein. Es gehört zu den Amtspflichten des Ministerpräsidenten sich schützend vor die freiheitlich demokratische Grundordnung und ihrer Institutionen zustellen und die Bevölkerung für demokratiegefährdende Entwicklungen zu sensibilisieren sowie das bürgerschaftliche Engagement hiergegen zu stärken. Seine Neutralitätspflicht ist insoweit eingeschränkt. StGH 6/19
Quelle: Pressemitteilung des StGH Bückeburg v. 24.11.2020
Klägerin war die Deutsche Umwelthilfe. Sie beanstandete, dass der Online-Shop von Netto sich nicht an die gesetzliche Pflicht nach § 17 ElektroG halte, wonach gewerbliche Verkäufer von Elektro- und Elektronikgeräte gebrauchte Elektrogeräte zur Entsorgung zurücknehmen müssen. Auf ihrer Webseite informierte die Beklagte über das Rücknahme-System einer Dritt-Firma und verwies Verbraucher hierauf.
Erstinstanzlich hatte das LG Duisburg Netto zur Unterlassung verurteilt, vgl. die Kanzlei-News v. 18.07.2019.
Diese Einschätzung bestätigte nun auch das OLG Düsseldorf in der Berufung (OLG Düsseldorf, Urt. v. 03.09.2020 - Az.: I-15 U 78/19):
"Allerdings enthält § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 2 ElektroG die Verpflichtung des Vertreibers, eine eigenständige Rückgabemöglichkeit zu gewährleisten. Insoweit darf nicht auf Entsorgungsmöglichkeiten Dritter verwiesen werden. Auf diese Weise nämlich könnten Internetanbieter ihre Rücknahmepflichten vollständig auf die stationären Geschäfte verlagern. Schon die Regelung des § 17 Abs. 2 ElektroG zeigt, dass dies nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 5. OLG Frankfurt a.M.: Online-Werbeaussage "Wir liefern sicher, günstig, schnell" ist nicht irreführend _____________________________________________________________ Die Aussage eines Online-Händlers "Wir liefern sicher, günstig, schnell" ist nicht irreführend und stellt somit keine Wettbewerbsverletzung dar (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 21.09.2020 - Az.: 6 W 99/20).
Die Beklagte veräußerte u.a. gewerblich Motorenöl über eBay und warb mit der Aussage
"Wir liefern sicher, günstig, schnell". Die Klägerin sah darin eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten und klagte. Das OLG Frankfurt a.M. lehnte den Anspruch ab. Es könne der Formulierung bereits nicht die Aussage entnommen werden, dass die Beklagte das Versandrisiko trage.
Vielmehr spreche viel dafür, dass es sich lediglich um eine reklamehafte, rechtliche erlaubte Anpreisung handle:
"So ist schon zweifelhaft, ob der Verkehr dieser üblichen Werbefloskel überhaupt eine konkrete Aussage entnehmen wird. Nichtssagende Anpreisungen, Floskeln und Übertreibungen enthalten keine „Angabe“ im Sinne von § 5 UWG. Dem Durchschnittsverbraucher ist bekannt, dass die reklamehafte Anpreisung in der Natur der Werbung liegt. Und weiter: "Hier ist jedoch fernliegend, dass der Verkehr der Angabe „sicher“ die Übernahme des Versandrisikos entnehmen wird. Vielmehr wird der Verkehr durch den Kontext „günstig“ und „schnell“ die Formulierung „sicher“ dahingehend verstehen, dass die tatsächliche Art des Versandes und nicht die rechtliche Folge des Versandes angesprochen wird. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. OVG Hamburg: Kein Anspruch auf Information über die von der Universität Hamburg erhaltenen finanziellen Zuwendungen _____________________________________________________________ Auf die Berufung der Universität Hamburg hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht mit Entscheidung vom heutigen Tag eine vorangegangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg geändert und eine Klage auf Zugang zu Informationen über die von der Universität in den Jahren 2013 und 2014 erhaltenen finanziellen Zuwendungen abgewiesen (3 Bf 183/18). Der Kläger wandte sich bereits im Jahr 2015 an die Universität Hamburg und bat auf der Grundlage des Hamburgischen Transparenzgesetzes um die Zusendung einer Übersicht aller in den Jahren 2012, 2013 und 2014 erhaltenen, den Wert von 1.000 EUR übersteigenden Sponsoringleistungen, Spenden, Schenkungen und Werbezuwendungen mit Name des Geldgebers, Höhe der finanziellen Zuwendung, Art und