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Newsletter vom 04.11.2015
Betreff: Rechts-Newsletter 44. KW / 2015: Kanzlei Dr. Bahr


anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 44. KW im Jahre 2015. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Schwerpunkten Recht der Neuen Medien, Glücksspiel- / Gewinnspielrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Datenschutzrecht, Presserecht und Wirtschaftsrecht.

Die Kanzlei Dr. Bahr wünscht Ihnen wie immer angenehmes Lesen. Kontaktieren Sie uns einfach, falls Sie Fragen oder Anregungen haben: http://www.Dr-Bahr.com/kontakt.html


1. BVerfG: Verlag hat Anspruch auf Zusendung einer anonymisierten Urteilskopie vor Rechtskraft

2. BGH: "Unseriöser" Bieter ist kein Grund für den Abbruch einer eBay-Auktion

3. OLG Frankfurt a.M.: Keine Rechtsverletzung einer Anlagegesellschaft durch Domainnamen "x-schaden.de" einer Anwaltskanzlei

4. OLG Düsseldorf: Werbung mit "Testsieger" u.U. auch bei mehreren gleichplatzierten Produkten möglich

5. OLG Hamm: AGB-Klausel "Die Abtretung von Mängelansprüchen ist ausgeschlossen" ist rechtswidrig

6. LG Bochum: Wann Unternehmen mit durchgestrichenen Preisen werben dürfen

7. LG Hamburg: BILD verbietet Adblocker Umgehung der Adblocker-Sperren

8. LG Hamburg: 60.000,- EUR Schadensersatz für rechtsverletzende Presse-Fotos

9. LG Köln: 2.500 Schadensersatz bei Übernahme einer fremden ASIN-Nummer bei Amazon

10. Nach dem Safe Harbor-Urteil: Positionspapier der Datenschutzkonferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder

Die einzelnen News:

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1. BVerfG: Verlag hat Anspruch auf Zusendung einer anonymisierten Urteilskopie vor Rechtskraft
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Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts der Verfassungsbeschwerde eines Zeitungverlags gegen eine Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts stattgegeben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Das Oberverwaltungsgericht hatte es im Eilrechtsschutzverfahren abgelehnt, einen Landgerichtspräsidenten zur Zusendung einer anonymisierten Urteilskopie über ein von hohem Medieninteresse begleitetes Strafverfahren zu verpflichten. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Die vom Oberverwaltungsgericht angeführten Gründe lassen eine Gefährdung des noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens oder weiterer Strafverfahren nicht erkennen.

Sachverhalt und Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine Zeitungs-Verlagsgruppe, begehrte im Eilrechtsschutzverfahren die Übersendung einer anonymisierten Urteilskopie über ein Strafverfahren vor dem Landgericht gegen den ehemaligen Innenminister des Freistaates T. und Beigeordneten der Stadt E. (nachfolgend: der Beigeladene). Diesen hatte das Landgericht wegen Vorteilsannahme in zwei Fällen und Abgeordnetenbestechung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten zur Bewährung verurteilt. Die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen einen weiteren Beschuldigten stellte das Landgericht bis zur Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs zurück.

Das Verwaltungsgericht hat den Präsidenten des Landgerichts antragsgemäß verpflichtet, der Beschwerdeführerin Auskunft über die schriftlichen Urteilsgründe durch Übersendung einer anonymisierten Kopie des vollständigen Urteils zu erteilen. Auf die Beschwerde des Beigeladenen änderte das Oberverwaltungsgericht mit angefochtenem Beschluss die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ab und lehnte den Antrag der Beschwerdeführerin auf Auskunftserteilung ab. Hiergegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 des Thüringer Pressegesetzes (ThürPrG) durch das Oberverwaltungsgericht  verletzt  die  Beschwerdeführerin  in  ihrer  Pressefreiheit  aus  Art. 5  Abs.  1
Satz 2 GG.

1. Im Ausgangspunkt hat das Oberverwaltungsgericht die Vorschrift allerdings in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend ausgelegt, dass den auskunftspflichtigen Stellen auch unter Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich ein Ermessensspielraum bei der Frage nach Art und Umfang der Auskunft zusteht.

