Zurück |
Newsletter vom 03.03.2021 |
Betreff: Rechts-Newsletter 9. KW / 2021: Kanzlei Dr. Bahr |
|
Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BGH: Behörden dürfen nicht ungefragt urheberrechtlich geschützte Werke online stellen _____________________________________________________________ Auch Behörden dürfen im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtungen (hier: Publizitätspflicht nach dem Baurecht) nicht ungefragt urheberrechtlich geschützte Werke online stellen (BGH, Urt. v. 21.12.2021 - Az.: I ZR 59/19). Eine Gemeinde veröffentlichte im Rahmen baurechtlicher Vorschriften bestimmte Unterlagen, die sie von Antragsteller der Baugenehmigung erhalten hatte. Es handelte sich dabei um ein Exposé zur Darlegung einer baurechtlich atypischen Fallgestaltung. Sie veröffentlichte dies entsprechend § 4a Abs.4 BauGB online. Die Dokumente enthielten auch einen Stadtplan, an dem die Klägerin die Nutzungsrechte besaß. Da die Gemeinde sich keine Lizenzrechte hatte einräumen lassen, klagte die Rechteinhaberin auf Unterlassung. Die Beklagte hingegen berief sich auf § 5 UrhG, wonach für amtliche Werke das Urheberrecht nicht gelte.
Dieser Ansicht erteilte der BGH nun eine klare Absage:
"Die Revision verweist zutreffend darauf, dass die Abfassung eines Werks durch eine Privatperson der Annahme eines amtlichen Werks nicht entgegensteht, wenn das Werk nach den Gesamtumständen des Einzelfalls infolge einer Übernahme durch das Amt als von diesem herrührend anzusehen ist (...). Mit anderen Worten: Nur weil Unterlagen Teil eines baurechtlichen Planverfahrens sind, werden diese nicht automatisch amtliche Werke. Vielmehr bedarf es einer erkennbaren Übernahmehandlung der Behörde. Der BGH hob letztendlich das Urteil aber aus anderen Gründen auf und verwies es an die Vorinstanz zur erneuten Entscheidung zurück.
Und zwar, so die BGH-Richter, sei eine Rechtfertigung für das amtliche Handeln möglicherweise durch § 45 UrhG abgedeckt. Da diese Norm durch die Vorinstanzen nicht näher erörtert worden sei, müsse das Verfahren neu aufgerollt werden:
"Nach § 45 Abs. 1 und 3 UrhG ist die Herstellung und die öffentliche Wiedergabe (einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung) von einzelnen Vervielfältigungsstücken von Werken zur Verwendung in Verfahren vor einer Behörde zulässig. (...) zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 2. BGH: Entschädigungsprozess über Telekom-Börsengang muss neu aufgerollt werden _____________________________________________________________ Der u.a. für das gesetzlich geregelte Prospekthaftungsrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2020 über die Rechtsbeschwerden von Anlegern (Musterklägerseite), die stellvertretend für rund 17.000 Kläger Rechtsmittel gegen den Musterentscheid des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. November 2016 eingelegt haben, sowie über die gegen den vorbezeichneten Musterentscheid gerichtete Rechtsbeschwerde der Deutschen Telekom AG (Musterbeklagte), entschieden. Während die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Frage der Ursächlichkeit des fehlerhaften Prospekts für den Aktienerwerb und zum Verschulden der Musterbeklagten der rechtlichen Prüfung im Wesentlichen standhielten, ist die Sache zur Frage, ob der im Prospekt unrichtig dargestellte Sachverhalt auch zu einer Minderung des Börsenpreises beigetragen hat, unter teilweiser Aufhebung des Musterentscheids an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden. Hierzu wird das Oberlandesgericht nunmehr durch Einholung eines Sachverständigengutachtens am zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgerichtete Feststellungen zu treffen haben.
Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf: Tatsächlich hatte die Musterbeklagte die Aktien an diesem Telekommunikationsunternehmen jedoch nicht verkauft, sondern im Wege der Sacheinlage auf eine 100%ige Konzerntochter übertragen (sog. Umhängung). Infolge der Umhängung trug die Musterbeklagte weiter das volle Risiko des Kursverlustes der Aktien und ein damit verbundenes dividendenrelevantes Abschreibungsrisiko. Tatsächlich erlitten die Aktien ab Juli 2000 einen erheblichen Wertverlust. Auch der Kurs der Aktien der Musterbeklagten fiel bis Ende des Jahres 2000 deutlich ab. Im Einzelabschluss der Musterbeklagten zum 31. Dezember 2000 wurde eine Abschreibung des Beteiligungsbuchwerts der 100%igen Konzerntochter in Höhe von 6,653 Mrd € vorgenommen und ein negatives Ergebnis vor Steuern in Höhe von - 3,1 Mrd. € bekanntgegeben. Ab dem Jahr 2001 kam es zu zahlreichen Klagen gegen die Deutsche Telekom AG, die KfW, die Bundesrepublik Deutschland und einen Teil der Konsortialbanken. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte bereits mit Beschluss vom 21. Oktober 2014 (XI ZB 12/12) anders als das Oberlandesgericht Frankfurt am Main einen Prospektfehler hinsichtlich der Darstellung der Umhängung im Prospekt bejaht und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung bezüglich der offenen Verschuldens- und Kausalitätsfragen an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (siehe Pressemitteilung Nr. 186/2014 vom 11. Dezember 2014). Mit dem nunmehr angegriffenen Musterentscheid vom 30. November 2016 hat das Oberlandesgericht zu Gunsten der Musterklägerseite und zu Lasten der Musterbeklagten u.a. festgestellt, dass die Musterbeklagte schuldhaft gehandelt bzw. diese die Verschuldensvermutung nicht widerlegt habe (§ 46 Abs.1 BörsG aF). Es hat ferner festgestellt, dass der im Prospekt unrichtig dargestellte Sachverhalt zu einer Minderung des Börsenpreises beigetragen habe (§ 46 Abs. 2 Nr. 2 aF). Zu Lasten der Musterklägerseite hat es u.a. die begehrte Feststellung, dass der Erwerb der Aktien aufgrund des fehlerhaften Prospekts erfolgt sei (§ 46 Abs. 2 Nr. 1 BörsG aF), nicht getroffen, weil dies individuell in den Ausgangsverfahren zu klären sei. Hiergegen und gegen eine Vielzahl weiterer Teile des Musterentscheids zu einzelnen Verschuldens- und Kausalitätsfragen richten sich die wechselseitigen Rechtsbeschwerden der Musterklägerseite und der Musterbeklagten.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Demgegenüber halten die Ausführungen des Oberlandesgerichts zum Verschulden der Musterbeklagten (§ 46 Abs. 1 BörsG aF) und zur individuell in den Ausgangsverfahren zu klärenden Ursächlichkeit des Prospekts für den Aktienerwerb (§ 46 Abs. 2 Nr. 1 BörsG aF) der rechtlichen Überprüfung im Wesentlichen stand. Hinsichtlich einer Vielzahl weiterer Streitpunkte, auf die es unter Zugrundlegung der jetzt geklärten rechtlichen Maßstäbe nicht oder nicht mehr ankommt, hat der Senat den Vorlagebeschluss des Landgerichts Frankfurt am Main nebst Erweiterungsbeschlüssen unter Aufhebung des Musterentscheids für gegenstandslos erklärt. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur haftungsausfüllenden Kausalität nach § 46 Abs. 2 Nr. 2 BörsG aF sind in zweifacher Hinsicht rechtsfehlerhaft. Zum einen hat es zu Unrecht angenommen, es sei entscheidend, welche Auswirkungen die unrichtige Darstellung im Prospekt auf den Börsenpreis zum Zeitpunkt des Erwerbs gehabt habe. Damit hat das Oberlandesgericht verkannt, dass es für den Haftungsausschluss des § 46 Abs. 2 Nr. 2 BörsG aF nicht darauf ankommt, ob der Prospektfehler als solcher, also die unrichtige oder unvollständige Angabe im Prospekt (hier die Darstellung der Umhängung als Verkauf) zur Minderung des Börsenpreises beigetragen hat, sondern darauf, ob der Sachverhalt, über den unrichtige oder unvollständige Angaben im Prospekt enthalten sind (hier die Umhängung ), für die Börsenpreisminderung mitursächlich war. Zum anderen ist das Oberlandesgericht zu Unrecht davon ausgegangen, der Haftungsausschluss des § 46 Abs. 2 Nr. 2 BörsG aF greife schon dann ein, wenn der Erwerbspreis das maßgebliche Risiko