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Newsletter vom 03.06.2020 |
Betreff: Rechts-Newsletter 23. KW / 2020: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BGH: Zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung _____________________________________________________________ Der unter anderem für Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage entschieden, welche Anforderungen an die Einwilligung in telefonische Werbung und die Speicherung von Cookies auf dem Endgerät des Nutzers zu stellen sind.
Sachverhalt: Mit Bestätigen des ersten Textes, dessen Ankreuzfeld nicht mit einem voreingestellten Häkchen versehen war, sollte das Einverständnis mit einer Werbung durch Sponsoren und Kooperationspartner der Beklagten per Post, Telefon, E-Mail oder SMS erklärt werden. Dabei bestand die Möglichkeit, die werbenden Sponsoren und Kooperationspartner aus einer verlinkten Liste von 57 Unternehmen selbst auszuwählen. Andernfalls sollte die Beklagte diese Auswahl treffen. Das zweite Ankreuzfeld war mit einem voreingestellten Häkchen versehen und wies folgenden Text auf: "Ich bin einverstanden, dass der Webanalysedienst Remintrex bei mir eingesetzt wird. Das hat zur Folge, dass der Gewinnspielveranstalter, die [Beklagte], nach Registrierung für das Gewinnspiel Cookies setzt, welches [der Beklagten] eine Auswertung meines Surf- und Nutzungsverhaltens auf Websites von Werbepartnern und damit interessengerichtete Werbung durch Remintrex ermöglicht. Die Cookies kann ich jederzeit wieder löschen. Lesen Sie Näheres hier. In der mit dem Wort "hier" verlinkten Erläuterung wurde darauf hingewiesen, dass die Cookies eine bestimmte, zufallsgenerierte Nummer (ID) erhalten würden, die den Registrierungsdaten des Nutzers zugeordnet seien, der sich mit Namen und Adresse in das bereitgestellte Webformular eingetragen habe. Falls der Nutzer mit der gespeicherten ID die Webseite eines für Remintrex registrierten Werbepartners besuchen würde, sollte sowohl dieser Besuch erfasst werden als auch, für welches Produkt sich der Nutzer interessiert und ob es zu einem Vertragsschluss kommt. Der voreingestellte Haken konnte entfernt werden. Eine Teilnahme am Gewinnspiel war aber nur möglich, wenn mindestens eines der beiden Felder mit einem Haken versehen war. Soweit im Revisionsverfahren relevant, hat der Kläger verlangt, der Beklagten zu verbieten, entsprechende Einverständniserklärungen in Gewinnspielvereinbarungen mit Verbrauchern einzubeziehen oder sich darauf zu berufen. Der Kläger hat außerdem Ersatz der Abmahnkosten verlangt.
Bisheriger Prozessverlauf: Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 5. Oktober 2017 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union verschiedene Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) sowie der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung) hinsichtlich der Wirksamkeit einer Einwilligung in das Setzen von Cookies durch ein voreingestelltes Ankreuzkästchen vorgelegt. Diese Fragen hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 1. Oktober 2019 beantwortet.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Hinsichtlich der Einwilligung in telefonische Werbung ist die Beklagte gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG in Verbindung mit § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 UWG zur Unterlassung und zum Ersatz von Abmahnkosten verpflichtet, weil es sowohl nach der im Zeitpunkt der beanstandeten Handlung geltenden Rechtslage als auch nach der Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt an einer wirksamen Einwilligung in telefonische Werbung fehlt. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG dient der Umsetzung des Art. 13 Abs. 3 und 5 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG, deren Art. 2 Satz 2 Buchst. f für die Definition der Einwilligung auf Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG verweist, so dass der Begriff der "Einwilligung" richtlinienkonform zu bestimmen ist. Für die Zeit ab dem 25. Mai 2018 ist auf die in Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679 vorgesehene Definition abzustellen, weil seither gemäß Art. 94 Abs. 1 und 2 Satz 1 dieser Verordnung Verweise auf die aufgehobene Richtlinie 95/46/EG als Verweise auf diese Verordnung gelten. Eine Einwilligung wird "in Kenntnis der Sachlage" im Sinne des Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG erteilt, wenn der Verbraucher weiß, dass seine