In keinem der Landespressegesetze so auch nicht in Thüringen wird der Inhalt des presserechtlichen Auskunftsanspruchs näher präzisiert. Den Behörden wird ein Ermessensspielraum zugestanden, der sich lediglich im Einzelfall zu einem Anspruch auf Akteneinsicht verdichten soll. Bei der Bestimmung der konkreten Tragweite des Auskunftsanspruchs im Einzelfall ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Das danach maßgebliche öffentliche Informationsinteresse ist anhand des Gegenstands des Auskunftsersuchens und damit der beabsichtigten Berichterstattung zu bestimmen. Im Grundsatz besteht jedoch kein Anspruch auf Akteneinsicht.

2. Für die Auskunft über Gerichtsentscheidungen gelten jedoch Besonderheiten, die das Oberverwaltungsgericht nicht hinreichend beachtet hat. Es ist weithin anerkannt, dass aus dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot und dem Grundsatz der Gewaltenteilung grundsätzlich eine Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen folgt. Diese Veröffentlichungspflicht erstreckt sich nicht nur auf rechtskräftige Entscheidungen, sondern kann bereits vor Rechtskraft greifen. Sie bezieht sich auf die
Entscheidungen als solche in ihrem amtlichen Wortlaut. Hiermit korrespondiert ein presserechtlicher Auskunftsanspruch von Medienvertretern.

3. Der Zugang zu Gerichtsentscheidungen ist allerdings nicht unbegrenzt. So sind die Entscheidungen etwa hinsichtlich persönlicher Angaben und Umstände in der Regel zu anonymisieren. Unberührt von der grundsätzlichen Zugänglichkeit von Gerichtsentscheidungen bleiben auch die allgemeinen gesetzlichen wie verfassungsrechtlichen Anforderungen an den weiteren Umgang der Medien mit den Entscheidungen.

Die Sorgfaltspflichten der Medien können jedoch nicht schon generell zum Maßstab für das Zugänglichmachen der gerichtlichen Entscheidungen seitens der Gerichtsverwaltung gemacht werden.

4. Wieweit die Beeinträchtigung des weiteren oder anderer Gerichtsverfahren der Zugänglichmachung von Gerichtsentscheidungen Grenzen setzen kann und Entscheidungen deshalb auch als Ganze zurückgehalten werden können, kann hier offenbleiben. Denn jedenfalls tragen die in dem angegriffenen Beschluss angeführten Gründe eine Zurückhaltung der in Frage stehenden Entscheidungen nicht. Er verweist ohne nähere Darlegungen auf eine bloß mögliche Gefährdung des noch nicht rechtskräftigen Verfahrens des Beigeladenen sowie weiterer Strafverfahren, namentlich auf die potentielle Beeinträchtigung von Zeugen. Dies genügt zur Ablehnung eines auf Herausgabe der Urteilsabschrift gerichteten Auskunftsanspruchs nicht. Jedenfalls angesichts des Umstands, dass es sich bei dem Beigeladenen um eine Person des öffentlichen Lebens handelt und es um strafrechtliche Vorwürfe mit öffentlichem Bezug geht, können die begehrten Entscheidungen allenfalls dann vollständig unter Verschluss gehalten werden, wenn konkrete Anhaltspunkte die Gefahr einer Vereitelung, Erschwerung, Verzögerung oder Gefährdung der sachgemäßen Durchführung eines Strafverfahrens im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 1 ThürPrG unmittelbar und dringend nahelegen. Solche Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Auch drängt sich in keiner Weise auf, dass die Beschwerdeführerin ihr obliegende Sorgfaltspflichten und die Rechte Dritter nicht respektieren wird.

Beschluss vom 14. September 2015 - 1 BvR 857/15

Quelle: Pressemitteilung des BVerfG v. 30.10.2015

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2. BGH: "Unseriöser" Bieter ist kein Grund für den Abbruch einer eBay-Auktion
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Ein "unseriöser" Bieter ist kein Grund für den Abbruch einer eBay-Auktion (BGH, Urt. v. 23.09.2015 - VIII ZR 284/14).