bereits berücksichtige, dieses also "eingepreist" sei. Entscheidend ist vielmehr, ob der nach dem Erwerb eingetretene Kursrückgang zumindest mitursächlich darauf beruht, dass sich das dem unrichtig prospektierten Sachverhalt innewohnende Risiko tatsächlich verwirklicht hat. Um dies zu widerlegen, hat die Musterbeklagte den Nachweis zu führen, dass weder der Wertverlust der von der Umhängung betroffenen Aktien noch die Realisierung des dividendenrelevanten Abschreibungsrisikos mitursächlich für die nachteilige Entwicklung des Börsenpreises geworden sind. Da der Senat die hierfür erforderliche tatrichterliche Würdigung nicht selbst vornehmen kann, war der Musterentscheid teilweise aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Zutreffend hat das Oberlandesgericht hingegen festgestellt, dass die Musterbeklagte den nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 BörsG aF erforderlichen Nachweis, dass die Wertpapiere nicht aufgrund des Prospekts erworben wurden, nicht bereits dadurch erbringen kann, dass sie das anfängliche Fehlen oder den späteren Wegfall einer durch den Prospekt hervorgerufenen "Anlagestimmung" darlegt und beweist. Mit der reformierten börsenrechtlichen Prospekthaftung hat der Gesetzgeber die Rechtsfigur der Anlagestimmung aufgegeben. An deren Stelle ist das individuelle Erwerbsmotiv des Anlegers getreten. Die Musterbeklagte hat deswegen den Nachweis, dass im jeweiligen Einzelfall der individuelle Erwerbsentschluss nicht durch den fehlerhaften Prospekt beeinflusst wurde, zu führen. Da sich der Entlastungsnachweis auf einzelfallbezogene Umstände in der Person des Erwerbers bezieht, kann er - ebenso wie eine etwaige Kenntnis des Erwerbers vom Prospektfehler (§ 46 Abs. 2 Nr. 3 BörsG aF) - nur in den ausgesetzten Ausgangsverfahren und nicht im Kapitalanleger-Musterverfahren geführt werden. Spiegelbildlich lässt sich - anders als von Musterklägerseite begehrt - nicht aufgrund des Vorliegens einer Anlagestimmung bereits im Musterverfahren feststellen, dass die Musterbeklagte den Kausalitätsgegenbeweis in keinem der ausgesetzten Verfahren führen können wird. Zutreffend hat das Oberlandesgericht auch gesehen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Prospekt und der Anlageentscheidung nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass der Anleger den fehlerhaften Prospekt nicht gelesen oder gar von seiner Existenz nichts gewusst hat. Vielmehr genügt ein bloß mittelbarer Prospekteinfluss, wenn der Erwerb aufgrund der Anlageempfehlung von Dritten getätigt wurde und diese wiederum durch den Prospekt beeinflusst waren. Dabei müssen - anders als nach der früheren Rechtsfigur der Anlagestimmung - solche Empfehlungen von dritter Seite weder zur Einschätzung des Wertpapiers in Fachkreisen beigetragen haben, noch dazu geeignet oder bestimmt gewesen sein, auf das Anlagemotiv einer Vielzahl von Erwerbern einzuwirken. Rechtsfehlerfrei ist das Oberlandesgerichts ferner zu dem Ergebnis gelangt, dass der Musterbeklagten hinsichtlich der unzutreffenden Prospektangabe jedenfalls mit Blick auf die von ihr selbst vorzunehmende Plausibilitätskontrolle eine Entlastung von dem (vermuteten) Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht gelungen ist (§ 46 Abs. 1 BörsG aF). Dem Prospektverantwortlichen obliegt es auch bei Hinzuziehung externer fachkundiger Berater bei der Prospekterstellung stets, das Ergebnis einer eigenen Bewertung und Plausibilitätskontrolle zu unterziehen. Diese kann durch das Vertrauen in die Qualifikation und Fachkompetenz der hinzugezogenen Berater nicht ersetzt werden. Es war aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht den Vortrag der Musterbeklagten, ihr sei bei der Schluss- und Plausibilitätsprüfung - in voller Kenntnis des tatsächlichen Sachverhalts - die "sprachliche Ungenauigkeit" aufgrund eines "punktuellen Versehens" schlicht nicht aufgefallen, für unzureichend gehalten hat. Kann sich die Musterbeklagte vom Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht gemäß § 46 Abs. 1 BörsG aF entlasten, kommt es auf die Frage, ob die Verschleierung der wahren Beteiligungsverhältnisse im Prospekt vorsätzlich erfolgte, nicht mehr an. Beschluss vom 15. Dezember 2020 - XI ZB 24/16