Erklärung ein Einverständnis darstellt und worauf sie sich bezieht. Die Einwilligung erfolgt im Sinne dieser Vorschrift "für den konkreten Fall", wenn klar wird, die Produkte oder Dienstleistungen welcher Unternehmen sie konkret erfasst. Daran fehlt es im Streitfall, weil die beanstandete Gestaltung der Einwilligungserklärung darauf angelegt ist, den Verbraucher mit einem aufwendigen Verfahren der Auswahl von in der Liste aufgeführten Partnerunternehmen zu konfrontieren, um ihn zu veranlassen, von dieser Auswahl abzusehen und stattdessen der Beklagten die Wahl der Werbepartner zu überlassen. Weiß der Verbraucher mangels Kenntnisnahme vom Inhalt der Liste und ohne Ausübung des Wahlrechts nicht, die Produkte oder Dienstleistungen welcher Unternehmer die Einwilligung erfasst, liegt keine Einwilligung für den konkreten Fall vor. Aus diesen Gründen fehlt es auch an einer Einwilligung "für den bestimmten Fall" im Sinne des Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679, die insoweit keine Rechtsänderung herbeigeführt hat. Hinsichtlich der Einwilligung in die Speicherung von Cookies steht dem Kläger gleichfalls ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UKlaG in Verbindung mit § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB zu. Die von der Beklagten in Form einer Allgemeinen Geschäftsbedingung vorgesehene Einwilligung des Nutzers, die den Abruf von auf seinem Endgerät gespeicherten Informationen mithilfe von Cookies im Wege eines voreingestellten Ankreuzkästchens gestattet, stellt sowohl nach dem im Zeitpunkt der beanstandeten Handlung geltenden Recht als auch nach dem im Entscheidungszeitpunkt geltenden Recht eine unangemessene Benachteiligung des Nutzers dar. Die Einholung der Einwilligung mittels eines voreingestellten Ankreuzkästchens war nach der bis zum 24. Mai 2018 geltenden Rechtslage - also vor Geltung der Verordnung (EU) 2016/679 - im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit wesentlichen Grundgedanken des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG unvereinbar. Der beanstandete Einsatz von Cookies durch die Beklagte als Diensteanbieter dient, wie von § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG vorausgesetzt, der Erstellung von Nutzerprofilen zum Zwecke der Werbung, indem das Verhalten des Nutzers im Internet erfasst und zur Zusendung darauf abgestimmter Werbung verwendet werden soll. Bei der im Streitfall in den Cookies gespeicherten zufallsgenerierten Nummer (ID), die den Registrierungsdaten des Nutzers zugeordnet ist, handelt es sich um ein Pseudonym im Sinne dieser Vorschrift. § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG ist mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG in der durch Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2009/136/EG geänderten Fassung dahin richtlinienkonform auszulegen, dass für den Einsatz von Cookies zur Erstellung von Nutzerprofilen für Zwecke der Werbung oder Marktforschung die Einwilligung des Nutzers erforderlich ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage durch den Senat entschieden, dass Art. 2 Buchst. f und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG in Verbindung mit Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG dahin auszulegen sind, dass keine wirksame Einwilligung im Sinne dieser Bestimmungen vorliegt, wenn die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät des Nutzers einer Website gespeichert sind, mittels Cookies durch ein voreingestelltes Ankreuzkästchen erlaubt wird, das der Nutzer zur Verweigerung seiner Einwilligung abwählen muss. Auf die Frage, ob es sich bei den Informationen um personenbezogene Daten handelt, kommt es nach der Entscheidung des Gerichtshofs in diesem Zusammenhang nicht an. Der richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG steht nicht entgegen, dass der deutsche Gesetzgeber bisher keinen Umsetzungsakt vorgenommen hat. Denn es ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber die bestehende Rechtslage in Deutschland für richtlinienkonform erachtete. Mit dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG ist eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung noch vereinbar. Im Fehlen einer (wirksamen) Einwilligung kann im Blick darauf, dass der Gesetzgeber mit § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG das unionsrechtliche Einwilligungserfordernis umgesetzt sah, der nach dieser Vorschrift der Zulässigkeit der Erstellung von Nutzungsprofilen entgegenstehende Widerspruch gesehen werden. An dieser Rechtslage hat sich seit dem 25. Mai 2018, dem ersten Geltungstag der Verordnung (EU) 2016/679, nichts geändert, weil diese Verordnung nach ihrem Art. 95 die Fortgeltung des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG als den Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG umsetzende nationale Regelung unberührt lässt. Soweit für die Definition der Einwilligung nicht mehr auf Art. 2 Buchst. h der aufgehobenen Richtlinie 95/46/EG abgestellt werden kann, sondern Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679 heranzuziehen ist, führt dies zum selben Ergebnis. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage durch den Senat auch mit Blick auf Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679 entschieden, dass ein vom Nutzer abzuwählendes, voreingestelltes Ankreuzkästchen keine wirksame Einwilligung darstellt. Urteil vom 28. Mai 2020 - I ZR 7/16 - Cookie-Einwilligung II
Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 28.05.2020
Vorinstanzen:
Sachverhalt: Im November 2012 wurden in diesem App-Zentrum mehrere Spiele angeboten, bei denen unter dem Button "Sofort spielen" folgende Hinweise zu lesen waren: "Durch das Anklicken von ‚Spiel spielen" oben erhält diese Anwendung: Deine allgemeinen Informationen, Deine-Mail-Adresse, Über Dich, Deine Statusmeldungen. Diese Anwendung darf in deinem Namen posten, einschließlich dein Punktestand und mehr." Bei einem Spiel endeten die Hinweise mit dem Satz: "Diese Anwendung darf Statusmeldungen, Fotos und mehr in deinem Namen posten." Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer. Er beanstandet die Präsentation der unter dem Button "Sofort spielen" gegebenen Hinweise im App-Zentrum als unlauter unter anderem unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs wegen Verstoßes gegen gesetzliche Anforderungen an die Einholung einer wirksamen datenschutzrechtlichen Einwilligung des Nutzers. Ferner sieht er in dem abschließenden Hinweis bei einem Spiel eine den Nutzer unangemessen benachteiligende Allgemeine Geschäftsbedingung. Er hält sich zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen im Wege der Klage vor den Zivilgerichten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG für befugt.
Bisheriger Prozessverlauf:
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Diese Frage ist in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und der rechtswissenschaftlichen Literatur umstritten. Es wird die Auffassung vertreten, dass die Datenschutzgrundverordnung eine abschließende Regelung zur Durchsetzung der in dieser Verordnung getroffenen datenschutzrechtlichen Bestimmungen enthält und eine Klagebefugnis von Verbänden deshalb nur unter den - im Streitfall nicht erfüllten - Voraussetzungen des Art. 80 der Datenschutzgrundverordnung besteht. Andere halten die in der Datenschutzgrundverordnung zur Rechtsdurchsetzung getroffenen Regelungen nicht für abschließend und Verbände daher weiterhin für befugt, Unterlassungsansprüche wegen des Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person im Wege der Klage vor den Zivilgerichten durchzusetzen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zwar bereits entschieden, dass die Regelungen der - bis zum Inkarafttreten der Datenschutzgrundverordnung am 25. Mai 2018 geltenden - Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) einer Klagebefugnis von Verbänden nicht entgegenstehen (Urteil vom 29. Juli 2019 - C-40/17). Dieser Entscheidung ist aber nicht zu entnehmen, ob diese Klagebefugnis unter Geltung der an die Stelle der Datenschutzrichtlinie getretenen Datenschutzgrundverordnung fortbesteht. Beschluss vom 28. Mai 2020 - I ZR 186/17 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 28.05.2020
Vorinstanzen: Die Influencerin war auf der Social-Media-Plattform Instagram aktiv und veröffentlichte dort regelmäßig Bilder und kurze Videosequenzen zu Sportübungen sowie Fitness- und Ernährungstipps. Klickten die Nutzer die Bilder an, erschienen Namen und Marken der Hersteller der von der Beklagten getragenen Kleidung. Mit einem weiteren Klick wurden die Nutzer dann zu den Instagram-Auftritten der Hersteller geleitet. Dies, so der 2. Zivilsenat, sei unzulässige Werbung. Durch das Einstellen der Bilder und die Verknüpfung mit den Namen und Accounts der Hersteller handele die Influencerin zu kommerziellen Zwecken. Sie betreibe den Instagram-Account nicht privat, sondern