Der verklagte eBay-Verkäufer stufte einen Bieter als "unseriös" ein und wollte deshalb von seinem Angebot zurücktreten. Der klägerische Käufer, der wegen des nicht-erfüllten Vertrages Schadensersatz verlangte, hatte in den letzten sechs Monaten gemeinsam mit seinem Bruder 370 abgegebene Angebote auf eBay zurückgenommen. Es sei daher offensichtlich, so der Beklagte, dass auf die angegebenen Angebote kein Verlass sei.

Der BGH ließ diese Umstände nicht ausreichen.

Nur in den gesetzlich bestimmten oder vertraglich vereinbarten Fällen stehe einem Verkäufer ein Rücktritt vom Vertrag zu. Die - vermeintliche - "Unseriösität" des Käufers gehöre nicht dazu.

Zudem sei nicht ersichtlich wie die Interessen des Käufers nachhaltig gefährdet seien. Denn bei einer eBay-Auktion sei der Verkäufer nicht vorleistungspflichtig, sondern der Erwerb werde regelmäßig gegen Vorkasse oder Zug-um-Zug abgewickelt werde.

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3. OLG Frankfurt a.M.: Keine Rechtsverletzung einer Anlagegesellschaft durch Domainnamen "x-schaden.de" einer Anwaltskanzlei
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Ein Domain, die sich aus dem Namen einer Anlagegesellschaft und dem Zusatz "-schaden" zusammensetzt und die von einem im Kapitalanlagerecht tätigen Anwalt betrieben wird, verletzt nicht die Rechte der Firma (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 24.09.2015 - Az.: 6 U 181/14).

Die Klägerin war ein im Jahr 2002 gegründetes Immobilien- und Beteiligungsunternehmen. Die Beklagte ist eine auf das Kapitalanlagerecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei. Zur Bewerbung ihrer Tätigkeit und zur Mandanten-Akquise gab sie im Internet
Pressemeldungen heraus und unterhielt auch eigene Domains. Eine Domain bestand aus dem Namen der Gesellschaft und dem Zusatz "-schaden".

Die Klägerin stufte dies als rechtswidrig ein und begehrte u.a. Schadensersatz.

Die Richter wiesen die Klage ab.

Kennzeichen- und namensrechtliche Ansprüche würden nicht bestehen, da nicht die erforderliche Verwechslungsgefahr bestünde. Die Täitgkeitsbereiche der Parteien liege derartig weit auseinander, dass es am Merkmal der Branchennähe fehle.

Gleiches gelte für wettbewerbsrechtliche Ansprüche. Denn zwischen der Anlagegesellschaft und der Anwaltskanzlei bestünde kein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Es handle sich um gänzlich unterschiedliche Leistungen.

Es liege auch keine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts vor, denn der Domainname "x-schaden.de" beinhalte keine unrichtige Tatsachenbehauptung.

Die bloße Verknüpfung des Unternehmensnamens mit dem Begriff "Schaden" habe keinen konkreten Aussagegehalt. Die Domain erwecke allenfalls Assoziationen in dem Sinn, dass auf der so benannten Website Informationen über Schäden zu finden sein könnten, die Anleger von x-Produkten erlitten hätten oder erleiden könnten.

Sehe man darin doch eine Tatsachenbehauptung, entspreche dies der Wahrheit. Denn auf der Website werde u.a. darüber berichtet, dass die Stiftung Warentest Zweifel an den Rendite-Prognosen bestimmter x-Produkte geäußert hätten und Anlegern dadurch Schäden drohten. Der Domainname beinhaltet hingegen nicht die Behauptung, dass Kunden tatsächlich Schäden entstanden seien.

Die Beklagte dürfe im Rahmen ihrer Berufsausübungsfreiheit für ihre Leistungen in der Weise werben, dass sie sich kritisch mit den Anlageprodukten der Klägerin auseinandersetze und sachlich über Gerüchte im Markt und einen sich daraus ergebenden Beratungsbedarf berichte. Sie dürfe dies auch in Form einer Internet-Werbung tun, die über eine eigens hierfür vorgehaltene Domain erreichbar sei.