Vorinstanz:
Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 26.02.2021
Dies hat der 12. Senat des Bundessozialgerichts am 23. Februar 2021 entschieden und damit der Revision eines Rentenversicherungsträgers stattgegeben (Aktenzeichen: B 12 R 21/18 R). Vereinbart ein Arbeitgeber mit der Belegschaft einen teilweisen Lohnverzicht und gewährt im Gegenzug an Stelle des Arbeitslohns Gutscheine und zahlt Miete für Werbeflächen auf den PKWs der Belegschaft, handelt es sich dabei sozialversicherungsrechtlich um Arbeitsentgelt. Dieses umfasst grundsätzlich alle im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden geldwerten Vorteile. Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der ursprüngliche Bruttoarbeitslohn rechnungsmäßig fortgeführt wird und die Tankgutscheine und Werbeeinnahmen als "neue Gehaltsanteile" angesehen werden. Demzufolge kommt es nicht darauf an, dass die Werbeeinnahmen auf eigenständigen Mietverträgen mit der Belegschaft beruhten. Die Beitragspflicht der Tankgutscheine entfiel auch nicht ausnahmsweise. Bei ihnen handelte es sich nicht um einen Sachbezug, weil sie auf einen bestimmten Euro-Betrag lauteten und als Geldsurrogat teilweise an die Stelle des wegen Verzichts ausgefallenen Bruttoverdienstes getreten waren. Die steuerrechtliche Bagatellgrenze von 44 Euro im Monat kommt daher nicht zur Anwendung.
Quelle: Pressemitteilung des BSG v. 24.02.2021
Geklagt hatte ein 44-jähriger Berufskraftfahrer aus Bremen, der zu Weihnachten 2016 arbeitslos wurde. Nach seiner persönlichen Arbeitslosmeldung stellte er kurz darauf einen Antrag auf Arbeitslosengeld (ALG) im Internet (eService). Dabei bestätigte er, das Merkblatt über seine Rechte und Pflichten als Arbeitsloser zur Kenntnis genommen zu haben. Im Februar 2017 nahm er eine einwöchige, unbezahlte Probearbeit in Vollzeit bei einem Logistikunternehmen an, was der Mann aber nicht bei der Agentur für Arbeit mitteilte. Zu einer Anstellung kam es nicht wegen ungünstiger Arbeitszeiten in Nachtschicht. Nachdem die Agentur für Arbeit von der Probearbeit erfahren hatte, sprach sie eine Rückforderung des Arbeitslosengeldes aus: Durch Aufnahme der Probearbeit sei die Arbeitslosigkeit weggefallen und die Arbeitslosmeldung unwirksam geworden. Da die Rückforderung auch die Folgezeit betraf, summierte sich der Betrag auf rd. 5.000 €. Dem hielt der Mann entgegen, dass eine unbezahlte Probearbeit nicht mit einer normalen Arbeit gleichgesetzt werden könne. Außerdem habe er sich keine Gedanken über eine unterlassene Mitteilung gemacht. Ein Merkblatt habe er nach seiner Erinnerung nie erhalten. Das LSG hat die Rechtsauffassung der Bundesagentur bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Anspruch auf ALG auch bei einer unbezahlten Probearbeit von min. 15 Wochenstunden entfalle, da der Betroffene dadurch der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stehe. Gegen die Rückforderung von ALG könne keine Unkenntnis der Meldepflicht vorgebracht werden. Sie ergebe sich aus dem Merkblatt, dessen Erhalt jeder Arbeitslose bei Antragstellung durch Unterschrift bestätige. Gleiches gelte auch bei einem Online-Antrag, denn dieser könne nur an die Bundesagentur versandt werden, wenn zuvor die Kenntnisnahme durch Anklicken bestätigt werde. Dies habe der Mann auch getan. Wenn trotzdem keine Mitteilung der Probearbeit erfolge, so handele der Betroffene grob fahrlässig. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. Januar 2021 – L 11 AL 15/19
Quelle: Pressemitteilung des LSG Celle v. 01.03.2021
Die Klägerin vertrieb Kleidungsstücke online. Dafür hatte sie einen Partnershop auf der Plattform der Beklagten eröffnet. Die Inhaltsangaben stammten von der Beklagten. Die Klägerin wurde von einem Dritten wegen der Bezeichnung "Acryl" abgemahnt. Der Dritte rügte, dass es sich um einen Verstoß gegen die TextilKennzVO handle, da vielmehr "Polyacryl" die zutreffende Angabe gewesen wäre. Die Klägerin verlangte daraufhin von der Beklagten den Ersatz des entstandenen Schadens. Dies lehnte diese ab. Das OLG Frankfurt a.M. folgte dieser Ansicht.