auch zugunsten der Imagepflege und zum Aufbau ihrer eigenen Marke und ihres Unternehmens. Nicht allein entscheidend sei hierbei, dass sie für bestimmte Werbung keine materielle Gegenleistung erhalten habe. Die Erwartung, das Interesse von Drittunternehmen an einem Influencer-Marketing zu wecken und auf diese Weise Umsätze zu generieren, reiche aus. Immerhin bezeichne sich die Beklagte selbst als Influencerin. Hierbei handele es sich in der Regel um bekannte und beliebte Person, die sich dafür bezahlen ließen, dass sie mit einem bestimmten Produkt abgebildet würden. Auch dass ihre Beiträge auf Instagram keinen redaktionellen Anlass für die Bilder und die Herstellernennung böten, spreche für ein kommerzielles Handeln. Weil die Influencerin den kommerziellen Zweck ihrer Handlungen nicht kenntlich gemacht habe, sei die Werbung unzulässig. Die Verbraucher hätten auch nicht unmittelbar aus den Umständen erkennen können, dass es sich um Werbung handele. Es liege, so der 2. Zivilsenat, gerade in der Natur eines Influencer-Posts, dass eine scheinbar private und objektive Empfehlung abgegeben werde, der die Follower eine höhere Bedeutung beimessen würden als einer gekennzeichneten Werbung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Braunschweig v. 29.05.2020
Die Klägerin hatte in einem Presseartikel über einen "offenen Brief" zum Klimawandel berichtet und in einem Eintrag auf Facebook auf diesen Artikel hingewiesen. Die Beklagte unterzog im Auftrag von Facebook den "offenen Brief" einer Faktenprüfung. Das Ergebnis wurde bei dem Eintrag der Klägerin auf Facebook dauerhaft angezeigt mit dem Zusatz "Nein: Es sind nicht ‚500 Wissenschaftler‘; Behauptungen teils falsch". In einem dort verlinkten Beitrag kam die Beklagte zu dem Ergebnis, dass einige der Verfasser des "offenen Briefes" nicht über einen wissenschaftlichen Hintergrund verfügten; außerdem seien einige der in dem "offenen Brief" vertretenen Behauptungen unzutreffend und insgesamt wichtige Informationen nicht hinreichend berücksichtigt worden. Der 6. Zivilsenat hat dem auf einen Wettbewerbsverstoß gestützten Eilantrag auf Unterlassung des konkreten Eintrags der Beklagten bei dem Post der Klägerin stattgegeben und das Urteil des Landgerichts Mannheim, das zu einem gegenteiligen Ergebnis gekommen war, entsprechend abgeändert. Entscheidend war dabei, dass die konkrete Ausgestaltung des Prüfeintrags für den durchschnittlichen Facebook-Nutzer nach Auffassung des Senats missverständlich war. Insbesondere konnte die Verknüpfung der Einträge auf Facebook dahin missverstanden werden, dass sich die Prüfung und die Beanstandungen auf die Berichterstattung der Klägerin bezogen hätten, statt – wie es tatsächlich nach Ansicht des Senats weit überwiegend der Fall war – auf den "offenen Brief", über den die Klägerin lediglich berichtet hatte. Über die Rechtmäßigkeit von Faktenprüfungen auf Facebook im Allgemeinen ist in diesem Verfahren nicht entschieden worden. Die im Eilverfahren getroffene Entscheidung ist nicht mehr anfechtbar. Die Beklagte kann aber die Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren beantragen.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 27.05.2020, Az. 6 U 36/20
Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe v. 27.05.2020
Die Beklagte war Maklerin und warb auf ihrer Homepage mit nachfolgenden Sätzen:
"Immobilie zum Höchstpreis verkaufen" und "Erzielung von Bestpreisen über Wettbewerb im bundesweiten Maklerpool" Das LG Berlin stufte dies als irreführend ein. Diese Art der Präsentation sei eine Spitzenstellungswerbung. Diese Spitzenstellung habe die Beklagte jedoch nicht. Ein Rechtsverstoß liege zwar nicht bereits dann vor, wenn ab und an in Einzelfällen nicht der Höchstpreis erzielt werde. Notwendig sei vielmehr ein generelles Nichteinhalten. Ein solcher grundsätzlicher Verstoß liege im vorliegenden Fall jedoch vor. Denn die Beklagte könne dieses Ziel nicht sicherstellen. Zwar setze sie einen Maklerpool ein und garantiere damit einen gewissen Wettbewerb zwischen den beteiligten Maklern. Jedoch sei der Immobilienmarkt sehr intransparent und der Verkaufspreis hänge von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren (u.a. Lage, Alter, Art, Zustand) ab, sodass die einzelnen Werte stark schwanken würden.
Somit könne der einzelne Makler nur eine stark generalisierende Schätzung des Wertes vornehmen, sodass nicht gewährleistet sei, dass tatsächlich Höchstpreise erzielt würden.