Wert der materiellen Zuwendung. Die Universität Hamburg kam diesem Begehren nur teilweise nach. Insbesondere wurden die Namen der Zuwendungsgeber größtenteils nicht mitgeteilt, soweit diese eine Zustimmung zur Veröffentlichung nicht erteilt hatten. Mit Urteil vom 21. März 2018 hat das Verwaltungsgericht Hamburg daraufhin die Universität Hamburg verpflichtet, dem Kläger die begehrten Informationen zur Verfügung zu stellen (17 K 459/16). Auf die Berufung der Universität Hamburg hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht diese Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist die im Hamburgischen Transparenzgesetz geregelte Ausnahmevorschrift, wonach eine Informationspflicht u.a. nicht für die Grundlagenforschung oder anwendungsbezogene Forschung besteht (§ 5 Nr. 7, Halbsatz 1 HmbTG), nicht auf den Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit beschränkt. Sie erfasse auch unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten und insoweit auch Informationen über Drittmittel zu Forschungszwecken. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen. Dagegen ist Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet. Das Urteil wird nach Abfassung der Entscheidungsgründe auf der Homepage des Oberverwaltungsgerichts abrufbar sein.
Quelle: Pressemitteilung des OVG Hamburg v. 25.11.2020
Die Antragstellerin, Herausgeberin der Pirmasenser Zeitung, begehrte mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße von dem Landkreis Südwestpfalz Informationen sowohl über die seit Beginn der Pandemie insgesamt verzeichneten Infektionszahlen wie auch über die Anzahl der aktiven SARS-CoV2-Fälle, jeweils aufgeschlüsselt nach den einzelnen Ortsgemeinden des Landkreises. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag am 29. Oktober 2020 ab. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hob das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf und gab dem Eilantrag statt. Mit der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angeordneten Verpflichtung des Landkreises werde zwar die Hauptsache vorweggenommen. Die einstweilige Anordnung könne vorliegend aber ergehen, da eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anspruchs der Antragstellerin bestehe. Sie könne sich für ihr Begehren auf den einfachrechtlich in § 12a Abs. 1 des Landesmediengesetzes normierten Auskunftsanspruch stützen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts würden durch die Übermittlung der angefragten Zahlen keine schutzwürdigen privaten Interessen verletzt, insbesondere liege hierin kein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung infizierter Personen. Ungeeignet sei bereits der auch vom Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI) Rheinland-Pfalz in einer erstinstanzlich vorgelegten Stellungnahme gewählte Anknüpfungspunkt der „Ortsgemeinde“ als maßgebliches Kriterium für die Ablehnung von Auskunftsbegehren. Ortsgemeinden wiesen bei der Einwohnerzahl große Unterschiede auf. Teilweise erreichten Ortsgemeinden in Rheinland-Pfalz die Größe von Verbandsgemeinden, für die Infektionszahlen zur Verfügung gestellt würden. Aber auch bei sehr kleinen Ortsgemeinden begründeten die abgefragten Informationen für sich genommen keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine Personenidentifizierbarkeit. Dass es in einer Ortsgemeinde (aktive) SARS-CoV2-Infektionen gebe, lasse ohne Zusatzwissen keinen Rückschluss auf die konkret betroffene(n) Person(en) zu. Bei lebensnaher Betrachtung müsse gerade in kleinen Ortsgemeinden vielmehr davon ausgegangen werden, dass eine Identifizierbarkeit konkreter Personen allein anhand von vor Ort erfolgter und wahrnehmbarer Maßnahmen wie Quarantäneanordnungen oder Schul- und Kitaschließungen erfolge. Einer amtlichen Mitteilung über die Zahl der aktiven oder zurückliegenden Corona-Fälle bedürfe es für diese Erkenntnis und die Herstellung eines Personenbezugs hingegen nicht. Beschluss vom 23. November 2020, Aktenzeichen: 2 B 11397/20.OVG
Quelle: Pressemitteilung des OVG Koblenz v. 24.11.2020
Die Klägerin war in einer Bäckerei beschäftigt. Die Beklagte war Google.