Es liege zwar ein Verstoß gegen die TextilKennzVO vor, dieser erreiche jedoch nicht die Erheblichkeitsschwelle:
"Die Spürbarkeit ist nicht allein deshalb zu bejahen, weil die TextilKennzVO eine europarechtlich begründete Informationspflicht begründet. (...) Mit anderen Worten: Da der Verbraucher "Acryl" und "Polyacryl" gleichsetze, liege keine relevante Desinformation des Verbrauchers vor, sodass die Informationspflicht nicht abmahnfähig war. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. OLG Koblenz: Werbeaussage "E-Zigaretten retten Leben" doch nicht rechtswidrig _____________________________________________________________ Die Werbeaussage "E-Zigaretten retten Leben" ist keine wettbewerbswidrige Irreführung. Demm dem Verbraucher ist bekannt, dass auch E-Zigaretten eine gesundheitsschädliche Wirkung innewohnt. Die Erklärung ist objektiv zutreffend, da E-Zigaretten nachweislich eine weniger schädliche Wirkung als herkömmliche Tabakerzeugnisse haben (OLG Koblenz, Urt. v. 03.02.2021 - Az.: 9 U 809/20). Die Beklagte bot E-Zigaretten an und warb auf Plakaten wie folgt: "E-ZIGADie Vorinstanz, das LG Trier (Urt. v. 22.05.2020 - Az.: 7 HK O 30/19) stufte dies als rechtswidrig ein. Denn durch die Aussage werde beim Verbraucher der Eindruck erweckt, es gäbe tatsächlich eine gesundheitsfördernde Wirkung von E-Zigaretten. Dieser Ansicht folgte das OLG Koblenz im Rahmen der Berufung nicht, sondern wies die Klage vielmehr ab. Die Werbung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelungen des TabakerzG würden keine Anwendung finden, da es sich bei E-Zigaretten um keine Tabakerzeugnisse im Sinne dieser Vorschrift handeln würde, so das Gericht. Eine Verpflichtung zur Unterlassung ergebe sich auch nicht aus allgemeinem Wettbewerbsrecht. Denn es liege unlautere Irreführung vor. Der Verbraucher gehe nicht von einer grundsätzlich gesundheitsfördernden Wirkung aus. Vielmehr sei ihm bekannt, dass auch E-Zigaretten gesundheitlich negativ zu beurteilen seien.