Dabei sei es notwendig und auch zulässig, für die Domain eine prägnante Formulierung zu wählen, selbst wenn diese wie im Streitfall plakativ und mehrdeutig sein möge. Das Interesse der Klägerin, nicht in ein negatives Licht gerückt zu werden, müsse dahinter zurücktreten.

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4. OLG Düsseldorf: Werbung mit "Testsieger" u.U. auch bei mehreren gleichplatzierten Produkten möglich
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Die Werbung mit dem Begriff "Testsieger" kann auch bei mehreren gleichplatzierten Produkten erlaubt sein (OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.09.2015 - Az.: I-15 U 24/15).

Die Beklagte warb mit der Aussage "Testsieger" für ihr Produkt. Bei einer Prüfung durch die Stiftung Warentest errang der Artikel den besten Rang. Er musste sich den Rang jedoch mit zwei weiteren Produkten anderer Hersteller teilen. Alle wurden mit einem "GUT (2,2)" bewertet. Der Stiftung Warentest-Bericht verwendete die Bezeichnung "Testsieger" nicht.

Der Kläger sah in der Werbeaussage "Testsieger" eine Irreführung, da der Eindruck erweckt werde, das Produkt habe alleine den ersten Platz errungen.

Das OLG Düsseldorf ist in dieser Ansicht nicht gefolgt und hat einen Wettbewerbsverstoß verneint.

Eine unzulässige Spitzenstellung sei nicht erkennbar. Denn durch die Angabe des Wortes "Testsiegers" werde nicht der Eindruck erweckt, allein das Produkt erringe am Markt eine vordere Position. Vielmehr beinhalte die Aussage lediglich, dass Produkt habe in dem durchgeführten Test gewonnen.

Denkbar sei jedoch, dass der Verbraucher in die Irre geführt werde, wenn er nicht erfahre, dass es mehrere Erstplatzierte gebe. Zwar hätten im vorliegende Fall drei Produkte die gleichen Bewertungen erzielt, jedoch handle es sich dabei um gemittelte Werte. Bei Analyse der Einzelnoten ergebe sich, dass der Artikel der Beklagten den besten Wert (hier: 2,19) erreiche, die anderen hingegen schlechtere Werte aufwiesen (hier: 2,26).

Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Das OLG Düsseldorf liegt damit auf einer Linie mit dem OLG Hamburg (Urt. v. 27.06.2013 - Az.: 3 U 142/13). Die Hanseaten hatten geurteilt, dass ein Produkt mit der Aussage "Testsieger" nur dann bewerben werden würde, wenn das Produkt alleiniger Sieger des Testes sei oder auf den Umstand der mehrfachen Platzierung hingewiesen werde. 

Die Düsseldorfer Richter erweitern nun diese Rechtsprechung und sehen die Werbemaßnahme auch dann als zulässig an, wenn das jeweilige Produkt den auf Basis der Einzelwerte  mathematisch errechneten ersten Platz erringt.

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5. OLG Hamm: AGB-Klausel "Die Abtretung von Mängelansprüchen ist ausgeschlossen" ist rechtswidrig
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Die Klausel "Die Abtretung von Mängelansprüchen ist ausgeschlossen" in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Internetversandhändlers ist unzulässig, weil sie den privaten Käufer unangemessen benachteiligt. Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25.09.2014 im einstweiligen Rechtsschutz entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Paderborn abgeändert.

Die Parteien, der Kläger aus Wustermark und die beklagte Firma aus Ingolstadt, vertreiben verschiedene Waren über das Internet. Die Beklagte vertreibt u.a. gewerblich Elektround Elektronikgeräte, Kaffeemaschinen, Kühlschränke und Waschmaschinen. Sie verwendete hierbei Allgemeine Geschäftsbedingungen die unter anderem folgende Klauseln beinhalten: "Die Abtretung von Mängelansprüchen ist ausgeschlossen." Der Kläger hat diese Klausel bei Verbrauchergeschäften für unzulässig gehalten und von der Beklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verlangt, den Gebrauch der Klausel gegenüber Verbrauchern zu unterlassen.