Bei einer Online-Bewertung von Google schrieb ein User über die Firma, bei der die Klägerin angestellt war:
"Ich bin hier immer zum fruhstücken und sonst auch immer zufrieden und finde das Team sehr nett. Aber wurde heute so unfreudlich "bedient" von Frau XY (...)". Bei XY handelte es sich um den Nachnamen der Klägerin. Sie war die einzige Beschäftigte mit diesem Namen bei der Bäckerei. Google wurde zur Löschung des Namens unter Hinweis auf die DSGVO aufgefordert, der Suchmaschinen-Anbieter reagierte jedoch nicht. Daraufhin erhob die Gläubigerin Klage und verlangte u.a. Löschung und außerdem die Zahlung eines Schmerzensgeldes nach Art. 82 DSGVO in Höhe von 500,- EUR. Das LG Essen lehnte die Klage ab.
Es fehle bereits an einem Anspruch auf Löschung, so das Gericht. Denn die namentliche Nennung sei durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt (Art. 17 Abs.3 a) DSGVO).
"Die Namensangabe der Klägerin begründet ebenfalls keine (unschwer erkennbare) Rechtsverletzung. Obwohl ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Klägerin durch die Namensangabe unstreitig vorliegt, begründet dieser noch keine Verletzung der Persönlichkeitsrechte oder eine Datenschutzverletzung. An einer weitreichenden Wirkung fehle es insbesondere, weil nur der Nachname der Klägerin benannt worden sei: "Die Nutzerin hat berechtigt den Namen der Klägerin in ihrer Bewertung genannt. Das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ist durch die Namensangabe in nicht erheblichem Umfang beeinträchtigt. Denn die Klägerin ist nur in ihrem beruflichen Wirkungskreis, also in der Sozialsphäre, die im Vergleich zur Privat- und Intimsphäre den geringsten Schutz erfährt, betroffen. Nach Ansicht des Richters sei die Namensnennung insbesondere deshalb notwendig, weil diese Kernelement der Äußerung sei: "Denn ohne die Namensnennung ist das Meinungsäußerungsrecht nicht in demselben Maße gewahrt. Die Namensnennung ist wesentlicher Teil der Bewertung. Die Nutzerin hat in ihrer Bewertung nämlich zunächst herausgestellt, dass das Team üblicherweise bei der Bedienung sehr nett gewesen ist. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 9. LAG Köln: 300,- EUR DSGVO-Schadensersatz für vergessene Online-PDF-Datei _____________________________________________________________ Übersieht ein Arbeitgeber nach Ausscheiden seines Arbeitnehmers aus dem Unternehmen ein PDF mit personenbezogenen Daten, handelt es sich um eine DSGVO-Verletzung, die einen Schadensersatz von 300,- EUR rechtfertigt (LAG Köln, Urt. v. 14.09.2020 - Az.: 2 Sa 358/20). Die Klägerin war in der Vergangenheit bei der Beklagten als Professorin beschäftigt. Im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses speicherte die Beklagte das Profil der Klägerin und verlinkte auf ihre Homepage. Dieses Profil war ursprünglich als PDF gefertigt worden. Vor einigen stellte die Beklagte ihre Homepage auf HTML um, übersah jedoch das PDF und löschte es nicht. Eine Verlinkung fand nicht statt. Nachdem die Klägerin ausgeschieden war, machte sie u.a. einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO von mindestens 1.000,- EUR geltend. Erstinstanzlich verurteilte das ArbG Köln (Urt. v. 12.03.2020 - Az.: 5 Ca 4806/19) die Beklagte lediglich zur Zahlung von 300,- EUR. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein.