Es reiche vielmehr aus, wenn E-Zigaretten eine weniger schädliche Wirkung als herkömmliche Tabakerzeugnisse hätten:
"Es kann nicht festgestellt werden, dass bei dem Konsumenten von Tabakzigaretten als Adressat der Werbung der Beklagten ein Irrtum hervorgerufen wird. Insbesondere wird nicht die unzutreffende Vorstellung hervorgerufen, E-Zigaretten seien gesundheitlich unbedenklich. (...) Und weiter: "Demgegenüber kann eine lebensrettende Wirkung bereits dann begründet sein, wenn das vorliegend beworbene Alternativprodukt einen geringeren schädlichen Einfluss auf den menschlichen Körper hat als die Tabakzigarette selbst. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. VG Berlin: Bundesministerium des Innern muss Twitter-Beitrag zur AfD löschen _____________________________________________________________ Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) muss nach einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin einen die Partei Alternative für Deutschland, (AfD) betreffenden Tweet eines seiner Pressesprecher löschen. Mitte Januar 2021 berichtete die Tagespresse darüber, dass der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz davor stehe, die Antragstellerin zum Verdachtsfall zu erklären. Einer der Pressesprecher des BMI äußerte sich auf seinem Account des Kurznachrichtendienstes Twitter am 28. Januar 2021 wie folgt: „BM #Seehofer zum Stand des #BfV-Gutachtens zur #AfD: Meine Mitarbeiter prüfen das Gutachten gemeinsam mit dem @BfV Bund in juristischer Hinsicht. Da ist besondere Sorgfalt angesagt. Es gibt keine politischen Vorgaben. Ich möchte aber in überschaubarer Zeit Klarheit haben.“ Nachdem die Antragstellerin die Antragsgegnerin außergerichtlich vergeblich dazu aufgefordert hatte, die Äußerung zu löschen, hat sie um verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung trägt sie im Kern vor, dass durch die Äußerung über sie als Prüffall des (Bundes-)Verfassungsschutzes berichtet werde. Eine Berichterstattung über Prüffälle sei aber gesetzlich nicht vorgesehen, das Bundesverfassungsschutzgesetz – BVerfSchG – erlaube dies erst bei Verdachtsfällen. Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin gab dem Eilantrag teilweise statt. Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf Löschung des Tweets. Die Antragsgegnerin habe durch die beanstandete Äußerung in die nach Art. 21 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützte Parteienfreiheit eingegriffen. Bei objektivem Verständnis habe das BMI geäußert, dass es sich bei der Antragstellerin um einen Prüffall des Verfassungsschutzes handele. Unerheblich sei, dass das Ergebnis der Prüfung tatsächlich noch gar nicht feststehe. Hierdurch werde die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb erheblich geschmälert, denn schon die Einstufung der Antragstellerin als Prüffall führe nach einer von ihr durchgeführten Umfrage dazu, dass die Bereit-schaft, sie zu wählen, um 15 Prozent sinke. Der Eingriff sei nicht gerechtfertigt, weil es hierfür weder eine Rechtsgrundlage im BVerfSchG gebe noch die Voraussetzungen vorlägen, unter denen staatliche Stellen Informations- und Öffentlichkeitsarbeit betreiben dürften. Denn dem Staat sei es versagt, sich mit einzelnen Parteien zu identifizieren und die ihm zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel und Möglichkeiten zu deren Gunsten oder Lasten einzusetzen. Das weitere Begehren der Antragstellerin, der Antragsgegnerin einstweilen zu untersagen, auch künftig zu äußern, sie werde als Prüffall behandelt, hat das Gericht mangels Wiederholungsgefahr abgelehnt. Gegen die Entscheidung kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden. Beschluss der 1. Kammer vom 24. Februar 2021 (VG 1 L 127/21)
Quelle: Pressemitteilung des VG Berlin v. 24.02.2021
Es hat damit der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Äußerungen gerichteten Klage des Landesverbandes der Partei "Alternative für Deutschland" stattgegeben. Am 15. Januar 2019 hatte der Minister des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen gegenüber Pressevertretern geäußert: "Unser nordrhein-westfälischer Verfassungsschutz bearbeitet den NRW-Landesverband der AfD in Zukunft ebenfalls als Prüffall. Dem war eine Erklärung des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz vorausgegangen, die Bundespartei AfD werde als "Prüffall" bearbeitet. Anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes NRW bestätigte der Leiter des Verfassungsschutzes am 3. Juli 2019 auf die Frage eines Journalisten, dass der Landesverband der AfD als "Prüffall" bearbeitet werde. Mit seiner Klage vertritt der Landesverband der Partei die Auffassung, diese Äußerungen seien mangels gesetzlicher Grundlage rechtswidrig; insbesondere werde er in seinem Recht als politische Partei aus Art. 21 des Grundgesetzes verletzt. Die Klage, die die Frage des Bestehens einer Rechtsgrundlage zum Gegenstand hatte, hat nun zum Erfolg geführt. Zur Urteilsbegründung hat die 20. Kammer des Gerichts ausgeführt, mit den Äußerungen hätten die beiden Hoheitsträger in das Recht der AfD, als politische Partei gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilzunehmen (Art. 21 Abs. 1 GG), eingegriffen. Sie seien geeignet gewesen, die Mitwirkung der Partei an der politischen Willensbildung des Volkes und ihre Chancengleichheit im Wettbewerb der Parteien negativ zu beeinflussen. Für diesen Eingriff habe es einer gesetzlichen Grundlage bedurft, an der es fehle. Insbesondere könne das Recht, eine politische Partei in der Öffentlichkeit als "Prüffall" zu bezeichnen, nicht aus dem Verfassungsschutzgesetz NRW hergeleitet werden. Soweit dieses in §§ 5 Abs. 7, 3 Abs. 3 Bestimmungen über die Veröffentlichung von Informationen enthalte, setzten diese voraus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen vorlägen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zudem hinreichend gewichtig sein müssten. Während über einen sog. "Verdachtsfall" – der hier nicht in Rede stehe – unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen öffentlich berichtet werden dürfe, enthalte das Verfassungsschutzgesetz NRW keine Befugnis, bereits über das Stadium des sog. "Prüffalls" zu informieren. Die Prüfung diene erst der Klärung der Frage, ob sich aus allgemein zugänglichem Material ausreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen ergäben, die zur Einstufung als Verdachtsfall führten. Angesichts der Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage könnten die Äußerungen des Innenministers sowie des Leiters des Verfassungsschutzes auch nicht auf das allgemeine (gesetzlich nicht verbriefte) Recht zu staatlichem Informationshandeln gestützt werden. Dieses setze überdies die strikte Einhaltung des Neutralitätsgebotes voraus, das beide Hoheitsträger verletzt hätten. Der presserechtliche Auskunftsanspruch berechtige angesichts des entgegenstehenden Parteiengrundrechts ebenso wenig zu den streitbefangenen öffentlichen Erklärungen. Das Gericht hat mit dem Urteil lediglich die Frage der Rechtsgrundlage für die Bekanntgabe eines "Prüffalls" geklärt. Damit war keine rechtliche Bewertung verbunden, ob der NRW-Landesverband der AfD als Prüffall bearbeitet werden darf oder nicht. Das im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangene Urteil ist diesen heute zugestellt worden. Gegen die Entscheidung kann die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster eingelegt werden, die das Verwaltungsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen hat. Az.: 20 K 5100/19
Quelle: Pressemitteilung des VG Düsseldorf v. 24.02.2021
Hintergrund der Entscheidung der Behörde war, dass das betroffene Unternehmen nach Auffassung der Datenschützer massiv gegen die DSGVO verstoßen habe, vgl. dazu unsere Kanzlei-News v. 06.11.2019. Das Berliner Amt hatte daraufhin eines der höchsten Bußgelder, nämlich rund 14,5 Mio. EUR, verhängt. Nun teilt die Deutsche Wohnen SE in einer aktuellen Pressemitteilung mit, dass nach ihrem Widerspruch das LG Berlin das Verfahren eingestellt habe: "Die Behörde hatte der Deutsche Wohnen SE vorgeworfen, es zwischen Mai 2018 und März 2019 unterlassen zu haben, Maßnahmen zur Ermöglichung einer regelmäßigen Löschung nicht (mehr) benötigter Mieterdaten in ausreichendem Umfang umgesetzt zu haben.Die gerichtliche Entscheidung ist bislang im Original noch nicht bekannt. Unklar sind daher die genauen Gründe, die zu dieser richterlichen Bewertung führten. Teilweise wird vermutet, es ginge um die Zurechenbarkeit nach § 30 OWiG. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. Webinar mit RA Dr. Bahr "Reform des Online-Datenschutzrechts: Das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetz" am 12.03.2021 _____________________________________________________________ Am 12.03.2021 gibt es ein kostenloses Webinar mit RA Dr. Bahr zum Thema "Reform des Online-Datenschutzrechts: Das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetz: Erneuter Blödsinn oder sinnvolle Regelung? - Eine Betrachtung aus praktischer und rechtlicher Sicht" Die Veranstaltung ist kostenfrei. Anmeldungen können hier vorgenommen werden.
Datum: 12.03.2021
|