Das Unterlassungsbegehren des Klägers war erfolgreich. Die infrage stehende AGB-Klausel  verstoße, so der 4.Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern gegen die Regelung des § 307 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, weil sie den privaten Käufer unangemessen benachteilige. Das Abtretungsverbot behindere den Weiterverkauf des Verbrauchers, weil es die Gewährleistung gegenüber dem gewerblichen Erstverkäufer erschwere. Es benachteilige neben dem Wiederkäufer auch den wiederverkaufenden privaten Erstkäufer.

Veräußere der Erstkäufer die Ware, ohne ihm zustehende Gewährleistungsansprüche gegen den Erstverkäufer abtreten zu können, werde er auch bei einer von Anfang an mangelbehafteten Sache mit einer Gewährleistung belastet, für die der gewerbliche Erstverkäufer verantwortlich sei. Das Interesse des Erstkäufers, in solchen Fällen nicht mit der Abwicklung einer möglichen Gewährleistung mit dem gewerblichen Erstverkäufer belastet zu werden, sei schützenswert.

Das Interesse des gewerblichen Erstverkäufers durch ein Abtretungsverbot der Gefahr entgegenzuwirken, dass ihm völlig unbekannte Dritte als Gewährleistungsgläubiger aufgezwungen werden, überwiege im Verkehr mit Verbrauchern nicht gegenüber den Käuferinteressen. Die Gewährleistungshaftung werde in diesen Fällen nicht ausgedehnt, sondern lediglich verlagert. Im Internetversandhandel mit dem Verbraucher seien dem Versandhändler zudem seine Vertragspartner in der Regel nicht persönlich, sondern nur namentlich bekannt.

Rechtskräftiges Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25.09.2014 (4 U 99/14)

Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 29.10.2015

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6. LG Bochum: Wann Unternehmen mit durchgestrichenen Preisen werben dürfen
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Ein Produkt mit einem durchgestrichenen Preis zu bewerben ist nur dann zulässig, wenn dies die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers ist oder es sich um einen Preis handelt, der tatsächlich in Deutschland verlangt und bezahlt wurde (LG Bochum, Urt. v. 10.09.2015 - Az.: 14 O 55/15).

Die Beklagten warben für ihr Produkt (iPhone-Schutzhülle) mit einem durchgestrichenen Preiis von 29,99 EUR. Die Angabe war mit einem Sternchen versehen, der am Ende der Seite aufgelöst war:

*Die durchgestrichenen Preise sind unverbindliche Preisempfehlungen (UVP).“

Neben dem Hinweis "73 % sparen" war eine rückwärts laufende Uhr eingeblendet, der die Worte "nur noch" vorangestellt waren. Nach Ablauf der Angebotszeit wurde die rückwärtslaufende Uhr aktualisiert und die Laufzeit von 96 Stunden begann rückwärts erneut zu laufen.

Das Gericht verurteilte die Beklagten, beide Werbemaßnahmen zu unterlassen.

Die Werbung mit den durchgestrichenen Preisen sei wettbewerbswidrig, weil zu dem Produkt gar keine Preisempfehlung des Herstellers existiere. Auch handle es sich dabei um keinen marktüblichen Preis, der tatsächlich verlangt und bezahlt worden sei. Vielmehr liege hier ein Mondpreis vor, der nur genannt werde, um den Eindruck einer besonderen Kostenersparnis zu erwecken.

Irreführend sei auch die Platzierung der rückwärtslaufenden Uhr. Damit werde dem Käufer suggeriert, dass das Angebot zeitlich begrenzt sei und danach nicht mehr zur Verfügung stehe. Dadurch werde der Verbraucher zu einem vorzeitigen Kauf angeregt.

In Wahrheit sei das Produkt jedoch zeitlich unbefristet, denn nach Ablauf der 96 Stunden beginne die gleiche Frist wieder von vorne zu laufen. Damit werde der Betrachter in die Irre geführt.

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7. LG Hamburg: BILD verbietet Adblocker Umgehung der Adblocker-Sperren
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BILD hat durch eine einstweilige Verfügung (LG Hamburg, Beschl. v. 22.10.2015 - Az.: 308 O 375/15) dem Hersteller von Adblocker Plus verbieten lassen, die von BILD eingeführten Anti-Werbe-Sperren zu umgehen.