Die Schuldnerin wurde rechtskräftig verurteilt, bestimmte Werbeaussagen (u.a. "Zum Bestpreis verkaufen" oder "Schnell und zum besten Preis Ihre Immobilie verkaufen") verurteilt, vgl. unsere Kanzlei-News v. 29.01.2019. Nun beantragte der Gläubiger die Verhängung eines Ordnungsmittels, weil sich noch zahlreiche Texte online befanden. Die Schuldnerin verteidigte sich damit, dass es sich bei den verbotenen Äußerungen um eine ihrer zentralen Werbebotschaften gehandelt habe und eine umfassende Prüfung unzumutbar sei. Bei alleine 300 Unterseiten sei es nicht möglich, jede Page einzeln zu kontrollieren. Vielmehr sei nur ein stichprobenartiger Check durchführbar. So befänden sich die Äußerungen auch teilweise auf Webseiten, die kaum von Usern aufgesucht würden. All dies beeindruckte das LG Berlin. Es verhängte ein Ordnungsmittel iHv. 15.000,- EUR wegen Verstoß gegen das gerichtliche Verbot. Wenn es sich um eine zentrale Geschäftsaussage handle, die untersagt worden sei, müsse im Zweifel die gesamte Webseite zunächst offline genommen werden, um dann Webseite für Webseite einzeln die Inhalte zu kontrollieren, so das Gericht. Erst nach einer solchen Überprüfung könne die Homepage dann wieder online gestellt werden. Ein Relaunch im laufenden Online-Betrieb sei stets risikobehaftet, da schnell etwas übersehen werden könne.
Im Übrigen überzeuge auch sonst der Vortrag der Schuldnerin hinsichtlich der Unmöglichkeit nicht. Denn es spreche insoweit bereits für sich, dass es dem Gläubiger mit einfachen Mitteln (hier: Suchmaschine) möglich gewesen sei, die streitgegenständlichen Verstöße ausfindig zu machen. Damit liege es auf der Hand, dass die Schuldnerin nicht alles Mögliche und Zumutbare unternommen habe.
Der Beklagte hatte in der Vergangenheit eine strafbewehrte Unterlassungserklärung wegen irreführender Online-Werbung abgegeben. Die damaligen Branchenbuch-Einträge befanden sich auf den Portalen mobile.de, meinestadt.de und dasörtliche.de. Der Beklagte schrieb meinestadt.de an und forderte den Betreiber zur Löschung auf. Der Eintrag wurde jedoch nicht entfernt. Etwa zwei Monate später machte die Klägerin nunmehr eine Vertragsstrafe gelten, da durch den weiter vorhandenen Abruf gegen die Unterlassungserklärung verstoßen worden sei. Der Schuldner habe nicht alles Zumutbare unternommen habe, um den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Nach weiteren zwei Monaten bestätigte meinestadt.de gegenüber der Klägerin die Beseitigung des Eintrags. Als Begründung für die zeitlich verzögerte Löschung gab das Portal an, dass die Entfernung über ein Datenlieferanten abgewickelt werde. Im vorliegenden Fall habe dies aus nicht näher aufzuklärenden Gründen jedoch nicht funktioniert. Das LG Berlin verurteilte den Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,- EUR. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs müsse nicht nur alles unterlassen, was zu einer Verletzung führen könne, sondern er müsse vielmehr auch alles tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar sei, um künftige oder andauernde Verletzungen zu verhindern oder rückgängig zu machen. Zwar sei er für das selbständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er sei jedoch gehalten auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekomme, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen müsse und zudem rechtliche und tatsächliche Beeinflussungsmöglichkeiten für das Verhalten der Dritten habe. Eine solche Pflicht bestünde auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - der eigentliche Eintrag gar nicht von dem Beklagten stamme. Im Falle der Abgabe einer Unterlassungserklärung reiche es für eine Löschungsverpflichtung aus, wenn der Schuldner von dem rechtswidrigen Zustand Kenntnis habe. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass der Beklagte nicht alles Zumutbare unternommen habe. Zwar habe er in der Vergangenheit meinestadt.de angeschrieben und zur Löschung aufgefordert. Dies reiche jedoch noch nicht aus. Vielmehr hätte er nachprüfen müssen, ob die Löschung tatsächlich erfolgt sei und gegebenenfalls dann nochmals nachdrücklich die Entfernung verlangen müssen.
Dieser Verpflichtung sei der Beklagte nicht nachgekommen, sodass er gegen die abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen habe und daher eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,- EUR verwirkt sei.
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Datum: 26.06.2020 |