Das LAG Köln lehnte die Berufung mit deutlichen Worten ab und schloss sich der Auffassung der 1. Instanz ab:
"Die erkennende Kammer tritt den Überlegungen des Arbeitsgerichts zur Bemessung des immateriellen Schadens bei der versehentlichen Aufrechterhaltung der Sichtbarkeit des PDF mit dem Profil der Klägerin auf dem Server der Beklagten bei. Der Verschuldensgrad ist sehr gering. Zwischen den Zeilen zweifelt die Richter bereits, ob die erstinstanzlich ausgeurteilten 300,- EUR überhaupt begründet sind. In den Entscheidungsgründen heißt es dazu: "Dabei kann dahinstehen, ob der zugesprochene immaterielle Schadensersatz nicht bereits zu hoch war, da die Beklagte insoweit zur Verknappung des Prozessstoffes keine Anschlussberufung eingelegt hat." zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. LG Rostock: Cookie-Banner ist rechtswidrig _____________________________________________________________ Das LG Rostock (Urt. v. 15.09.2020 - Az.: 3 O 762/19) hat entschieden, dass die meisten Cookie-Banner in Deutschland fehlerhaft und damit rechtswidrig sind. Kläger war der Verbraucherzentrale Bundesverband, Beklagte die Betreiberin der Webseite advocado.de.
Advocado.de hatte ihre Homepage so ausgestaltet, dass beim Aufruf ein Cookie-Banner erschien. Es gab vier kleiner gehaltene, vorab aktivierte Menüpunkte:
"[ ] Notwendig [ ] Präferenzen [ ] Statistiken [ ] Marketing" Daneben gab es noch den Punkt "Details anzeigen" und einen größeren, grün umrandeten und optisch hervorgehobenen "OK"-Button.
Dies stufte das LG Rostock als klar rechtswidrig ein, weil dadurch keine informierte Einwilligung vom User eingeholt werde:
"Eine wirksame Einwilligung ist damit auch mit dem nunmehr verwendeten Cookie-Banner nicht möglich. Denn auch bei diesem sind sämtliche Cookies vorausgewählt und werden durch Betätigung des grün unterlegten „Cookie zulassen '-Buttons „aktiviert“. Damit entspricht die Gestaltung des Cookie-Banners grundsätzlich der Gestaltung in dem durch den BGH entschiedenen Fall. Darüber hinaus hatte die Beklagte zahlreiche Social Media- und Analyse-Tools (hier insbesondere: Google Analytics) auf der Webseite eingebunden, informierte in ihrer Datenschutzerklärung aber nicht über den Umstand, dass hier eine gemeinsame Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO vorlag. Die Beklagte vertrat den Standpunkt, dass lediglich eine Auftragsdatenverarbeitung gegeben sei.
Auch das beanstandet das LG Rostock:
"Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung, dass diese im Falle gemeinsamer Verantwortung für eine Datenverarbeitung nach Art. 26 Abs. 1 S. 1 DSGVO entgegen Art. 26 Abs. 2 S. 2 DSGVO das Wesentliche der Vereinbarung zwischen den gemeinsam für die Verarbeitung Verantwortlichen den Nutzern nicht zur Verfügung zu stellen. Und weiter: "Entsprechend haben die Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder inzwischen auch eine entsprechende Einschätzung abgegeben. Es ist insoweit auch auf den Beschluss der Datenschutzkonferenz vom 12.05.2020 zu verweisen (...) Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Anmerkung von RA Dr. Bahr: Das Gericht legt an vielen Stellen den Finger tief in die hinlänglich bekannten Wunden und offenbart damit anschaulich, dass die allermeisten Cookie-Banner in Deutschland fehlerhaft und rechtswidrig sind. Es war nur eine Frage der Zeit, bis hierzu ein Gericht sich äußert. Ebenso bedeutsam und praxisrelevant ist die zweite Konstellation, die das Gericht zu beurteilen hatte: Nämlich, dass beim Einsatz der üblichen websiteübergreifenden Analyse- und/oder Social-Media-Tools (im vorliegenden Fall war es Google Analytics) eine gemeinsame Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO vorliegt und keine Auftragsdatenverarbeitung nach Art. 28 DSGVO.
Die Entscheidung dürfte für viel Aufruhr und Aufsehen in der Online-Szene sorgen. Auch wenn das Gericht eigentlich nur die bislang bekannten und überwiegend vertretenen Rechtsauffassungen bestätigt.
|