Der Streit zwischen Adblocker Plus und der Online-Werbe-Industrie wird seit längerem verbittert geführt. Inzwischen liegen mehrere erstinstanzliche Entscheidungen vor, die bislang alle zugnsten von Adblocker Plus ausgegangen sind.

Im vorliegenden Fall ging es nicht um die von der Antragsgegnerin hergestellte Software, sondern um die Frage, ob es zulässig ist, die von BILD eingeführten Web-Sperren für Adblocker-User zu umgehen.

Konkret verbietet das Gericht:

"1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung wegen der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann), zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Antragsgegnerin, untersagt,

a) im Forum ihrer Internetseite „Adblockplus.org" Programmcodes zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, die eine Umgehung der Softwareverschlüsselung der Webseite „www.bild.de" ermöglichen sollen, wie dies im Forum „bild.de adblock detect unskippable" gemäß der diesem Beschluss beigefügten Anlage AS 11 geschehen ist;

b) im Forum ihrer Internetseite „Adblockplus.org" Links zu Programmcodes zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, die eine Umgehung der Softwareverschlüsselung der Webseite „www.bild.de" ermöglichen sollen, wie dies im Forum „bild.de adblock detect unskippable" gemäß der diesem Beschluss beigefügten Anlage AS 11 durch den Link auf das Forum (...) geschehen ist;

c) Filterlisten für das Softwareprogramm AdblockPlus mit Programmcodes zu verbreiten, die eine Umgehung der Softwareverschlüsselung der Webseite „www.bild.de" ermöglichen."

Das Gericht stützt sich dabei auf § 95 a Abs. 3 UrhG. Die Hamburger Robenträger bewerten die Sperre für Adblock-User als technische Schutzmaßnahme im Sinne dieser Vorschrift. 

Jede Handlung, die eine Umgehung solcher Maßnahmen unterstützt oder erleichtert, ist verboten.

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8. LG Hamburg: 60.000,- EUR Schadensersatz für rechtsverletzende Presse-Fotos
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Die Ehefrau eines weltbekannten Formel-1-Fahrers hat einen Anspruch auf Schadensersatz iHv. 60.000,- EUR wegen rechtsverletzender Presse-Berichte (LG Hamburg, Urt. v. 25.09.2015 - Az.: 324 O 161/15).

Die Klägerin begehrte wegen der Veröffentlichung von Fotos die Zahlung einer Geldentschädigung. Sie war die Ehefrau des weltbekannten, ehemaligen Formel-1-Rennfahrers M. S., der beim Skifahren schwer verunglückt war und seitdem nicht mehr in der Öffentlichkeit zu sehen war. Die Klägerin war wenige Tage nach dem schweren Unfall beim Besuch ihres Mannes im Krankenhaus abgelichtet worden.

Das Gericht hat eine massive Rechtsverletzung bejaht:

"Auf der einen Seite besteht ein ganz erhebliches Interesse der Öffentlichkeit daran zu erfahren, wie die Klägerin mit einer solchen Ausnahmesituation umgeht und zurechtkommt.

Auf der anderen Seite ist die Klägerin im Kern ihrer Privatsphäre betroffen, wenn sie in einer Situation gezeigt wird, in der sie die Möglichkeit haben muss, mit ihrem Schmerz, ihrer Verzweiflung und ihrer Unsicherheit umzugehen und sich mit der traumatisierenden Situation eines Ereignisses, das das Schicksal der gesamten Familie ändert, auseinanderzusetzen. Dass diese Auseinandersetzung mit einer extremen Gefühlslage nur unbeobachtet und abseits der Öffentlichkeit erfolgen kann, liegt auf der Hand. (...)

Dem Leser wird die Traumatisierung der Klägerin nachgerade vor Augen geführt. In einem Moment höchster emotionaler Belastung wird die Klägerin in einem besonders weitreichenden Maße der öffentlichen Wahrnehmung und Erörterung ausgesetzt. Es handelt sich insoweit zudem nicht um das Unfallopfer selbst, sondern um die nächste Angehörige.

Die Intensität des Eingriffs in die Privatsphäre der Klägerin ist außerordentlich erheblich. Während sich die Klägerin in einer dramatischen Situation für ihre ganze Familie befindet, in der naturgemäß die Gedanken und Gefühle um den Ehemann und nicht zuletzt auch die gemeinsamen Kinder kreisen, fokussiert sich das Interesse der Öffentlichkeit gerade auf die Frage, wie die Klägerin mit einer solchen Situation umgeht und fertig wird und ob sie es schafft und die Kraft hat, durch diese Zeit zu gehen ohne zusammenzubrechen, womit sie zudem noch als Stütze für ihre Kinder in der Zeit enormer Belastung ausfallen würde."

Und weiter

"Es darf indes unterstellt werden, dass eine öffentliche Erörterung der Gemütslage in einer Situation, wie die der Klägerin, fünf Tage nach dem lebensgefährlichen Unfall ihres Ehemanns, bereits deshalb keinen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung darstellen und keine ernsthafte und sachbezogene Erörterung einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse sein kann, weil es an einer entsprechenden selbstreflektiven Betrachtung der Situation fehlt, weil niemand, der sich nicht in einer solchen Situation jemals befunden hat, ernsthaft ermessen kann, unter welcher psychischen Belastung die Klägerin stand. Konzentriert sich indes die öffentliche Erörterung allein auf das Schicksal der Klägerin, handelt es sich letztlich um nicht mehr als Voyeurismus, der mit dieser Abbildung befriedigt werden soll."

Angesichts des Umstandes, dass auch nach einer einstweiligen Verfügung weitere zwei Fotos veröffentlicht wurden, hält das Landgericht einen Schadensersatzbetrag von 60.000,- EUR für angemessen.

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9. LG Köln: 2.500 Schadensersatz bei Übernahme einer fremden ASIN-Nummer bei Amazon
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Wer eine fremde ASIN-Nummer bei Amazon übernimmt, handelt wettbewerbswidrig und ist schadensersatzpflichtig (LG Köln, Urt. v. 14.10.2015 - Az.: 84 O 149/14). Im vorliegenden Fall (hier: Schutzhüllen für Smartphones) wurde ein Schadensersatz von 2.565,90 EUR zugesprochen.

Die Beklagte hatte sich bei Amazon an eine fremde ASIN-Nummer angehängt. Durch die Angabe im Verkaufstext "von ..." war klargestellt, dass es sich um die klägerischen Produkte handelte. In Wahrheit handelte sich jedoch um Waren der Beklagten.

Die Kölner Richter bewerten ein solches Anhängen an eine fremde ASIN als wettbewerbswidrig, da die Beklagte den Verbraucher in die Irre geführt habe.

Auch sei die Beklagte schadensersatzpflichtig. Denn wenn sie sich nicht an das Amazon-Angebot angehängt hätte, hätten alle Kunden, die bei ihr das Produkt erworben hätten, bei der Klägerin eingekauft, da dieses dann das einzige Angebot gewesen sei.

Auf Basis der Zahlen der Klägerin errechnete das Gericht einen entgangenen Gewinn von 2.565,90 EUR, den die Beklagte zu ersetzen habe.

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10. Nach dem Safe Harbor-Urteil: Positionspapier der Datenschutzkonferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
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Bekanntlich hat der Europäische Gerichtshof vor kurzem (Urt. v. 06.10.2015 - Az.: C-362/14) das Safe Harbor-Abkommen für unwirksam erklärt, da es gegen geltendes EU-Datenschutzrecht verstößt.

Unsere praktischen Handlungsempfehlungen nach dem Safe Harbour-Urteil für Sie als (Online-) Unternehmer  können Sie hier nachlesen.

Nun hat die Datenschutzkonferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vor kurzem getagt und dabei ein Positionspapier herausgegeben, das wie folgt lautet:

"1. Nach dem Safe-Harbor-Urteil des EuGH vom 6. Oktober 2015 ist eine Datenübermittlung aufgrund der Safe-Harbor-Entscheidung der Kommission vom 26. Juli 2000 (2000/520/EG) nicht zulässig.

2. Im Lichte des Urteils des EuGH ist auch die Zulässigkeit der Datentransfers in die USA auf der Grundlage der anderen hierfür eingesetzten Instrumente, etwa Standardvertragsklauseln oder verbindliche Unternehmensregelungen (BCR), in Frage gestellt.

3. Der EuGH stellt fest, dass die Datenschutzbehörden der EU-Mitgliedstaaten ungeachtet von Kommissions-Entscheidungen nicht gehindert sind, in völliger Unabhängigkeit die Angemessenheit des Datenschutzniveaus in Drittstaaten zu beurteilen.

4. Der EuGH fordert die Kommission und die Datenschutzbehörden auf, das Datenschutzniveau in den USA und anderen Drittstaaten (Rechtslage und Rechtspraxis) zu untersuchen und gibt hierfür einen konkreten Prüfmaßstab mit strengen inhaltlichen Anforderungen vor.

5. Soweit Datenschutzbehörden Kenntnis über ausschließlich auf Safe-Harbor gestützte Datenübermittlungen in die USA erlangen, werden sie diese untersagen.

6. Die Datenschutzbehörden werden bei Ausübung ihrer Prüfbefugnisse nach Art. 4 der jeweiligen Kommissionsentscheidungen zu den Standardvertragsklauseln vom 27. Dezember 2004 (2004/915/EG) und vom 5. Februar 2010 (2010/87/EU) die vom EuGH formulierten Grundsätze, insbesondere die Randnummern 94 und 95 des Urteils, zugrunde legen.

7. Die Datenschutzbehörden werden derzeit keine neuen Genehmigungen für Datenübermittlungen in die USA auf Grundlage von verbindlichen Unternehmensregelungen (BCR) oder Datenexportverträgen erteilen.

8. Unternehmen sind daher aufgerufen, unverzüglich ihre Verfahren zum Datentransfer datenschutzgerecht zu gestalten. Unternehmen, die Daten in die USA oder andere Drittländer exportieren wollen, sollten sich dabei auch an der Entschließung der DSK vom 27.03.2014 "Gewährleistung der Menschenrechte bei der elektronischen Kommunikation" und an der Orientierungshilfe "Cloud Computing" vom 09.10.2014 orientieren.

9. Eine Einwilligung zum Transfer personenbezogener Daten kann unter engen Bedingungen eine tragfähige Grundlage sein. Grundsätzlich darf der Datentransfer jedoch nicht wiederholt, massenhaft oder routinemäßig erfolgen.

10. Beim Export von Beschäftigtendaten oder wenn gleichzeitig auch Daten Dritter betroffen sind, kann die Einwilligung nur in Ausnahmefällen eine zulässige Grundlage für eine Datenübermittlung in die USA sein.

11. Die Datenschutzbehörden fordern die Gesetzgeber auf, entsprechend dem Urteil des EuGH den Datenschutzbehörden ein Klagerecht einzuräumen.

12. Die Kommission wird aufgefordert, in ihren Verhandlungen mit den USA auf die Schaffung ausreichend weitreichender Garantien zum Schutz der Privatsphäre zu drängen. Dies betrifft insbesondere das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz, die materiellen Datenschutzrechte und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ferner gilt es, zeitnah die Entscheidungen zu den Standardvertragsklauseln an die in dem EuGH-Urteil gemachten Vorgaben anzupassen.

13. Insoweit begrüßt die DSK die von der Art. 29-Gruppe gesetzte Frist bis zum 31. Januar 2016.

14. Die DSK fordert die Bundesregierung auf, in direkten Verhandlungen mit der US-Regierung ebenfalls auf die Einhaltung eines angemessenen Grundrechtsstandards hinsichtlich Privatsphäre und Datenschutz zu drängen.

15. Die DSK fordert Kommission, Rat und Parlament auf, in den laufenden Trilog-Verhandlungen die strengen Kriterien des EuGH-Urteils in Kapitel V der Datenschutzgrundverordnung umfassend zur Geltung zu bringen."



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